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Presseschau zu Lipobay
Die Welt vom 14. August schreibt:
Bayer hat den Cholesterinsenker Lipobay vorschriftsmäßig geprüft und auf den Markt gebracht. Wenn diese Verfahren nicht ausreichen, um bestimmte Risiken aufzuspüren, trägt auch die Politik einen Teil der Verantwortung. Doch es gibt keine hochwirksamen Medikamente ohne Nebenwirkungen. Das leugnet die Pharmaindustrie auch gar nicht. Und das wissen vor allem die Ärzte - auch wenn die klinische Pharmakologie in Deutschland ein Stiefkind der Medizin ist.
Die Ärzte konnten sich von Anfang an über die möglichen Risiken von Lipobay informieren. Dennoch haben sie das Medikament weltweit schon sechs Millionen Menschen verschrieben. Wenn sie dabei falsche Dosen berechnet oder trotz der Warnhinweise gleichzeitig einen anderen Cholesterinsenker verordnet haben, dann tragen auch sie einen Teil der Verantwortung für die Lipobay-Toten. Und schließlich sind es die Patienten selbst, die es in vielen Fällen aus Bequemlichkeit vorziehen, eine Tablette zu schlucken, statt ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Auch sie können sich der Verantwortung nicht entziehen. Die Patienten müssen mit Blick auf Medikamente klären, welches Risiko sie bereit sind, für welchen Nutzen in Kauf zu nehmen. Erstaunlich ist nur, dass niemand fragt, wie viele Menschen eigentlich Lipobay ihr Leben verdanken.
Die Welt vom 14. August schreibt:
Manfred Schneider ist nicht zu beneiden. Der Bayer-Chef muss sich wegen der Informationspolitik bei dem vom Markt genommenen Cholesterin-Senker Lipobay rechtfertigen. Schneider und sein Management hatten zuerst die Investoren und erst danach Ärzte, Apotheker und Patienten informiert.
Selbst wenn das Vorgehen von Bayer rechtlich einwandfrei ist - es bleibt die Frage, warum der Konzern so lange die medizinischen Informationen zurückgehalten hat. Es ist kein Wunder, dass die Betroffenen verärgert sind, wenn sie erst aus Radio, Fernsehen und Zeitungen vom Rückzug ihres Medikamentes erfahren. Allerdings sollten sich Ärzte und Apotheker vor zu scharfer Kritik hüten. Hätten sie entsprechend ihren Pflichten den Beipackzettel zu Lipobay gelesen, sie wären zumindest über die fatalen Nebenwirkungen des Medikaments informiert gewesen.
Die Stuttgarter Nachrichten vom 14. August schreiben:
Auf mehr als vier Millionen Mark vermutet die Vertragsärztliche Vereinigung Nordwürttemberg, addieren sich allein in der Region Stuttart die Kosten, weil Lipobay-Patienten neu untersucht und beraten werden müssen. Noch streiten sich die Experten, ob Ärzte, Patienten oder Beitragszahler die Hauptleidtragenden dieser Kostenwelle sind. Sicher scheint aber, dass ausgerechnet Bayer hier fein raus ist. Es sieht ganz so aus, als würden einmal mehr Risiken aus unternehmerischem Handeln auf die Allgemeinheit abgewälzt:
Solange Lipobay ein Umsatzrenner war, machte Bayer satte Gewinne mit dem Geld der Beitragszahler. Nun, da das Präparat floppt, darf die Allgemeinheit noch einmal zahlen, um die Schäden zu beseitigen. Der Arzneiskandal wirft aber auch ein bezeichnendes Licht auf die Funktionsweise unseres Gesundheitssystems. Denn die Folgekosten von Lipobay werden in diesem System nicht nur an die Beitragszahler, sondern auch an die Ärzte und ihre Patienten durchgereicht.
Die Stuttgarter Zeitung vom 14. August schreibt:
Lipobay wirft freilich auch kritische Fragen an die Politik auf: Reichen die bisherigen Maßnahmen zur Medikamentensicherheit aus? Haben die zuständigen Stellen richtig und schnell reagiert, als von den dramatischen Nebenwirkungen berichtet wurde? Haben sie alle Register gezogen, um Schaden von den Patienten abzuwenden? Unbestritten jedenfalls ist, dass im "Arzneimittel-Telegramm", einem Informationsdienst für Ärzte, bereits im März vor schweren Nebenwirkungen gewarnt wurde. Warum hat es dann trotzdem noch gut vier Monate gedauert, bis bei Bayer Konsequenzen gezogen wurden? Noch hüllt sich das Gesundheitsministerium zu all diesen Fragen in Schweigen. Zurzeit wird eine Schwachstellenanalyse angefertigt, erst am Donnerstag will sich das Ministerium dazu äußern. Das Drama um Bayer macht aber schon jetzt eines deutlich: Es wird unkontrolliert zu viel verschrieben und zu viel eingenommen. Denn nicht nur bei Lipobay kommt es zu schwerwiegenden Wechselwirkungen. Eine aktuelle Studie geht von 200 000 Fällen schwerer Nebenwirkungen jährlich aus. Ein Medikamentenheft, in dem alle Verordnungen notiert sind, brächte Patienten mehr Sicherheit.
Die Frankfurter Rundschau vom 10. August schreibt:
Der Umgang mit den möglichen Gefahren des Cholesterinmittels Lipobay zeigt einmal mehr, wo der Patient im Geschäft mit der Gesundheit steht: ganz weit unten. Zuallererst war von den Gewinneinbrüchen des Bayer-Konzerns die Rede, dann vom fallenden Aktienkurs, den der Marktrückzug des Medikaments verursachte. Über möglicherweise auftretende "Muskelschwäche" berichtete Bayer noch, vor allem wenn die Patienten die Warnhinweise ignorierten.
Nun wird das Ausmaß des Medikamentenskandals immer deutlicher: Etwa 40 Patienten sollen im Zusammenhang mit dem Verkaufsschlager zu Tode gekommen sein, hunderte unter Muskelzerfall leiden. Das Ungeheuerliche aber ist, dass die Berichte über die möglicherweise tödlichen Nebenwirkungen schon Monate alt sind. Selbst Apotheker erfuhren erst aus den Wirtschaftsnachrichten, was sie ihren Kunden da verkauft hatten. Es ist eine Schande, dass im Fall Bayer Gewinne und Börsenkurse offenbar wichtiger waren als das Wohl der Patienten. Unabhängig davon, ob das Mittel tatsächlich die Todesfälle verursacht hat - der Fall zeigt, dass der Schutz der Patienten vor gefährlichen Medikamenten in Deutschland offenbar nicht ausreicht.
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