- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 32/2001
- Osteoporose: Parathormon...
Arzneimittel und Therapie
Osteoporose: Parathormon – neue Kraft für alte Knochen
Denn mit Parathormon ist es erstmals möglich, über eine Stimulation der Osteoblasten direkt eine Neubildung von Knochen anzuregen. Das Risiko mittelschwerer bis schwerer Wirbelfrakturen sinkt dadurch bereits nach 21-monatiger Behandlungsdauer um bis zu 90%, das Risiko atraumatischer extravertebraler Frakturen um bis zu 53%. Damit bietet Parathormon einen stärkeren Frakturschutz als alle bisherigen Osteoporose-Medikamente.
Stimulation der Knochenneubildung
Bei dem neuen Osteoporose-Medikament handelt es sich um PTH (1-34), ein gentechisch hergestelltes, 34 Aminosäuren langes Fragment des physiologischen Parathormons. Anders als Antiresorptiva, die lediglich über Hemmung der Osteoklasten einen Knochenabbau verhindern können, stimuliert PTH (1-34) direkt die Knochenneubildung. Dadurch sinkt das Risiko neuer Wirbelfrakturen bei Frauen mit vorbestehenden vertebralen Frakturen bereits nach 21-monatiger Behandlungsdauer um 65% (bei täglicher Dosis von 20 µg PTH (1-34), welches der Zulassungsdosis entsprechen wird). Das Risiko, multiple neue Wirbelfrakturen zu erleiden, sinkt unter Parathormon im Vergleich zu Plazebo um 77%. Darüber hinaus verhindert die Behandlung mit Parathormon mehr als jede zweite osteoporotische Fraktur außerhalb der Wirbelsäule. So wird das Risiko atraumatischer extravertebraler Frakturen im Vergleich zu Plazebo um durchschnittlich 53% (20 µg) hochsignifikant reduziert.
Diese hochsignifikante Wirksamkeit bestätigte eine multinationale, prospektive, randomisierte Doppelblindstudie unter Einschluss von 1637 postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittener Osteoporose. Die Patientinnen im durchschnittlichen Alter von 69 Jahren hatten eine erniedrigte Knochendichte (durchschnittlicher T-Score = - 2,6) und durchschnittlich 2,3 vorbestehende Wirbelkörperfrakturen. Sämtliche Patienten erhielten eine Basissupplementation mit Calcium (1000 mg/Tag) und Vitamin D (400 bis 1200 IU/Tag) und injizierten sich durchschnittlich 21 Monate lang täglich entweder 20 µg oder 40 µg Parathormon (PTH (1-34) bzw. Plazebo s. c.
Gezielte Knochenwirksamkeit
Je stärker und schwerer die Fraktur, desto beeinträchtigter fühlen sich die Frauen und desto stärker sind die Schmerzen. In der Studie erfolgte deshalb eine semiquantitative Evaluation der Frakturschwere. Wie die Ergebnisse zeigen, bietet das neue Osteoporose-Medikament vor schweren und damit schmerzhaften Frakturen einen besonders hohen Schutz. Denn mittelschwere bis schwere Frakturen traten bei den mit Parathormon behandelten Frauen gegenüber Plazebo um 90% seltener auf. Dieses hochsignifikant reduzierte Frakturrisiko zahlt sich auch hinsichtlich der Lebensqualität der Betroffenen aus. So klagten die Patientinnen der Parathormon-Gruppe signifikant seltener über neu aufgetretene oder verschlimmerte Rückenschmerzen (p < 0,001).
Weitere Bestätigung gibt der Körpergrößenverlust der osteoporosekranken Patientinnen. Denn während die Frauen der Plazebogruppe im Laufe der Beobachtungsdauer aufgrund von Wirbelkörperfrakturen durchschnittlich um 1,1 cm an Größe verloren, blieb die Körpergröße der mit Parathormon (20 µg) behandelten Frauen nahezu konstant (- 0,2 cm, p < 0,0015). In Einklang damit stehen auch die Knochendichte-Messungen. Unter der knochenaufbauenden Behandlung mit PTH (1-34) nahm die Knochendichte rasch und signifikant zu, und zwar an der Wirbelsäule um 9,7% sowie rund 3% an der Hüfte und am Oberschenkelhals.
Hohe Sicherheit und gute Verträglichkeit
Neben einer hohen Wirksamkeit zeichnet sich Parathormon durch eine gute Verträglichkeit aus: Nebenwirkungen sind dosiskorreliert, selten und in der Regel von geringem Schweregrad. Ein wichtiges Indiz der guten Verträglichkeit ist die geringe Zahl an Studienabbrechern: So lag die Zahl der Patienten, die die Studie aufgrund unerwünschter Ereignisse vorzeitig beendeten, auf identischem Niveau wie unter Plazebo (Plazebo: 5,9%; PTH (1-34): 6,5%). Die einzigen unerwünschten Wirkungen, die unter täglich 20 µg PTH (1-34) signifikant häufiger als unter Plazebo auftraten, waren Wadenkrämpfe (1% vs. 3%) und Übelkeit (9% vs. 6%). Zu konstant erhöhten Calciumspiegeln kam es lediglich bei 3% der Patienten, unter einer Dosisreduktion normalisierten sich jedoch die Calciumspiegel fast aller dieser Patienten wieder.
Eine erste klinische Studie mit Parathormon war von dem Unternehmen Eli Lilly im Dezember 1998 aus Sicherheitsgründen vorzeitig abgebrochen worden, nachdem im Ratten-Toxizitätstest vermehrt Osteosarkome aufgetreten waren. In diesen tierexperimentellen Untersuchungen wurden sehr junge Ratten während ihrer schnellen Wachstumsphase und anschließend nahezu lebenslang sehr hoch dosiert mit Parathormon behandelt. Sämtliche klinische Untersuchungen mit PTH (1-34) wurden erst fortgesetzt, als feststand, dass eine Behandlung mit Parathormon bei erwachsenen Patienten mit keinem erhöhten Malignitätsrisiko assoziiert ist. Weder in den klinischen Studien noch anderen tierexperimentellen Studien wurden Osteosarkome gefunden.
Erstmals Knochen-Neubildung möglich
Parathormon ist eine körpereigene, in den Nebenschilddrüsen gebildete Substanz, die im Körper als zentraler Calciumregulator fungiert und sowohl die Anzahl als auch die Aktivität der knochenaufbauenden Osteoblasten reguliert. Dank der mittlerweile mehr als 70-jährigen Forschungserfahrung mit Parathormon weiß man heute, dass dauerhaft erhöhte Parathormonspiegel osteokatabol wirken, während eine intermittierende Applikation (z. B. 1 x täglich) osteoanabol wirkt und die Knochenneubildung stimuliert. Dabei nimmt unter PTH (1-34) nicht nur die Knochendichte zu, es wird ebenfalls eine Verbesserung in der dreidimensionalen Konnektivität von spongiösem Knochen erreicht. Diese Verbesserung der Knochen-Mikroarchitektur (Knochenstabilität) im Rahmen einer PTH-Therapie konnte in Studien mit peripherer quantitativer Computertomographie und anhand von Knochenbiopsien bestätigt werden.
Gute Erfolge versprechen sequenzielle Behandlungsschemata, bei denen sich der Behandlung mit Parathormon eine Gabe von Antiresorptiva (z. B. Raloxifen) anschließt. Das Unternehmen Eli Lilly rechnet damit, dass Parathormon noch in diesem Jahr durch die amerikanische Food and Drug Administration zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zugelassen wird.
Quelle: 1st Joint Meeting of the "International Bone and Mineral Society" and the "European Calcified Tissue Society", Madrid, 5. bis 10. Juni 2001.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.