DAZ aktuell

Europäische Kommission: Kürzere Fristen für Arzneimittel in Europa

BONN (im). Patienten sollen wichtige Arzneimittel schneller als bisher auf dem Kontinent erhalten können. Dazu hat die Europäische Kommission am 18. Juli Vorschläge verabschiedet, die auf eine weitreichende Liberalisierung des Arzneimittelrechts in der europäischen Union zielen. Für Phytopharmaka wird erstmals ein eigenständiger Ausschuss in der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA errichtet. Geplant ist künftig auch, Patienteninformationen über ausgewählte rezeptpflichtige Medikamente durch pharmazeutische Hersteller zu erlauben.

Im Juni waren die geplanten Änderungen des europäischen Arzneimittelrechts der EU-Kommission bekannt geworden (s. DAZ Nr. 24 vom 14.6.2001). Unter anderem wurden Vorschläge zur Straffung der Verfahren sowie zur größeren Transparenz unterbreitet.

Dezentrales Verfahren ...

Vorbehaltlich der Annahme durch das Europäische Parlament und die einzelnen Mitgliedstaaten wird in Zukunft die Dauer der nationalen Zulassungsverfahren (dezentrales Verfahren) bei Medikamenten von 210 Tagen auf 150 Tage verkürzt. Beim dezentralen Verfahren erkennen die Behörden bekanntlich nationale Bescheide der Behörden anderer EU-Mitgliedsländer an (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung).

... zentrales Verfahren

Mit dem Ziel, einen schnellen Zugang zu nachgefragten Arzneimitteln zu schaffen, wird darüber hinaus das zentrale europäische Verfahren durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA, das bisher für biotechnologische, hochtechnologische Präparate sowie optional für innovative Arzneimittel galt, für weitere Medikamente geöffnet. Nutzen pharmazeutische Hersteller dies künftig für ihre Mittel, haben die Präparate mit der zentralen Zulassung einen einheitlichen Status in Europa (beispielsweise rezeptpflichtig oder nicht). Erwartet wird das etwa für Raucherentwöhnungsmittel, H2-Blocker gegen Ulkus, aber auch für "Lifestyle-Präparate" wie potenzsteigernde Mittel oder Appetitzügler. Für innovative Arzneien soll das zentrale Zulassungsverfahren, das die Präparate bisher freiwillig nutzen konnten, jetzt verpflichtend kommen.

Unbegrenzte Zulassung

Zulassungen gelten wegen der existierenden engmaschigen Überwachung in Zukunft unbegrenzt, die bisherige Fünf-Jahres-Verlängerung im zentralen und dezentralen Verfahren wird abgeschafft. Anstelle der bisherigen automatisch nach fünf Jahren anstehenden Erneuerung der Genehmigung wird auf das gegenwärtige Arzneimittelüberwachungssystem der EU(Pharmakovigilanz-System) gesetzt.

Phytos aufgewertet

Darüber hinaus wird die Organisationsstruktur der Arzneibehörde (Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln oder: European Agency for the Evaluation of Medicinal Products, EMEA) geändert. Hier ist die Schaffung eines eigenständigen Ausschusses - Commitee on Herbal Medicinal Products - vorgesehen. Da die Belange der Phytopharmaka bisher lediglich in einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe behandelt wurden, ist die Einrichtung des speziellen Ausschusses (Commitee) mit verbrieften Rechten, Aufgaben und Pflichten eine Aufwertung dieser Präparate.

Publikumswerbung

Die EU-Kommission hat die im Juni bekannt gewordenen geplanten Änderungen in einem Punkt modifiziert. Sie räumt der europäischen Agentur EMEA künftig eine zusätzliche Rolle bei der Information von Patienten oder Ärzten zu bestimmten Arzneimitteln ein. Zunächst war in einem auf fünf Jahre begrenzten Modellversuch vorgesehen, auf Anforderung durch Patienten oder Ärzte das Versenden von Herstellerwerbung über rezeptpflichtige Arzneimittel zur Behandlung von HIV-Infektionen, Asthma und Diabetes zu ermöglichen. Als Neuerung wird nun eine Notifizierung zwischengeschaltet; die Firmen müssen ihr Vorhaben zunächst der EMEA anzeigen. Erst nach Ausbleiben eines Widerspruchs der europäischen Behörde innerhalb von 30 Tagen darf der pharmazeutische Unternehmer das Material verschicken. In der Vergangenheit hatten sich vor allem forschende Unternehmen für die Publikumswerbung für rezeptpflichtige Präparate, die im Fachjargon auch "Direct to Consumer Advertising" (DTC) heißt, stark gemacht.

Binnenmarkt in Europa

Als Ziel ihrer Neuregelung nannte die EU-Kommission ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes für die Bürger Europas und die Vollendung des Binnenmarktes für Arzneimittel. Dabei müsse die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Arzneimittelindustrie gestärkt werden, die Herausforderungen der EU-Erweiterung und der Globalisierung seien zu meistern. Ein Kernpunkt der Vorschläge sei die Stärkung der 1995 geschaffenen Europäischen Agentur EMEA, die sich bewährt habe.

Kastentext: Zulassungsverfahren

Zentrales Verfahren

  • Die Erstzulassung gilt EU-weit.
  • Zuständige Behörde ist die europäische Arzneimittelagentur EMEA mit Sitz in London.
  • Zwingend gilt dieses Verfahren für bestimmte biotechnologisch hergestellte Arzneimittel.
  • Bisher freiwillig war es für andere biotechnologisch hergestellte Präparate, High-Tech-Produkte sowie innovative Arzneimittel, die auf der so genannten Liste B standen.
  • Nach den neuen Plänen der EU-Kommission wird das zentrale Verfahren für weitere Arzneimittel geöffnet und für innovative verpflichtend, die Liste B wird abgeschafft.

Dezentrales Verfahren

  • Prinzip der gegenseitigen Anerkennung nationaler Zulassungen.
  • Zuständige Behörden sind die nationalen Behörden.
  • Zulassung ist in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gültig, in denen sie anerkannt wird.
  • Die neuen Pläne der EU-Kommission sehen die Straffung des Verfahrens vor, die Dauer der Genehmigungsverfahren soll von 210 Tagen auf 150 Tage sinken.

Nationales Verfahren

  • Es werden nur einzelne nationale Zulassungen für das jeweilige Land ausgesprochen.
  • Zuständige Behörde ist bei uns das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn.
  • Nach den Plänen der EU- Kommission wird die Dauer des Verfahrens von 210 Tagen auf 150 Tage verkürzt.

Kastentext: Zitat

Die heutige Entscheidung wird dazu beitragen, dass die Patienten in ganz Europa rascher Zugang zu neuen und besseren Arzneimitteln erhalten, als dies bisher der Fall war. Zudem werden sie bessere Informationen über die erhältlichen Arzneimittel bekommen können. Und schließlich stellt die heutige Entscheidung auch einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer innovativeren und wettbewerbsfähigeren Industrie in Europa dar, was uns allen zugute kommt. Erkki Liikanen, EU-Kommission, am 18. Juli zur Neuregelung des Arzneirechts

Kastentext: Informationen im Netz

Den Originaltext zum Reformvorschlag der EU-Rechtsvorschriften für Arzneimittel finden Sie im Internet unter der Adresse http://pharmacos.eudra.org (im Bereich News).

Kastentext: Die EU

Diese 15 Staaten gehören zur Zeit der Europäischen Union an: Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Irland, Griechenland, Portugal, Spanien, Österreich, Finnland sowie Schweden

Patienten sollen wichtige Arzneimittel schneller als bisher auf dem Kontinent erhalten können. Dazu hat die Europäische Kommission am 18. Juli Vorschläge verabschiedet, die auf eine weitreichende Liberalisierung des Arzneimittelrechts in der europäischen Union zielen. Für Phytopharmaka wird erstmals ein eigenständiger Ausschuss in der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA errichtet. Geplant ist künftig auch, Patienteninformationen über ausgewählte rezeptpflichtige Medikamente durch pharmazeutische Hersteller zu erlauben.

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