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Phytotherapie: Weihrauch - Bald am Ziel der wissenschaftlichen Anerkennung

Den langen und beschwerlichen Entwicklungsweg eines "natür- lichen" Heilmittels zeigte Prof. Dr. H.P.T. Ammon, emeritierter Ordinarius für Pharmakologie und Toxikologie für Naturwissenschaftler in Tübingen, höchst anschaulich am Beispiel des Indischen Weih- rauchs auf. "Inhaltsstoffe im Weihrauchextrakt: 5-Lip- oxygenase-Hemmstoffe, ein Beitrag zur Therapie" hieß das Thema seines Vortrags in der zweiten wissenschaftlichen Sitzung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft am 20. Juni in München. Als "einer der Großen der Pharmazie" wurde Ammon, selbst jahrelang Präsident der DPhG, vom Vorsitzenden der Landesgruppe Bayern, Dr. Fritz Stanislaus, begrüßt.

Anregung aus der ayurvedischen Medizin

"Und wenn ich mich nicht schon lange auf anderen Gebieten wissenschaftlich etabliert gehabt hätte, man hätte mich nur als Spinner abgetan", so umschrieb Professor Ammon mit eigenen Worten den unaufhaltsamen Aufstieg des unbekannten weißen Pulvers aus Kaschmir, das ihm 1982 auf einer Forschungsreise in Indien in die Hand gedrückt wurde. Es war Salai guggal, das durch Anritzen der Rinde des indischen Weihrauchbaumes Boswellia serrata (mit "gesägten" Blättern) gewonnene Gummiharz. Es wird seit Jahrhunderten in der ayurvedischen Medizin für unterschiedlichste Krankheiten eingesetzt: Bei Verwirrtheit und Wahnsinn, zur Vertreibung von Dämonen, bei schmerzenden und gekrümmten Gelenken, Husten, Atemnot und Erstickungsanfällen ebenso wie bei Durchfall und Stuhlverhalten oder "verfärbtem" Stuhl.

Das "Lesen" solcher tradierter Indikationen mit dem heutigen Medizinverständnis, also eine Klärung ihrer Symptomatik und die Zuordnung zu uns bekannten Krankheitsbildern, sei der erste, wichtige Schritt. Mit dem jetzigen Kenntnisstand könne man unschwer einige der heute bekannten Einsatzgebiete des Weihrauchs – etwa bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Polyarthritis oder Asthma – daraus verstehen. Derzeit plant man auch die Überprüfung der Weihrauchwirkung bei Alzheimer-Erkrankung.

Hemmung der Leukotriensynthese

In ersten Tierversuchen zeigten Weihrauchextrakte eine Entzündungshemmung. In vitro Untersuchungen an isolierten neutrophilen polymorphkernigen Granulozyten ergaben, dass der Extrakt und daraus isolierte pentazyklische Triterpene, die Boswelliasäuren, konzentrationsabhängig die Bildung von Leukotrienen hemmen, ohne dass sie eine Wirkung auf die Synthese von Prostaglandinen haben.

Leukotriene sind die Entzündungsmediatoren, die über Chemotaxis das akute Entzündungsgeschehen dirigieren. Die Hemmung erfolgt über eine nichtreduzierende Inhibierung der 5-Lipoxygenase, des zur Bildung von Leukotrienen maßgeblichen Enzyms der Arachidonsäurekaskade. Mit radioaktiver Markierung konnte gezeigt werden, dass Boswelliasäuren selektiv an die 5-Lipoxygenase binden und sie in nicht kompetitiver Weise hemmen. Die Cyclooxygenase, zur Prostaglandinsynthese führend, wird durch Boswelliasäuren hingegen nicht beeinflusst. Die Wirkungsintensität der verschiedenen Boswelliasäuren ist Struktur-abhängig und quantitativ unterschiedlich.

Mögliche Indikationen

Erwartungsgemäß konnten neuere Untersuchungen bestätigen, dass Weihrauch die Auswirkungen der Leukotriene zu unterdrükken vermag. Die Leukotrien-gesteuerte Bildung von gewebeschädigenden Sauerstoffradikalen wird ebenso gehemmt wie die Aktivität der humanen Elastase, eines wichtigen Schädigungsfaktors bei der Polyarthritis.

Gezielt wurden dann solche Erkrankungen klinisch untersucht, die durch eine auffallende Anreicherung von Leukotrienen als Entzündungsmediatoren ausgewiesen sind: Asthma bronchiale, chronische Polyarthritis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Zu solcherart charakterisierten Krankheitsbildern zählen aber auch beispielsweise Mukoviszidose, allergische Rhinitis, Psoriasis, Urtikaria, Lupus erythematodes, Myokardischämie, Multiple Sklerose und Gehirntumoren (Astrozytom, Glioblastom).

Pilotstudien in Indien

Es sei nicht leicht gewesen, die entsprechenden Partner für die notwendigen klinischen Studien in Deutschland zu finden, handle es sich doch durchwegs um sehr schwerwiegende Krankheiten, erklärte Ammon. Pilotstudien wurden daher in Indien durchgeführt. Sie alle konnten den entzündungshemmenden Effekt von Weihrauchextrakt bestätigen. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass nach Einnahme von Salai-Guggal-Extrakten sich die Symptome der rheumatoiden Polyarthritis, Schmerzen oder Morgensteifigkeit, bei ca. 60 bis 70% der Patienten verbesserten. Die Anfallhäufigkeit bei Asthmapatienten verringerte sich nach Weihrauchgaben evident. Studien an Patienten mit Colitis ulcerosa ergaben Besserungswerte bis zu 80%, zusätzlich waren auch die kolorektale Histopathologie und die Blutparameter eindeutig verbessert.

Wirksamkeitsnachweis bei Morbus Crohn

Im Januar dieses Jahres wurde nun auch die erste großangelegte, deutsche Studie zur "Therapie des aktiven Morbus Crohn mit dem Boswellia-serrata-Extrakt H15" publiziert. 102 Patienten wurden in einer randomisierten, doppelblinden Vergleichsstudie mit H15 oder Mesalazin über acht Wochen behandelt und mit Hilfe des Crohn Disease Activity Index (CDAI) bewertet. H15 erwies sich bei nachgewiesener guter Verträglichkeit als dem Mesalazin gleichwertig. Man wertet dies nach dem Stand der Wissenschaft als Wirksamkeitsnachweis von Boswellia-Extrakt bei der Behandlung von Morbus Crohn.

Eindrücklich warnte Ammon abschließend vor der Anwendung von niedrig dosierten Weihrauchpräparaten. Bei niedriger Dosierung habe man einen Umkehreffekt beobachtet, die Leukotriensynthese war gesteigert. Noch sei jedoch die Standardisierung von Weihrauchpräparaten nicht endgültig geklärt.

Literatur H. Gerhardt et al. (2001): Z. Gastroenterol. 39, 11–17; Nachdruck in Z. Phytother. 22, 69–75.

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