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- DAZ 21/2001
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Die Seite 3
Waren Sie in letzter Zeit einmal im Supermarkt und haben versucht, einen Joghurt mit Vanillegeschmack zu kaufen? Ja? Na dann wissen Sie ja, wie groß die Palette der dort angebotenen Milcherzeugnisse ist. Sie haben die Qual der Wahl. Natürlich können Sie es sich leicht machen, die verschiedenen Vanillejoghurts nebeneinanderstellen und dann den billigsten auswählen. Aber ob der dann auch wirklich schmeckt? Und - viel wichtiger, ob das dann auch der gesündeste Joghurt ist? Schließlich gibt es da gewaltige Unterschiede. Es gibt Joghurts mit natürlichem oder naturidentischem Vanillearoma und solche mit "echter Bourbon-Vanille". Sie müssen zwischen Joghurts mit unterschiedlichen Fettgehalten wählen - die Palette reicht von 0,1 über 0,5, 3,5 bis hin zu 3,8% Fett im Milchanteil - und solchen, die mehr oder weniger Zusatzstoffe enthalten.
Ja und dann haben Sie natürlich noch die Wahl, ob sie einen "normalen" Joghurt möchten oder einen "mit Mehrwert". Einen, der mit besonderen Bakterienkulturen angereichert ist und mit Aussagen wie "beeinflusst die Darmflora positiv", "fördert die körpereigenen Abwehrkräfte" oder "leistet einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung Ihres Wohlbefindens" beworben wird. Einen probiotischen Joghurt also, ein so genanntes Functional Food. Derartige funktionelle Lebensmittel findet man immer häufiger in den Supermarktregalen. Nicht nur bei Joghurts, sondern auch bei Backwaren, Cerealien, Getränken, Süßigkeiten und Babynahrung macht sich der Trend bemerkbar. Zu probiotischen und präbiotischen Nahrungsmitteln sind mittlerweile mit Omega-Fettsäuren und Phytosterinen angereicherte Produkte gestoßen. Mit zusätzlichen Vitaminen- und Mineralstoffen ausgerüstete Lebensmittel sind bereits so verbreitet, dass sie schon gar nicht mehr bewusst zum Functional Food gezählt werden.
Die Zeit für derartige Produkte ist günstig - die Fitness- und Wellnesswelle schwappt höher als je zuvor. Wer etwas auf sich hält, geht regelmäßig ins "Gym", fährt Inlineskates, trägt Sneakers - ja, und isst eben keine "normalen" Vanillejoghurts mehr, sondern greift zum Functional Food. Ob es "was bringt" ist dabei wohl eher zweitrangig. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht jedenfalls ist Functional Food ganz und gar nicht notwendig. Werbung und Wahrheit liegen leider oft weit auseinander. Weder für probiotische noch für präbiotische Lebensmittel existieren aussagekräftige Studien, die die propagierten Wirkungen der Produkte bestätigen. Bei den mit Omega-Fettsäuren angereicherten Lebensmitteln sieht es nicht viel besser aus. Der Nutzen von Vitaminen und Mineralstoffen ist zwar unbestreitbar, allerdings besteht nur im Fall von Folsäure und Jod in Deutschland ein tatsächlicher Mangel. Alle anderen essenziellen Nährstoffe kann man problemlos in ausreichenden Mengen zu sich nehmen, wenn man sich ganz "normal" ernährt.
Sollten Sie bei der Wahl Ihres Vanillejoghurts also doch nur auf den Preis schauen? Das bleibt natürlich ganz Ihnen überlassen. Ihren Kunden in der Apotheke können Sie jedenfalls mit ruhigem Gewissen erklären, dass funktionelle Lebensmittel zwar ein "Kann", aber keineswegs ein "Muss" sind. Dass der Zusatz "probiotisch" keinen höheren Preis rechtfertigt, man sich durchaus auch mit einem günstigen Vanillejoghurt etwas Gutes tut, und dass es letztendlich nicht darauf ankommt, möglichst viele angereicherte und "verbesserte" Lebensmittel zu sich zu nehmen, sondern insgesamt auf eine abwechslungsreiche und gesunde Ernährung zu achten.
Generell ablehnen sollte man die funktionellen Lebensmittel allerdings auch nicht. Denn eines muss man ihnen - zumindest im Fall des Vanillejoghurts - durchaus zusprechen: Sie können sehr lecker sein. Und das ist ja schließlich auch eine Entscheidungshilfe.
Beatrice Rall
Wenn's schmeckt ...
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