Berichte

Neue Arzneimittel 2000/2001

Guter Tradition folgend hielt Dr. Hartmut Morck, Eschborn, auch im Sommersemester 2001 seinen wertenden Vortrag über neue Arzneimittel der vergangenen zwölf Monate im Rahmen des Pharmazeutischen Kolloquiums in Greifswald.

COX-2-Hemmer

Celecoxib (Celebrex®) ist nach Rofecoxib (Vioxx®) das zweite in Deutschland erhältliche "Coxib", das heißt Inhibitor der Cyclooxygenase-2 (COX-2), das zur Behandlung aktiver Arthrosen und nunmehr auch der chronischen Polyarthritis zugelassen ist. Als Sulfonamidderivat darf Celecoxib nicht bei Sulfonamid-Überempfindlichkeit eingesetzt werden. Die Metabolisierung über das Enzym CYP 2C9 macht die beobachteten gastrointestinalen Störungen aus. Überraschenderweise treten bei einer Rofecoxib-Monotherapie viermal so oft Herzkomplikationen wie in einer Placebogruppe auf, sodass zusätzlich 100 mg Acetylsalicylsäure pro Tag indiziert sind. Insgesamt wird das bisher postulierte Ziel der selektiven COX-2-Hemmung in einem neuen Licht gesehen, seit über protektive COX-2-abhängige Eigenschaften berichtet wird. Der Vorteil der unbedingten COX-2-Hemmung ist somit fraglich.

Etanercept

Bei rheumatoider Arthritis besteht ein Ungleichgewicht zwischen pro- und antiinflammatorischen Zytokinen. Der proinflammatorische Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) zirkuliert als trimeres Molekül und ist Angriffspunkt von Etanercept (Enbrel®), einem Fusionsprotein, das an zwei Stellen des Trimers bindet und die Interaktion des Zytokins mit den membranständigen Rezeptoren verhindert. Die Substanz wird in Kombination mit Methotrexat eingesetzt, doch sind die Therapiekosten von 30 bis 60 TDM pro Jahr sehr hoch.

Antidiabetika

Ein neuer Vertreter aus der Familie der lang wirksamen Insuline ist Insulin glargin (Lantus®), das biotechnologisch in Escherichia-coli-Stämmen hergestellt wird. Die Substanz weist zum einen in der A-Kette des Insulins an Position 21 die Aminosäure Glycin statt Asparaginsäure auf und ist zum anderen am Carboxyl-Ende der B-Kette um zwei zusätzliche Argininreste (B31, B32) verlängert. Auf Grund der so erhöhten Basizität hat die Substanz einen anderen isoelektrischen Punkt und löst sich kaum im neutralen Milieu. Die Injektionslösung ist auf pH 4 eingestellt, nach der Applikation wird die Zubereitung im Subkutangewebe unter Ausbildung von Mikropräzipitaten neutralisiert, aus denen Insulin konstant freigesetzt wird.

Die Handhabung dieses Insulins ist erklärungsbedürftig, da die Lösung einen unphysiologischen pH-Wert aufweist und durch falsche Applikation bereits in der Kanüle auskristallisieren kann. Einer neuen Stoffklasse innerhalb der peroralen Antidiabetika, den Insulinsensitizern, gehört Rosiglitazon (Avandia®) an. Es handelt sich dabei um die Weiterentwicklung des Troglitazons, das sich wegen der Hepatotoxizität nicht im Handel befindet.

Rosiglitazon ist in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen zur Therapie eines Typ-2-Diabetes zugelassen. Dabei wird der PPAR-γ (Peroxisomenproliferator-aktivierter Rezeptor) aktiviert, sodass das Fettgewebe mehr Glucose speichert. Die Lipolyse wird gebremst, die Zahl der Insulinrezeptoren steigt, und die Insulinempfindlichkeit nimmt zu. Ein negativer Effekt ist dabei die Gewichtszunahme der Patienten.

Oxcarbazepin

Oxcarbazepin (Trileptal®), ein Strukturanalogon des Carbamazepins, das für die Behandlung von Kindern im Alter ab 6 Jahren und von Erwachsenen mit fokalen Epilepsie-Anfällen mit oder ohne sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfällen zur Mono- oder Kombinationstherapie zugelassen ist, könnte auf den ersten Blick als "me too"-Präparat eingestuft werden. Es liegt jedoch ein veränderter Metabolismus vor, da Carbamazepin zunächst zum Epoxid umgesetzt wird, das für die auftretende Toxizität verantwortlich ist, während Oxcarbazepin zum aktiven Monohydroxyderivat metabolisiert wird. Außerdem findet dabei keine Autoinduktion statt.

Bupropion

Auf dem Lifestyle-drug-Sektor sorgte die Raucherentwöhnungspille Bupropion (Zyban®) für Aufsehen. Bei klinischen Studien mit dem Amphetaminderivat, dessen Wirkungsmechanismus noch nicht gänzlich geklärt ist, wurden zahlreiche Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, gastrointestinale Störungen und zentralnervöse Reaktionen wie Zittern, Schlaflosigkeit, Schwindel oder Angstzustände beobachtet, die bei vielen Probanden zum vorzeitigen Abbruch der Therapie führten. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass die Therapie mit Zyban® am Tag ungefähr dem Preis zweier Päckchen Zigaretten entspricht.

Esomeprazol

Esomeprazol (Nexium®) ist das S-Enantiomer des Omeprazols. Die Durchführung klinischer Vergleichsstudien erscheint hier wenig sinnvoll, da sowohl Omeprazol wie auch Esomeprazol Prodrugs darstellen, die auf Grund der hohen Azidität des Magensaftes in das wirksame Sulfenamid überführt werden. Sowohl das S- als auch das R-Enantiomer weisen die gleiche pharmakodynamische Aktivität auf, unterscheiden sich jedoch in der Metabolisierungsgeschwindigkeit, da das S-Enantiomer in der Leber langsamer metabolisiert wird als die R-Form.

Verteporfin

Verteporfin (Visudyne®) wurde als erste Substanz für die photodynamische Therapie der altersbezogenen Makuladegeneration (AMD) zugelassen. Der liposomal verkapselte Stoff bindet nach einer Infusion im Plasma zu 90 Prozent an Lipoproteine geringer Dichte (LDL) und reichert sich in schnell wachsenden Zellen einschließlich des Endothels der neu gebildeten Gefäße im Auge an. Durch punktgenaue Lichtaktivierung bei 689 ± 3 nm über 83 Sekunden wird das in den Läsionen angesammelte Verteporfin angeregt, das seine Energie auf Sauerstoff überträgt. Der entstehende Singulett-Sauerstoff löst innerhalb seiner Diffusionsreichweite Zellschäden bis hin zur Apoptose der schnell wachsenden Zellen aus.

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