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Unnötige Doppelmoral (Kommentar)
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und ganz besonders tückisch kann dieses Detail-Teufelchen zuschlagen, wenn es Gelegenheit hat, an einer dialektischen Nahtstelle, wie beispielsweise derjenigen von Verbergen und Entbergen, zu wüten. In einem Porträt des Phoenix-Vorstandes Dr. Scheifele in der FAZ vom 18. Juli 2001 hat nun ein solches Teufelchen für die Offenlegung einer für die Branche bezeichnenden Doppelmoral gesorgt. Der Versuch, einerseits die eigene politische Geheimniskrämerei zu belobigen und diese Taktik gleichzeitig mit einem Beispiel zu belegen, ist paradox und somit zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Der entscheidende Satz in dem Artikel lautet: "Einen Einstieg in den Einzelhandel, sprich ausländische Apotheken, würde Scheifele, im Gegensatz zu Gehe, nie groß ankündigen, wenn überhaupt. Damit würde er nur die deutschen Apotheken unnötig verschrecken." Ganz abgesehen davon, dass bei der Verquastheit von strenger Geheimhaltung und dem Bedürfnis, diese Taktik öffentlich abzufeiern, das nackte Kalkül offenbar wird , welches das eigentliche Schrecknis für den deutschen Apotheker ist, so ist es doch auch amüsant, wie hier gerade durch den Versuch, die eigenen Absichten zu vertuschen, diese offenbart werden.
Dabei ist der ganze Vorfall ein Lehrstück. Ähnlich wie vor einiger Zeit bei Herrn Pieck in seinem Interview mit der Rheinischen Post zeigt auch dieser Fall, dass auf der hohen Ebene von Management und Politik der Umgang mit der Wahrheit von einer Art "Doppelsprech" geprägt ist, also einer Unterscheidung von "öffentlichem Sprechen" und dem "Sprechen hinter der Kulisse". Dabei hat diese Art des Taktierens einen faden Beigeschmack - für wie weltfremd und naiv halten diese Macher den deutschen Apotheker? Dass der Einstieg in den Einzelhandel den Einstieg in die Kette vorbereitet, ist ohnehin klar.
Und dass dieser Einstieg, sofern man ihn nicht gleich selbst publik macht, von der argwöhnisch lauernden Konkurrenz irgendwann einmal an die Öffentlichkeit gebracht wird, dürfte ebenso klar sein. Warum also kommen die Herren an den Schaltstellen der Macht wie Betschwestern daher und versuchen dem Apotheker weiszumachen, dass sie zwar überall sonst auf der Welt Apothekenketten installieren, aber in Deutschland unermüdlich gegen eine im europäischen Konzert immer wahrscheinlicher werdende Entwicklung hin zur Kette ankämpfen? Die Kette bedeutet Gewinnmaximierung, und das ist nun mal der Antriebsmotor jedes Konzerns, nicht die Verteidigung und Bewahrung von Einzelinteressen anderer Marktteilnehmer! Nur ein Apotheker, welcher völlig weltabgewandt und vermutlich Valium-gedämpft im Kokon der idealen, rein ethisch orientierten Apothekenwelt vor sich hindämmert, wird annehmen, dass der Großhandel unter veränderten politischen Prämissen nicht in den Kampf um die mächtigste Apothekenkette einsteigen würde.
Zumal dies eine Einladung an seine Konkurrenz wäre, deren ökonomische Position im Wettbewerb mühelos zu verbessern. Und das wäre ja wohl das Gegenteil von Management. So what: Liebe Funktionäre und Politiker, schenkt euch in Zukunft Euer Doppelsprech und redet Tacheles, nur so kann eine Diskussion zwischen euch und den Apothekern funktionieren.
Claus Ritzi
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