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Dermopharmazie
J. Krutmann, P. M. HansenSonnenschutz nach der Sonne
Aus mehreren Gründen kann es dazu kommen, dass die Haut zu viel Sonne erhält. Zum einen sind nicht alle Hautareale gleich empfindlich, denn vorgebräunte Hautpartien sind prinzipiell besser geschützt als ungebräunte. Zum anderen kommt es nicht selten vor, dass die benötigte Menge des Sonnenschutzmittels nicht gleichmäßig auf der Haut verteilt, das Sonnenschutzprodukt schlicht vergessen oder die UV-Intensität unterschätzt wird.
Des Weiteren ist zu beachten, dass bestimmte Schäden wie z. B. die Schwächung des Immunsystems bereits auftreten, bevor die erhaltene Strahlendosis einen Sonnenbrand (Erythem) hervorrufen kann. Aus diesen Gründen ist es empfehlenswert, auch nach der Exposition gegenüber dem Sonnenlicht die Haut-Schutzmöglichkeiten anzuwenden.
Strahlenspektrum der Sonne
Das auf die Erdoberfläche auftreffende Sonnenlicht umfasst einen Wellenlängenbereich von 290 nm bis 3000 nm. Der energiereichste Anteil dieser Strahlung ist die UV-B-Strahlung mit Wellenlängen zwischen 290 nm und 320 nm (Abb. 1).
Obwohl die Bestrahlungsstärke mit 0,5% der Gesamtstrahlung gering erscheint, ist die UV-B-Strahlung zu über 80% an der Entstehung von Hautkrebs (Photokarzinogenese) beteiligt. Die noch weiter ansteigende Ausdünnung der Ozonschicht (Ozonloch) verschärft die Situation, und es ist mit einem Anstieg UV-B-induzierbarer Schäden zu rechnen.
Auswirkungen von UV-B-Strahlen
Der UV-B-Anteil des Sonnenlichtes verursacht neben Sonnenbrand eine Schwächung des Immunsystems (Immunsuppression) der Haut [1] und auch Mutationen der DNA in Onkogenen und Tumorsuppressor-Genen [2 - 7]. Es wird heute davon ausgegangen, dass parallel zu den Mutationen auch eine Immunsuppression vorhanden sein muss, damit es zum Auftreten von klinisch erkennbarem Hautkrebs kommt. Dass die UV-B-Strahlen eine immunsuppressive Wirkung besitzen, ist u. a. daran erkennbar, dass bestimmte in der Haut lokalisierte Infektionen wie Herpes simplex bei intensiver Sonnenbestrahlung sich weiter ausbreiten bzw. wieder aufflammen können.
Warum wirkt UV-B-Strahlung negativ?
UV-B-Strahlen erzeugen an der DNA der Hautzellen (Keratinozyten) so genannte Photoprodukte. Überwiegend entstehen dabei aus zwei im DNA-Strang benachbarten Thyminbasen durch Vernetzung Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere (CPD). Aufgrund des Nachweises eines engen Zusammenhangs zwischen der Bildung solcher Dimere und der Auslösung von Mutationen in Tumorsuppressor-Genen, die bei UV-Licht-induziertem Hautkrebs exprimiert werden, gilt die Dimerisierung als entscheidender Schritt bei der Hautkrebsbildung (Abb. 2).
Auf der Basis neuer tierexperimenteller Untersuchungsergebnisse geht man heute davon aus, dass diese Dimere zusätzlich für die Unterdrückung des Immunsystems verantwortlich sind und dadurch einem ungehinderten Wachstum entarteter Zellen Vorschub leisten [8, 9]. Je stärker die UV-B-Exposition ist, umso mehr Dimere werden in den Hautzellen erzeugt und desto größer ist der zu erwartende Schaden. Wenn in den Zellen zu viele Schäden verursacht werden, bilden sich so genannte Sonnenbrandzellen. Hierbei startet das "Selbstmordprogramm" der Zellen (Apoptose), welches zum vorzeitigen Absterben dieser Zellen führt. Vor diesem Hintergrund sind Möglichkeiten zur Verhinderung der schädlichen Auswirkungen der Dimerisierung in der Haut von ganz erheblichem Interesse für die Gesundheit.
Natürliche Reparaturmechanismen der UV-B-geschädigten DNA - dark repair oder Nucleotid-Exzisionsreparatur
Die menschliche Haut ist in der Lage, DNA-Veränderungen mittels Exzisionsreparatur zu beheben. Hierbei werden in einem mehrstufigen Prozess die geschädigten Stellen des DNA-Stranges herausgeschnitten (Exzision) und durch korrekte Nucleotide wieder ersetzt. Verschiedene Enzyme sind an dieser Reparatur beteiligt. Zunächst wird durch die Endonuclease der DNA-Strang in der Nähe des Dimers geöffnet, und die Exonuclease schneidet dann das beschädigte Teilstück heraus. Anschließend wird die Fehlstelle mit neusynthetisierten Nucleotiden enzymatisch verschlossen.
Da diese Reparatur unabhängig vom Licht abläuft, nennt man sie auch dark repair. Aufgrund des aufwendigen Verfahrens dauert die Reparatur jedoch relativ lange und ist bei übermäßig vielen Schäden der Hautzellen unzureichend. Das körpereigene Repairsystem kann nur einen begrenzten UV-B-vermittelten Schaden beheben. Man geht davon aus, dass innerhalb von 16 bis 24 Stunden nur etwa die Hälfte der entstandenen Schäden komplett repariert werden können.
light repair oder Photoreaktivierung
Neben der Nucleotid-Exzisionsreparatur steht in manchen biologischen Systemen eine weitere effektive Methode zur Entfernung der Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere (CPD) aus dem Erbgut der Zellen zur Verfügung. Bei bestimmten Algen und Fischen, aber auch bei Beuteltieren wurde ein weiterer Reparaturmechanismus entdeckt. Diese Organismen verfügen über ein Enzym, welches hochspezifisch an die durch UV-B-Strahlung entstandenen Dimere bindet und die DNA durch Aufspaltung der Dimere in die ursprüngliche Form zurückbringt. Da dieser Vorgang unter Einwirkung von Licht im Wellenlängenbereich 360 bis 500 nm geschieht, nennt man das Enzym Photolyase und den Prozess Photoreaktivierung oder light repair. Die menschliche Haut verfügt nach heutigem Kenntnisstand nicht über diesen Schutzmechanismus.
Der Mechanismus der DNA-Schädigung und der DNA-Reparatur durch Photoreaktivierung läuft folgendermaßen ab (Abb. 3): Im ersten Schritt vernetzt die UV-B-Strahlung zwei benachbarte Thyminbasen zu einem Pyrimidin-Dimer mit Cyclobutan-Ring. Das Enzym Photolyase erkennt dieses Dimer und bindet hochspezifisch daran (Schritt 2).
Unter Einwirkung von Licht (Wellenlänge 360 - 500 nm) wird das Enzym aktiviert und ist daraufhin in der Lage, die Dimerisierung aufzuheben (Schritt 3). Im letzten Schritt trennt sich das Enzym von den wiederhergestellten Thyminbasen. Da bei der Wiederherstellung weder die DNA aufgeschnitten noch neue Basenpaare bereit gestellt werden müssen, ist die Photoreaktivierung wesentlich schneller und effektiver als die dark repair.
Nutzung der light repair für den Menschen
In einer kürzlich publizierten Studie [10] konnte erstmals nachgewiesen werden, dass die Photolyase auch in menschlicher Haut wirksam ist, wenn sie in einer geeigneten Darreichungsform angewendet wird. Die CPD-spezifische Photolyase wird aus der Alge Anacystis nidulans gewonnen, in spezielle Liposomen eingeschlossen und kann als Gelformulierung topisch aufgetragen werden.
Erfahrungen mit photolyasehaltigen Liposomen - Entfernung von CPD in UV-B-bestrahlter menschlicher Haut
Die Bildung von Cyclobutan-Pyrimidin-Dimeren (CPD) wurde in zuvor sonnengeschützter Haut 24 h nach UV-B-Bestrahlung mittels Fluoreszenz-Markierung mit einer Strahlendosis, die zu einer gerade erkennbaren Hautrötung führt (1 MED = Minimale Erythem-Dosis), untersucht. Während sich in Biopsien aus UV-B-bestrahlten Hautarealen eine ausgeprägte Dimerisierung fand, konnte diese in unbestrahlten Hautarealen nicht nachgewiesen werden.
Bei topischer Applikation der liposomal verkapselten Photolyase auf UV-B-vorbestrahlte menschliche Haut und anschließender Photoreaktivierung nahm die Anzahl der zuvor durch UV-B-Strahlung gebildeten Dimere in der Epidermis ab (Abb. 4). Die für die Photoreaktivierung benötigte Zeitdauer ist relativ kurz, da innerhalb von 30 Minuten der maximale Effekt erreicht war. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 40 bis 45% der Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere aus der UV-B-bestrahlten Haut entfernt.
Aufhebung der durch UV-B-Strahlung bedingten Immunsuppression
Da die UV-B-induzierte Immunsuppression im Gegensatz zur UV-B-induzierten Mutagenese bereits innerhalb weniger Stunden nach einer UV-B-Bestrahlung in der menschlichen Haut nachgewiesen werden kann, wurde weiterhin untersucht, ob die durch UV-B-Bestrahlung ausgelöste Dimerisierung in der menschlichen Haut immunsupprimierend wirkt und die teilweise Reparatur der Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere einen immunprotektiven Effekt zur Folge hatte.
Die in diesen Untersuchungen eingesetzte UV-B-Dosis führt zu einer Suppression der Expression des ICAM-1, eines Moleküls, das für den normalen Ablauf von Immunreaktionen in der menschlichen Haut erforderlich ist. Es zeigt sich, dass die durch die Photolyase induzierte teilweise Reparatur der Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere ausreichend ist, die UV-B-induzierte Suppression der ICAM-1-Expression in den menschlichen Hautzellen vollständig zu verhindern. Das bedeutet, dass das Immunsystem der Haut zu 100% wieder hergestellt werden kann.
Ein weiterer Befund, der diese Ergebnisse stützt, konnte bei Nickelallergikern erhoben werden. Die Auslösung einer Nickelallergie wird durch die zellvermittelte Reaktion des Immunsystems hervorgerufen und kann daher als immunologisches Testsystem herangezogen werden.
Die zellvermittelte allergische Reaktion auf Nickelsulfat kann durch UV-B-Bestrahlung unterdrückt werden (Immunsuppression). Wird jedoch auf die gleichen Hautareale unter den gegebenen Bedingungen die photolyasehaltige liposomale Formulierung aufgetragen und durch Licht aktiviert, wird die Immunantwort der Haut so weit wiederhergestellt, dass trotz Bestrahlung mit der zweifachen MED die zellvermittelte Immunantwort (Nickelallergie) wieder auslösbar ist (Abb. 5).
Photolyase und Sonnenbrand
Bei den an Nickelallergikern durchgeführten Versuchen kann zudem beobachtet werden, dass sowohl die Ausbildung der Hautrötung als auch die Bildung von Sonnenbrandzellen (apoptotischen Keratinozyten) durch diesen neuartigen photoprotektiven Ansatz verhindert werden kann [10, 11]. Diese Beobachtung steht im Einklang mit tierexperimentellen Ergebnissen, die darauf hinweisen, dass die Ausbildung eines Erythems sowie die Bildung von apoptotischen Keratinozyten zu einem wesentlichen Teil auf die Entstehung von Cyclobutan-Pyrimidin-Dimeren in der DNA von epidermalen Keratinozyten zurückzuführen ist.
Galenik photolyasehaltiger Formulierungen
Die topische Applikation der Photolyase erfordert eine spezielle Galenik, um die Zielstelle in den Keratinozyten der Epidermis zuverlässig zu erreichen. Dazu wird die Photolyase in Liposomen eingeschlossen, die aus hoch aufgereinigtem Ei-Lecithin, Cholesterolhemisuccinat und Ölsäure bestehen und, insgesamt betrachtet, folgende drei Aufgaben erfüllen:
Die Liposomen haben eine enge Größenverteilung im Bereich von etwa 180 nm bis 200 nm und sind überwiegend zweischalig aufgebaut (Abb. 6). Die Verwandtschaft der Liposomen zu hauteigenen Strukturen ermöglicht es, dass die Photolyase sehr schnell durch die Hornschicht in die tieferen Hautschichten der Epidermis (Keratinozyten) transportiert wird. Nach Aufnahme in die Keratinozyten zerfallen die Liposomen in den sauren Zellkompartimenten, da eine der Lecithinfraktionen der Liposomen säurelabil formuliert ist: Sie besteht aus Phosphatidylethanolamin, welches in saurer Umgebung protoniert wird. Daraufhin kommt es zum Zerfall der Liposomen mit anschließender rascher Freigabe der Photolyase innerhalb der Zellen.
Da die Liposomen, wie gerade beschrieben, spezielle Anforderungen erfüllen müssen, ist die galenische Zubereitung sorgfältig auszuwählen. Dabei ist zu beachten, dass die Liposomen inkompatibel mit klassischen Emulgatoren sind und auch durch einen hohen osmotischen Druck der Formulierung kollabieren können. Für die Gewährleistung einer optimalen Stabilität werden daher wässrige emulgatorfreie Gelformulierungen eingesetzt, deren osmotischer Druck auf die physiologischen Verhältnisse eingestellt ist.
Sind die Liposomen nach Auftragen des photolyasehaltigen Gels in die Haut eingedrungen, wird die Photoreaktivierung durch normales Tageslicht oder auch Kunstlicht bewirkt. Ein messbarer Repairprozess setzt bereits nach 5 Minuten ein und erreicht nach ca. 30 Minuten den maximalen Effekt (Abb. 7).
Zusammenfassung und Ausblick
Die Untersuchungen haben erstmals gezeigt, dass es möglich ist, durch topische Applikation von DNA-Reparatur-Enzymen, die normalerweise nicht in der menschlichen Haut vorhanden sind, die Wiederherstellung von UV-B-induzierten DNA-Schäden, in diesem Fall die Rückverwandlung der Cyclobutan-Pyrimidin-Dimere in Thymin-Monomere, zu verstärken. Diese Wiederherstellung führt u. a. dazu, dass immunsuppressive Effekte, die maßgeblich an der Entstehung von Hautkrebs beteiligt sind, vermieden werden. Der Schutz der menschlichen Haut gegenüber den gesundheitsschädlichen Wirkungen des Sonnenlichtes kann mit diesem photoprotektiven Ansatz deutlich verbessert werden.
War es bislang nur möglich, durch die Verwendung von Lichtschutzfiltern die Haut gegen Schäden zu schützen, so ist es nun erstmals möglich, Gesundheitsschäden zu vermeiden, nachdem eine Veränderung der DNA der menschlichen Hautzellen bereits stattgefunden hat. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Verwendung photolyasehaltiger Produkte nicht den Gebrauch von Sonnenschutzmitteln ersetzt.
Der beschriebene Einsatz topisch verabreichter Photolyase stellt somit einen neuen Ansatz beim Sonnenschutz dar, der nicht nur effektiv, sondern auch toxikologisch unbedenklich ist. Aufgrund des neuen Wirkmechanismus stellt Photolyase eine sinnvolle Ergänzung zu bisher verwendeten Sonnenschutzregimen dar. Photolyasehaltige Darreichungsformen bringen einen neuen unabhängigen Schutzmechanismus für die sonnenstrapazierte Haut und können daher als aktive After Sun Produkte mit der Kennzeichnung "Der Sonnenschutz danach" bezeichnet werden. Auch aus dermatologischer Sicht ist das Repairmolekül Photolyase ein idealer Zusatz für After Sun Lotionen (enthalten in Ladival med).
Literatur [1] Krutmann J, Elmets CA (eds) (1995) Photoimmunology. Blackwell Science Ltd, Oxford. [2] Natarj AJ., Trent JC, Ananthaswamy HN (1995) p53 gene mutations and photo-carcinogenesis. Photochem Photobiol 62: 218 - 230. [3] Ziegler A, Lefell DJ, Kunala S, et al. (1994) Mutation hotspots due to sunlight in the p53 gene of non-melanoma skin cancer. Proc Natl Acad Sci USA 90: 4216 - 4220. [4] Ziegler A, Jonason AS, Lefell DJ, et al. (1994) Sunburn and p53 in the onset of skin cancer. Nature 372: 773 - 776. [5] Johnson RL, Rothmann AL, Xie J, et al. (1996) Human homolague of patched, a candidate gene for the Basal Cell Nevus Syndrome. Science 272: 1668 - 1671. [6] Dominguez M, Brunner M, Hafen E, Basler K (1996) Sending and receiving signal: control by the Drosophila Gli protein cubitus interruptus. Science 272: 1621 - 1625. [7] Pennisi E (1996) Gene linked to commonest cancer. Science: 1583 - 1584. [8] Sutherland BM, Hacham H, Gange RW, Maytum D, Sutherland JC (1990) in DNA Damage and Repair in Human Tissues, eds. Sutherland BM, Woodhead AD, Plenum, New York: 149 - 159. [9] Sancar GB (1990) Mutat Res 236: 147 - 160. [10] Stege H, Roza L, Vink AA, Grewe M, Ruzicka T, Grether-Beck S, Krutmann J (2000) Enzyme plus light therapy to repair DNA damage in ultraviolet-B-irradiated human skin. Proc Natl Acad Sci USA 97: 1790 - 1795. [11] Kulms D, Pöppelmann B, Yarosh D, Luger TA, Krutmann, J, Schwarz T (1999) Proc Natl Acad Sci USA 96: 7974 - 7979.
Kaum ist der Sommer zurückgekehrt, machen viele Personen auch wieder Bekanntschaft mit dem Sonnenbrand, meistens aus Unachtsamkeit. Ursache dieses Phänomens ist eine zu hohe Dosis UV-Strahlen, gegen die man sich durch klassische Sonnenschutzmittel mit UV-Filtern schützen kann. Ergänzend dazu gibt es nun neuartige Sonnenschutzmittel, die die Hautschäden auch nach der UV-Licht-Exposition noch verhindern können. Ihr Wirkstoff ist das Enzym Photolyase, das in Liposomen verpackt ist.
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