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Pharmazeutisches Recht
Saarland: Drogenkonsumräume
Vom 4. Mai 2001 (aus ABl. Saarland Nr. 26 vom 22. Juni 2001, Seite 1034) Aufgrund des § 10a Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 27. September 2000 (BGBl. I S. 1414), verordnet die Landesregierung:
§ 1 Erlaubnis
Das Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales kann eine Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums erteilen, wenn ein Bedarf besteht, der Betriebszweck des § 2 verfolgt wird und die Mindeststandards nach den §§ 3 bis 14 eingehalten werden.
§ 2 Betriebszweck
(1) Der Drogenkonsumraum muss der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Drogenabhängige dienen und in das Gesamtkonzept des Drogenhilfesystems eingebunden sein.
(2) Der Betrieb des Drogenkonsumraums muss darauf gerichtet sein, 1. die durch Drogenkonsum bedingten Gesundheitsgefahren zu senken, um damit insbesondere das Überleben des Abhängigen/der Abhängigen zu sichern, 2. die Behandlungsbereitschaft des Abhängigen/der Abhängigen zu wecken und dadurch den Einstieg in den Ausstieg aus der Sucht einzuleiten. 3. die Inanspruchnahme weiterführender, insbesondere suchttherapeutischer Hilfen einschließlich der vertragsärztlichen Versorgung zu fördern und 4. die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen zu reduzieren.
(3) Der Betrieb muss darauf gerichtet sein, einen beratenden und helfenden Kontakt insbesondere mit solchen Personen aufzunehmen, die für Drogenhilfemaßnahmen nur schwer erreichbar sind, um sie in weiterführende und ausstiegsorientierte Angebote der Beratung und Therapie zu vermitteln.
(4) Träger und Personal dürfen für den Besuch des Drogenkonsumraums nicht werben.
§ 3 Ausstattung
(1) Der Drogenkonsumraum muss in einer anerkannten Drogenhilfeeinrichtung betrieben werden und von dieser räumlich abgegrenzt sein.
(2) Er muss die hygienischen Voraussetzungen zur Drogenapplikation für einen ständig wechselnden Personenkreis erfüllen. Sämtliche Flächen müssen aus glatten, abwaschbaren und desinfizierbaren Materialien bestehen.
(3) Im Drogenkonsumraum müssen ausreichend sterile Einmalspritzen, Tupfer, Ascorbinsäure, Injektionszubehör, Desinfektionsmittel sowie durchstichsichere Entsorgungsbehälter bereitgestellt werden.
(4) Rettungsdiensten muss jederzeit ein ungehinderter Zugang möglich sein.
§ 4 Notfallversorgung
(1) Während des Betriebs des Drogenkonsumraums ist eine ständige Sichtkontrolle der Applikationsvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal so sicherzustellen, dass im Notfall sofortige Beatmungs-, Reanimationsmaßnahmen und eine akute Wundversorgung möglich sind. Es sind ständig technische Notfall-Vorrichtungen bereitzuhalten.
(2) Die Einzelheiten der Notfallversorgung sind in einem Notfallplan festzuhalten, der jederzeit umgesetzt werden kann, dem Personal zur Verfügung stehen muss und ständig zu aktualisieren ist. Der Notfallplan beinhaltet auch die Unfallschutzprävention und Maßnahmen bei Verletzungen des Personals.
(3) Der Notfallplan ist dem Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales vorzulegen.
§ 5 Medizinische Beratung und Hilfe
(1) Den Benutzerinnen und Benutzern des Drogenkonsumraums ist medizinische Beratung und Hilfe zu gewähren. Diese beziehen sich insbesondere auf Infektionsrisiken und Toxizität der verwendeten Betäubungsmittel. Medizinische Beratung und Hilfe müssen unverzüglich erfolgen können.
(2) Im Drogenkonsumraum muss mindestens eine Krankenpflegekraft beschäftigt sein. Diese ist auch für die Kontrolle des Notfallplanes und die Schulung des Aufsichtspersonals zuständig.
§ 6 Vermittlung von Angeboten
(1) Es muss sichergestellt sein, dass über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus weiterführende und ausstiegsorientierte Beratungs- und Behandlungsmaßnahmen aufgezeigt und vermittelt werden.
(2) Personen, die einen Entgiftungswunsch äußern, ist Hilfestellung zum Kontakt mit geeigneten Einrichtungen zu leisten.
§ 7 Hausordnung
(1) Der Träger des Drogenkonsumraums hat eine Hausordnung zu erlassen. Diese ist mit dem Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales abzustimmen.
(2) Die Hausordnung ist in der Einrichtung gut sichtbar auszuhängen. Ihre Einhaltung wird vom Personal ständig überwacht.
§ 8 Verhinderung von Straftaten in der Einrichtung
(1) Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, abgesehen vom Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Betäubungsmittelgesetzes zum Eigenverbrauch in geringer Menge, dürfen innerhalb der Einrichtung nicht geduldet werden. Darauf ist durch einen Aushang hinzuweisen.
(2) Das Personal hat dafür zu sorgen, dass bei der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat im Sinne von Absatz1 die betreffende Handlung unverzüglich unterbunden wird.
(3)Näheres regelt die Hausordnung.
§ 9 Straftaten im Umfeld der Einrichtung
Der Träger des Drogenkonsumraums hat mit den zuständigen Gesundheits-, Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden eng und kontinuierlich zusammenzuarbeiten. Die Grundzüge der Zusammenarbeit sind verbindlich und schriftlich festzulegen. Der Träger hat insbesondere mit den zuständigen Polizeidienststellen regelmäßig Kontakt zu halten, um frühzeitig Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Umfeld der Drogenkonsumräume zu verhindern. Die Leitung der Einrichtung hat einrichtungsbedingte Auswirkungen auf das Umfeld zu beobachten und besondere Vorkommnisse zu dokumentieren.
§ 10 Benutzerinnen und Benutzer
(1) Die Benutzung des Drogenkonsumraums darf grundsätzlich nur volljährigen Personen angeboten werden. Die Benutzerinnen oder Benutzer müssen aufgrund b estehender Betäubungsmittelabhängigkeit einen Konsumentschluss gefasst haben. Jugendlichen darf der Zugang nur dann gestattet werden, wenn die Einwilligung der Erziehungsberechtigten vorliegt oder aufgrund besonderer Umstände nicht vorgelegt werden kann und sich das Personal im Einzelfall nach besonderer Prüfung anderer Hilfemöglichkeiten vom gefestigten Konsumentschluss überzeugt hat.
(2) Von der Benutzung des Drogenkonsumraums sind auszuschließen: 1. offenkundige Erst- oder Gelegenheitskonsumenten und -konsumentinnen, 2. alkoholisierte oder durch andere Suchtmittel intoxikierte Personen, 3. Opiatabhängige, die sich in einer substitutionsgestützten Behandlung befinden, 4. Personen, denen die Einsichtsfähigkeit in die durch die Applikation erfolgende Gesundheitsschädigungen fehlt.
§ 11 Konsum
(1) Die von den Benutzerinnen und Benutzern mitgeführten Betäubungsmittel sind einer Sichtkontrolle zu unterziehen. Von einer näheren Substanzanalyse zu Menge, Art und Zusammensetzung des Stoffes ist abzusehen.
(2) Der Konsum von Betäubungsmitteln im Drogenkonsumraum kann Opiate, Kokain, Amphetamin oder deren Derivate betreffen und intravenös, oral, nasal oder inhalativ erfolgen.
(3) Näheres regelt die Hausordnung.
§ 12 Dokumentation, Evaluation
(1) Es muss eine Dokumentation über den Betrieb des Drogenkonsumraums erfolgen. Hierbei sind unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen folgende Aspekte zu berücksichtigen: Altersangaben, Geschlechtszugehörigkeit, Nationalität, Konsumverhalten, Drogenpräferenz, Nutzungszahl und Nutzungsfrequenz, Gesundheitsschäden, AIDS und Hepatitis, Notfallsituationen, Wundversorgungen, Ausstiegsvermittlungen und die Sicherheitsproblematik.
(2) Das Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales erhält hierzu einmal jährlich einen Bericht.
§ 13 Anwesenheitspflicht von Personal
Während der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums muss persönlich zuverlässiges und fachlich ausgebildetes Personal für die Erfüllung der in den §§ 3 bis 11 genannten Anforderungen in ausreichender Zahl anwesend sein.
§ 14 Verantwortliche Person
Der Träger des Drogenkonsumraums hat eine sachkundige Person und ihre Vertretung zu benennen, die für die Einhaltung der in den §§ 4 bis 13 genannten Anforderungen und der Auflagen sowie Anordnungen des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales verantwortlich sind und die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen können.
§ 15 Erlaubnisverfahren
Für das Erlaubnisverfahren gelten gemäß § 10a Abs. 3, § 7 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 bis 4 und 8, § 8, § 9 Abs. 2 und § 10 des Betäubungsmittelgesetzes entsprechend. Danach sind bei der Antragstellung (§ 7 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 4 und 8 des Betäubungsmittelgesetzes) die Angaben und Unterlagen beizufügen, aus denen sich die Einhaltung der in den §§ 2 bis 14 genannten Anforderungen ergibt.
§ 16 In-Kraft-Treten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Saarbrücken, den 4. Mai 2001
Die Regierung des Saarlandes Müller, Jacoby, Kramp-Karrenbauer, Dr. Georgi, Spoerhase-Eisel, Schreier, Dr. Görner, Mörsdorf
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