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Berichte
Universität Bonn: Klinische Pharmazie – schon jetzt!
Der regelmäßige Besuch der Vorlesung war Voraussetzung für die Teilnahme am Kursus Klinische Pharmazie, der anschließend in den Semesterferien stattfand. Inhalte dieser freiwilligen Lehrveranstaltung waren u.a. Beurteilung und Monitoring der Arzneimitteltherapie eines Patienten, Therapeutisches Drug Monitoring, Pharmazeutische Betreuung, Onkologische Pharmazie, Ernährungstherapie, Pharmakogenetik und -genomik, Klinische Arzneimittelentwicklung und Intensivpharmazie.
Ziel des Kurses war es, diese Themen mit Leben zu füllen sowie den Stoff der Vorlesung weiter zu vertiefen und zu verfestigen. Daher war das Konzept dieser zehn Tage eine Kombination aus Seminaren verschiedener Dozenten sowie anschließenden Übungen. Das Besondere dieser Seminare war, dass sämtliche Referenten bereits Klinische Pharmazie im Berufsleben praktizieren und daher mit den im Alltag anfallenden Problemen bestens vertraut sind.
Die neuesten Therapieschemata
Im Vorfeld hatten sich die teilnehmenden Studierenden bereits in Gruppen zu drei oder vier Personen mit Erkrankungen auseinandergesetzt, die eine besondere Betreuung durch Arzt und Apotheker erfordern und damit klassische Aufgabengebiete für die Klinische Pharmazie darstellen, bei der ja der Patient im Mittelpunkt steht. In den ersten Tagen wurden daher die wissenschaftlich neuesten Therapieschemata zur Behandlung von Depressionen, Krebs, HIV, Schmerzen, Asthma bronchiale und Diabetes vorgestellt.
Im ersten Seminar stellte Ann Snyder aus den USA das so genannte SOAP-Schema vor, das dazu dient, die Arzneimitteltherapie eines Patienten z. B. hinsichtlich Interaktionen etc. zu beurteilen und weiter verfolgen zu können.
Ein weiterer Themenblock war das Therapeutische Drug Monitoring (TDM), das in Kleingruppen mit konkreten Blutspiegeldaten für Theophyllin und Vancomycin an Computern durchgeführt wurde. Ziel der Übung war es, einen geeigneten Dosierungsplan für diese problematischen Arzneistoffe nach den individuellen Parametern (Clearance etc.) der Patienten zu entwickeln und diesen in einem – gestellten – Gespräch mit dem "Arzt" überzeugend begründen zu können.
Übung zur Pharmazeutischen Betreuung
Frau Dr. Lennecke (Sprockhövel) war verantwortlich für das Seminar und die Übung zur Pharmazeutischen Betreuung. Sie machte sehr deutlich, bei welchen Patientengruppen, Indikationen, Arzneimitteln und auch Arzneiformen Pharmazeutische Betreuung in der Apotheke besonders sinnvoll ist, z.B. bei multimorbiden Patienten oder solchen mit Compliance-Problemen, aber auch gerade bei Patienten, die zwischen ambulanter und klinischer Behandlung wechseln oder Probleme bei der Applikation haben (Asthmasprays etc.)
Klinische Pharmazie in den Apotheken
Höhepunkt des Workshops war sicherlich der "Ausflugstag", an dem die einzelnen Gruppen je eine Apotheke in der näheren oder weiteren Umgebung besuchten, in der Klinische Pharmazie schon jetzt eine Rolle spielt. An dem Workshop beteiligte Apotheken waren die Albert-Schweizer-Apotheke in Düsseldorf, die Merlin-Apotheke in Bonn sowie die Krankenhausapotheken der Uni-Kliniken Köln und Bonn und die des Krankenhauses Siegburg und des Klinikums in Leverkusen. Schwerpunkt war dabei die Zytostatikaherstellung, TDM und Ernährungstherapie.
Alle beteiligten Apotheker und deren Mitarbeiter waren sehr engagiert und ließen die Studierenden auch selbst mal "Hand anlegen". Zu sehen, dass Klinische Pharmazie nicht nur universitäre Spielerei ist, ließ die Studierenden höchst motiviert am folgenden Tag zum Workshop zurückkehren.
Intensivmedizin und Intensivpharmazie
Weitere Themen waren Pharmakogenetik/Pharmakogenomik, über das Herr Dr. Kassack (Uni Bonn) sprach sowie Klinische Studien, über die Herr Dr. Mück (Bayer AG) referierte, selbst tätig im Bereich der Klinischen Arzneimittelentwicklung. Er stellte Konzepte, Probleme und Vorgehensweise bei der Planung Klinischer Studien vor, was im späteren Verlauf mit Hilfe von Fragestellungen an die Studenten vertieft wurde.
Den für die Klinische Pharmazie interessanten Bereich Intensivmedizin und Intensivpharmazie beleuchteten PD Dr. med. Reichel (Uni Bonn) und Frau Dr. Sommer (Klinikum Krefeld). Dr. Reichel berichtete sehr anschaulich aus seinem Alltag als Intensivmediziner und den auf der Intensivstation auftretenden Problemen hinsichtlich der Betreuung und der Multimedikation der Patienten.
Besonders interessant war sein Vortrag für alle Teilnehmenden vor allem deshalb, weil er die Dinge aus der Sicht eines Mediziners darlegte und das Engagement von Pharmazeuten in der Klinischen Pharmazie nach seinen eigenen Worten zwar kritisch, aber durchaus offen betrachtet. Frau Dr. Sommer konnte dann als eine der noch wenigen Apothekerinnen, die auf einer Intensivstation tätig sind, ihren Alltag und ihre Sicht der Dinge darstellen. Es war ermutigend zu hören, welche Klippen sie bereits umschifft und welche Probleme sie in der Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten gelöst hat, so dass ihr Engagement dort nun von allen Seiten voll akzeptiert und geschätzt wird.
Übung zur Pharmakotherapie
Der krönende Abschluss des Kurses war eine etwas aufwendigere, aber nichtsdestotrotz interessante, da umfassende Übung zur Pharmakotherapie. Den einzelnen Gruppen wurde Datenblätter von – anonymen – Patienten zur Verfügung gestellt, die von Ärzten und Pflegepersonal nach der Aufnahme in ein Krankenhaus erstellt worden waren. Inhalt der Übung war es, die Eingangsmedikation sowie die bisherige Krankheitsgeschichte kritisch zu prüfen und die im Krankenhaus angeordnete Medikation, die gemessenen Laborparameter und das subjektive Befinden der Patienten in Bezug zu einander zu setzen und zu beurteilen.
Ziel war es, bei Bedarf eine Optimierung der medikamentösen Therapie vorzuschlagen und diese stichhaltig begründen zu können sowie konkrete Ratschläge zu erarbeiten, die für die Beratung in der Apotheke von Bedeutung sind, z.B. die richtige Anwendung von Asthmasprays. Die Ergebnisse wurden teils als Rollenspiel und teils kurz auf Folien den anderen Teilnehmern vorgestellt.
Insgesamt ist auch dieser Kurs, der diesmal zehn Tage statt nur eine Woche umfasste, wie auch die vorangegangenen bei den Studenten sehr gut angekommen und war auch für die Betreuer eine motivierende Erfahrung. Durch den praktischen Bezug konnten die Studierenden gehörtes Wissen in die Tat umsetzen und so verfestigen, sie wurden intensivst durch die Doktoranden von Professor Jaehde betreut, was die Motivation und vor allem die Qualität der Übungen erhöhte. Die Betreuer ihrerseits sahen sich einer hochmotivierten Gruppe gegenüber, die ihre Freizeit opferte, um die bisher in Deutschland noch nicht sehr verbreitete Klinische Pharmazie in Theorie und Praxis weiter kennen zu lernen.
Bleibt zu hoffen, dass durch die Novellierung der Approbationsordnung solche Veranstaltungen in Kürze in dieser Form auch an anderen Pharmazie-Standorten in Deutschland möglich werden und die bisher kleine "Flamme" der Klinischen Pharmazie in Zukunft viele Studentengenerationen entfachen und sich schnell über ganz Deutschland ausbreiten wird.
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