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- DAZ 29/2001
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EuGH-Urteil: Freier Dienstleistungsverkehr ja, aber Eingriffe der Mitgliedstaate
Im Ausgangsfall nahmen zwei niederländische Staatsbürger (Frau Smits und Herr Peerbooms) wegen der parkinsonschen Krankheit bzw. nach einem Verkehrsunfall medizinische Krankenhausbehandlungen in Deutschland bzw. in Österreich in Anspruch. Die nach niederländischem Recht vorherige Genehmigung der niederländischen Krankenkasse hatten beide nicht eingeholt. Infolgedessen verweigerte die Krankenkasse die beantragte Kostenerstattung. Das daraufhin angerufene niederländische Gericht legte dem EuGH - zusammengefasst - die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine vorherige Genehmigung, die allerdings nur unter bestimmten, unten noch dargelegten Voraussetzungen erteilt wird, mit dem im Gemeinschaftsrecht niedergelegten Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist.
Keine Behinderung des Dienstleistungsverkehrs
Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Sozialversicherungssysteme unberührt lässt. Die in den Krankenhäusern geleisteten medizinischen Behandlungen würden aber vom Geltungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs erfasst. Nach ständiger Rechtsprechung verstoße jede nationale Regelung, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten erschwere, gegen diesen Grundsatz. In den Niederlanden sei die Kostenerstattung für im Ausland in Anspruch genommene medizinische Leistungen von einer vorherigen Genehmigung abhängig. Diese Genehmigung werde zudem nur erteilt, wenn zum einen diese Behandlungen als in ärztlichen Kreisen üblich betrachtet werden könnten und wenn zum anderen in den Niederlanden keine rechtzeitige angemessene Versorgung erbracht werden könne. Eine solche Regelung schrecke die Versicherten davon ab oder hindere sie sogar daran, sich an medizinische Dienstleistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden, und stelle somit eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar.
Aber keine Gefährdung des inländischen Systems
Eine solche Beschränkung könne aber z. B. dann objektiv gerechtfertigt sein, wenn andernfalls eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Sozialversicherungssystems zu befürchten sei. Das vorherige Genehmigungserfordernis solle zum einen gewährleisten, dass ein ausgewogenes Angebot qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung ständig ausreichend zugänglich sei. Zum anderen solle es dazu beitragen, die Kosten zu beherrschen und, soweit wie möglich, jede Verschwendung finanzieller, technischer und menschlicher Ressourcen zu verhindern. Daher sei das vorherige Genehmigungserfordernis notwendig und angemessen.
Es sei allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn es auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhe, die im Voraus bekannt seien, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die eine missbräuchliche Ausübung verhindern. Hinsichtlich der Üblichkeit der beabsichtigten Behandlung müsse darauf abgestellt werden, was von der internationalen Medizin als hinreichend erprobt und anerkannt angesehen werde. Bei dieser Entscheidung müssten alle verfügbaren einschlägigen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, insbesondere die vorhandenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Untersuchungen sowie maßgebende Auffassungen von Sachverständigen.
Genehmigungspflicht ist rechtens
Im Hinblick auf die Notwendigkeit der beabsichtigten Behandlung stellt der EuGH klar, dass diese Voraussetzung gegeben ist, wenn die Genehmigung nur dann versagt werden kann, wenn die gleiche oder eine für den Patienten ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig auch im Inland erlangt werden könne. Nur so könne im Inland ein ausreichendes, ausgewogenes und ständiges Angebot einer qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung aufrechterhalten und die finanzielle Stabilität des Krankenversicherungssystems gewährleistet werden. Würden zahlreiche Versicherte die Versorgung in anderen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen, obwohl im Inland eine angemessene, gleiche oder gleichwertige Behandlung angeboten würde, so könnten derartige Patientenströme sämtliche Planungs- und Rationalisierungsanstrengungen verhindern.
Basierend auf diesen Ausführungen hat der EuGH entschieden, dass die vorherige Genehmigungspflicht für Auslandsbehandlungen dann nicht gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstößt, wenn die Genehmigung erteilt wird, wenn zum einen die Behandlung als in ärztlichen Kreisen üblich betrachtet werden kann und zum zweiten die medizinische Behandlung des Versicherten es erfordert.
Gegen Gesundheitstourismus
Mit diesem Urteil hat sich der EuGH nicht - wie von vielen Experten insbesondere nach den Kohll/Decker-Urteilen erwartet - für die Öffnung des europäischen Gesundheitsmarktes ausgesprochen. Zwar hat er den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und in begleitenden Ausführungen auch den Grundsatz des freien Warenverkehrs bei Arzneimitteln betont. Eingriffe in diese Grundsätze sind nach seiner Auffassung aber zulässig, wenn diese z. B. wegen der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung gerechtfertigt sind. Er hat zudem die Kompetenzen der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme herausgestellt. Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Urteil einem üppigen Gesundheitstourismus einen Riegel vorgeschoben hat.
Das Urteil kann im Internet unter www.europa.eu.int abgerufen oder von Mitgliedsfirmen bei der BAH-Geschäftsstelle schriftlich angefordert werden.
Nach den Kohll/Decker-Urteilen vom 28. April hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 12. Juli 2001 in einem weiteren Urteil darüber entschieden, wann Unionsbürger im europäischen Ausland auf Kosten der (inländischen) Krankenversicherung medizinische Behandlungen durchführen lassen können. In dem jüngsten Urteil hat sich der EuGH nicht, wie von vielen Experten erwartet, für die Öffnung des europäischen Gesundheitsmarktes ausgesprochen. Dieses Urteil hat nach Ansicht des Bundesfachverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) einem üppigen Gesundheitstourismus einen Riegel vorgeschoben.
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