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- DAZ 25/2001
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Arzneimittel und Therapie
Osteoporose: Prävention beginnt in der Kindheit
Osteoporose wird heute als eine Erkrankung des Skeletts definiert, die durch eine verminderte Knochenstärke (Knochendichte und Knochenqualität) charakterisiert ist und die ein erhöhtes Frakturrisiko aufweist. Eine Osteoporose ist nicht immer das Ergebnis des im Alter einsetzenden Knochenverlusts; auch ein suboptimales Knochenwachstum in der Kindheit und Adoleszens kann zu einer Osteoporose führen. Die Osteoporose kann in eine Primär- und in eine Sekundärform unterteilt werden; erstere betrifft vor allem ältere Frauen und Männer, zweitere kann medikamentös (z.B. durch die Einnahme von Glucocorticoiden) oder krankheitsbedingt (z.B. durch Hypogonadismus) sein. Die wichtigsten direkten Folgen einer Osteoporose sind Frakturen, deren Inzidenz mit fortschreitendem Alter ansteigt. Durch die Fraktur bedingt treten psychosoziale, medizinische und finanzielle Beeinträchtigungen auf.
Unterschiedliches Risiko
Die Prävalenz einer Osteoporose hängt vom Alter, dem Geschlecht und der ethnischen Zugehörigkeit ab. Das höchste Risiko haben weiße, postmenopausale Frauen. Sowohl Männer als auch Frauen erfahren mit zunehmendem Alter eine Abnahme der Knochendichte; bei Frauen setzt der Verlust der Knochendichte nach der Menopause schneller ein als bei Männern. Eine niedrige Knochenmasse geht mit einem erhöhten Frakturrisiko einher.
Risikofaktoren für eine niedrige Knochenmasse sind
Risikofaktoren Ernährung und Östrogenmangel
Ob Alkohol und Coffein das Risiko erhöhen, ist umstritten. Körperliche Bewegung senkt das Osteoporoserisiko. Risikofaktoren für eine sekundäre Osteoporose sind unter anderem Ernährungsdefizite, der längere Aufenthalt in Heimen, die Einnahme von Glucocorticoiden, Antikonvulsiva und Schilddrüsenhormonen oder der Mangel an Östrogenen. Bei Kindern und Heranwachsenden erhöht die langfristige Einnahme von Steroiden das Osteoporoserisiko. Bestimmte Erkrankungen, die mit einer Malabsorptin einhergehen, wie eine cystische Fibrose, Zöliakie, entzündliche Darmerkrankungen oder Magersucht gehen ebenfalls mit einem erhöhten Osteoporoserisiko einher.
In der Kindheit wird der Grundstock gelegt
Die in der Kindheit erlangte Knochenmasse ist entscheidend für die Gesundheit der Skelettmuskulatur. Daneben spielen auch genetische Faktoren, die Ernährung, körperliche Bewegung, der Lebensstil und endokrinologische Parameter eine Rolle. Eine ausgewogene, dem Kalorienbedarf angepasste Ernährung ist entscheidend für ein normales Wachstum. Kinder im Alter von drei bis acht Jahren sollten 800 mg Calcium pro Tag zu sich nehmen, Neun- bis Siebzehnjährige sollten täglich 1300 mg Calcium aufnehmen, und Erwachsene haben einen Calciumbedarf zwischen 1000 und 1500 mg pro Tag. Für die optimale Aufnahme von Calcium ist Vitamin D erforderlich, für Erwachsene wird eine tägliche Zufuhr von 400 bis 600 IE empfohlen.
Einigen Untersuchungen zufolge nimmt nur ein geringer Teil der Heranwachsenden die empfohlene Menge an Calcium und Vitamin D auf. Gründe hierfür sind ein geringer Milchkonsum, einseitige Diäten und der übermäßige Genuss calciumarmer Sodagetränke. Regelmäßige körperliche Aktivitäten in der Kindheit führen zu einer höheren Knochenmasse und sind somit ein wichtiger Beitrag zur Osteoporoseprävention. Über den Einfluss körperlicher Aktivitäten auf die Knochenmasse im Erwachsenenalter liegen keine so eindeutigen Aussagen vor. Die regelmäßige körperliche Bewegung im Alter verzögert den Abbau der Knochenmasse etwas und fördert die Mobilität im Senium.
Wer sollte behandelt werden?
Um eine Osteoporose zu diagnostizieren und das Frakturrisiko einzuschätzen, wird meist eine Bestimmung der Knochenmineraldichte durchgeführt. Zusätzlich werden die Familienanamnese, eine körperliche Untersuchungen und bestimmte Laborparameter herangezogen. Welche Patienten präventiv - das heißt ohne auffallende Symptome - untersucht werden sollten, ist nicht ganz einfach einzuschätzen, da ein universelles Screening z. B. aller perimenopausaler Frauen unrealistisch und unbezahlbar ist. Konsens besteht darüber, dass bei Erwachsenen, die längere Zeit Corticoide einnehmen oder sonst ein hohes Osteoporoserisiko aufweisen, eine Bestimmung der Knochenmineraldichte erfolgen soll. Dasselbe gilt für Patienten, die bereits einmal eine Fraktur an der Hüfte, Rippe, Wirbel oder am distalen Unterarm erlitten hatten.
Calcium, Vitamin D und Bisphosphonate
Der therapeutische Nutzen von Calcium und Vitamin D konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. So erhöht eine angemessene Calciumeinnahme (diätetisch oder als Supplement) die spinale Knochenmineraldichte und senkt die Häufigkeit vertebraler und nicht vertebraler Frakturen. Die optimale Vitamin-D-Dosierung ist nicht genau bekannt, sie liegt zwischen 400 und 1000 IE am Tag. Auch bei einer Therapie der Osteoporose mit anderen Medikamenten sollte auf eine ausreichende Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr geachtet werden.
Bisphosphonate wie Etidronat, Alendronat und Risedronat erhöhen dosisabhängig die Knochenmineraldichte an Rückgrat und Hüfte und senken das Risiko vertebraler Frakturen um 30 bis 50%. Die meisten Studien wurden bei älteren Frauen mit Osteoporose oder Erwachsenen mit einer Glucocorticoid-induzierten Osteoporose durchgeführt. Über die Wirksamkeit und Sicherheit von Bisphosphonaten bei Kindern und Heranwachsenden liegen noch keine aussagekräftige Studien vor.
Calcitonin wirkt sich günstig auf die Knochenmineraldichte am lumbalen Rückgrat aus, seine Wirkungen an der Hüfte sind weniger eindeutig. Die Auswirkungen auf das Frakturrisiko sind bislang noch nicht klar.
Hormonersatztherapie für Frauen
Eine Hormonersatztherapie ist zur Prävention und Therapie der Osteoporose geeignet. Durch die Zufuhr von Östrogenen kann das Risiko vertebraler Frakturen gesenkt werden. Durch die Entwicklung selektiver Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) können die wünschenswerten Effekte der Östrogene auf die Knochen maximiert und die unerwünschten Wirkungen an Brust und Endometrium gesenkt werden.
In größeren Studien konnte gezeigt werden, dass Raloxifen das Risiko vertebraler Frakturen um 36% senken kann. Von Patientenseite aus besteht großes Interesse an pflanzlichen Phytoöstrogenen. Diese zeigen zwar schwache, östrogenartige Effekte, es gibt jedoch keine Studie, die eine Abnahme des Frakturrisikos unter Phytoöstrogenen zeigt.
Kastentext: Konsensus-Konferenz zur Osteoporose
Im vergangenen Jahr organisierte das amerikanische National Institutes of Health eine mehrtägige Konferenz, bei der Fragen zur Prävention, Diagnose und Therapie der Osteoporose geklärt werden sollten. 32 Experten unterschiedlichster Fachrichtungen (innere und Allgemeinmedizin, Endokrinologie, Epidemiologie, Präventivmedizin, Gerontologie, Rheumatologie, Gynäkologie, orthopädische Chirurgie, Zellbiologie) präsentierten einem 13köpfigen Ausschuss und einem Auditorium von knapp 700 Teilnehmern die aktuelle Literatur (insgesamt 2449 Arbeiten) zur Osteoporose. Nach der Zusammenfassung, Wertung und Diskussion der vorgestellten Literatur kristallisierten sich die hier aufgeführten Schwerpunkte und offene Fragen heraus.
Zukünftige Forschungen sollten sich unter anderem mit folgenden Punkten befassen:
Literatur NIH Consensus Development Panel on Osteoporosis Prevention, Diagnosis, and Therapy. J. Am. Med. Assoc. 285, 785-795 (2001).
Die Osteoporose hat sich zu einer Volkskrankheit entwickelt. Allein in den USA leiden rund 10 Millionen Patienten an der Osteoporose, und weitere 18 Millionen weisen ein erhöhtes Osteoporoserisiko auf. Entgegen der landläufigen Meinung, dass hauptsächlich Frauen mit fortschreitendem Lebensalter an Osteoporose erkranken, weiß man heute, dass das Auftreten der Osteoporose weder alters- noch geschlechtsabhängig ist. Auch ist die Bedeutung einer frühzeitigen und lebenslangen Prävention bekannt, die für den Erhalt der Knochengesundheit unabdingbar ist. Die neuesten Erkenntnisse hierzu wurden anlässlich einer amerikanischen Osteoporose-Konsensuskonferenz vorgestellt.
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