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- DAZ 33/2001
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Praxis
G. Nagel, U. HecklErgebnis einer Umfrage der DAZ - B
Seit einigen Jahren machen Patienten immer mehr Druck auf Ärzte- und Apotheker hinsichtlich einer Verbesserung von Beratungsangeboten [1, 2]. Die Medizin hat darauf mit der Einrichtung von speziellen Beratungsdiensten reagiert [3], die Apotheker mit der Intensivierung fachkompetenter pharmazeutischer Betreuung [4].
Trotzdem, die Patientenberatung ist und bleibt ein Entwicklungsgebiet, in der Arztpraxis wie in der Apotheke [5]. Offensichtlich hat der Bedarf an qualifizierter Beratung schneller zugenommen als entsprechend professionelle Dienstleistung. Immerhin zeigt ein Blick in die Kalender der pharmazeutischen Fortbildung, dass Apothekerinnen, Apotheker und Apothekenangestellte (im folgenden zusammengefasst Apotheker) und ihre jeweiligen Standesorganisationen die Zeichen der Zeit verstanden haben. Schulungen zur Beratungskompetenz sind mittlerweile an der Tagesordnung.
Die Klinik für Tumorbiologie an der Universität Freiburg (KTB) ist schon seit einigen Jahren dabei, den gesellschaftlichen Trend zu mehr Patientenautonomie und Patientenkompetenz wissenschaftlich zu untersuchen und, in praktischer Konsequenz, besondere Programme zur Beratung kompetenter Patienten und zur Schulung kompetenter Berater zu etablieren [6, 7]. Unter anderem führt ein mittlerweile eingespieltes Team der KTB Schulungskurse zur Beratungskompetenz für Apotheker und Apothekenangestellte im gesamten Bundesgebiet durch. Dem Team gehören Mediziner, Psychologen, Ernährungsfachleute und Apotheker an, die gut mit dem Apothekenalltag vertraut sind. Es ist nun dabei, basierend auf den gegenwärtigen Erkenntnissen zum Beratungsbedarf, Info- und Lernmaterialien für die Apotheker zu erstellen.
In diesem Zusammenhang hat die KTB gemeinsam mit der DAZ im Februar 2001 eine Umfrage bei Apotheken zum Thema Beratung von Krebspatienten in der Apotheke durchgeführt [8]. Hauptziel der Umfrage war es, ein repräsentatives Bild zur Beratungssituation aus der Sicht der Apotheker zu gewinnen. Die Ergebnisse der Umfrage werden im folgenden Beitrag zusammengefasst. Zunächst werden die in der Umfrage gestellten Fragen rekapituliert, dann die eingegangenen Antworten verkürzt wieder gegeben und kommentiert.
Ergebnisse der Umfrage
? Frage:
Glauben Sie grundsätzlich, dass der Beratungsbedarf von Patienten/Kunden (nicht nur Krebs) in den letzten Jahren zugenommen hat?
! Antwort:
100% Ja.
? Frage:
Wiederum nur grundsätzlich, ist damit Ihres Erachtens eine neue oder erweiterte Aufgabe auf die Apotheke zugekommen?
! Antwort:
92% Ja, 8% Nein.
Kommentar: Mit ihrer Nein-Antwort wollten einige Apotheker sagen, Beratung im Sinne der Umfrage sei überhaupt nicht Sache der Apotheke ("sollen wir das auch noch machen"), andere wiederum meinten, Kundenberatung sei keine neue, oder erweiterte, sondern eine schon immer bestehende Aufgabe der Apotheke.
? Frage:
Welche Themen sprechen Patienten mit Krebs in der Beratungssituation in Ihrer Apotheke überhaupt an. Hier konnten mehrere Themen genannt werden.
! Antwort:
nach prozentualer Häufigkeit der Nennungen:
Kommentar: Wie auch die folgenden Fragen bestätigen, veranlassen Fragen zur eigentlichen medizinischen Standardtherapie der Krebserkrankung den Kunden nur selten zum Gang in die Beratungsapotheke. Der Patient ist gewohnt, diese beim Arzt vorzutragen und der Apotheker erklärt auch klar, hierzu nicht zuständig zu sein. Apotheker werden jedoch nach Adressen gefragt, auffallend häufig danach, wo sich der Patient bei einem unabhängigen medizinischen Experten eine Zweitmeinung einholen kann. Auch die Frage nach neuen, experimentellen Therapien wird überraschend häufig vorgetragen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass relativ viele Patienten, die in der Apotheke Rat suchen, sich in einem eher fortgeschrittenen Krankheitsstadium nach Ausschöpfung der Standardtherapien befinden. Solche Patienten erkundigen sich nach unserer Erfahrung aus der medizinischen Beratungspraxis an allen möglichen Stellen nach Neuentwicklungen, so immer häufiger auch direkt bei der forschenden pharmazeutischen Industrie.
? Frage:
Welche UMK (unkonventionelle Mittel in der Krebsmedizin) werden in ihrer Apotheke am häufigsten verlangt oder abgegeben? Hier konnten auch mehrere Mittel genannt werden.
! Antwort:
in der Reihenfolge der prozentualen Häufigkeit der Nennungen:
Kommentar: Es fällt auf, dass 90% der Erstnennungen nur vier Präparategruppen ausmachen, Mistel, Vitamine, Spurenelemente und Enzyme. Unter den seltener genannten Mitteln finden sich vor allem Phytopräparate, während Produkte, die der eigentlichen Außenseitermedizin zuzurechnen sind, nur vereinzelt genannt wurden.
? Frage:
Welche Motive veranlassen Ihrer Meinung nach Ihren Kunden (an Krebs erkrankten Patienten oder Angehörige) sich Rat suchend an Sie zu wenden (es können auch mehrere Motive angekreuzt werden). Bei dieser Frage wurden die Motive A - K zum Ankreuzen vorgegeben. Ausserdem wurde Platz für freitextliche Nennungen belassen.
! Antworten:
Der Themenkomplex Unzufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung war mit 10% der größte der freitextlichen Nennungen - hier wird das Motiv E, ungenügende Orientierung durch die Medizin, noch einmal aufgegriffen.
Einige der hierzu angegebenen Stichworte lauteten:
7% der freitextlichen Nennungen betrafen das Motiv Apotheker als Berater, Begleiter und Ansprechpartner. Der Apotheker wird beispielsweise aufgesucht, weil er
Kommentar: Wie soll die auffällig häufige Nennung des Motivs E interpretiert werden? Es widerspricht aller Erfahrung, dass die Realität hier richtig gespiegelt wird. Apotheker erfahren Kritik, Unmut oder sogar aggressive Äußerungen, die meist gar nicht ihnen persönlich gelten. Eine offensichtlich beratungs- und lebenserfahrene Apothekerin schrieb hierzu: "Manchmal spielen Patienten Ärzte und Apotheker gegeneinander aus. Kritik an der Medizin ist oft Zeichen eines hohen Leidensdruckes, der Verzweiflung, dass medizinisch nichts mehr zu machen ist. Auf uns Apothekern ruhen dann alle Hoffnungen, ein Druck der oft kaum auszuhalten ist und uns in eine schwierige Lage bringt".
Inwiefern die Kritik an der medizinischen Zuwendung in der Tat eine Form der Aggressionsverschiebung ist, wurde in dieser Umfrage nicht untersucht. In der onkologischen und psychoonkologischen Praxis gehören solche Aggressionsverschiebungen zum Alltag. Verzweifelt in einer Situation der Auswegslosigkeit, hadernd mit dem gnadenlosen Schicksal von dem er sich ungerecht behandelt fühlt, sucht der Patient Entlastung indem er die Medizin anklagt (Parallelen zum Motiv des Sündenbocks, zur Klage und Anklage Hiobs etc.).
? Frage:
In der Ausdrucksweise von Patienten mit Krebs gibt es immer wieder ganz typische Formulierungen und Begriffe. Solche Ausdrucksformen lassen einen Rückschluss auf die subjektive Erlebniswelt von Patienten zu. Welche derartige Formulierungen/Begriffe/Metaphern sind Ihnen besonders aufgefallen?
Zum Hintergrund dieser Frage: von bestimmten, von Patienten verwendeten Ausdrucksformen lassen sich Rückschlüsse auf individuelle Denkstile, Befindlichkeiten oder Vorstellungen ziehen. Menschliches Verhalten in Situationen der Krise, Bedrohung oder Gefahr wird auch von derartigen Denkstilen, darunter Glaube und Aberglaube, subjektive Interpretation und Attribution, beeinflusst. Das Beachten dieser subjektiven Denkstile von Patienten ist in der Beratungssituation unabdingbar. Bei dieser Frage interessierte uns vor allem, ob Apotheker eine diesbezüglich besonders typische Patientensprache zu hören bekommen.
! Antworten:
Die Fülle der genannten Einzelantworten lässt sich in diesem Bericht aus Platzgründen gar nicht wiedergeben. Stattdessen haben wir die genannten Begriffe und Formulierungen bestimmten Verhaltensmotiven von Patienten zugeordnet und nennen entsprechende, besonders typische Beispiele. Keine Nennung enthielten 36% der Fragebögen.
Motive der Resignation, Ohnmacht, Verunsicherung, Verzagtheit: 24%
Motive der Schuld/Attribution/Kausalität: 22%
Motive der Eigeninitiative, selbst etwas tun wollen: 20%
Motive des Kämpfens: 16%
Motive der Akzeptanz/Adaptation: 14%
Motive der Stärkung/Abwehr/Motivation: 11%
Motive der Absicherung:10%
Motive der Hoffnung: 10%
Kommentar: Vom Typ der Formulierungen und Begriffe her scheint die Patientensprache in der Apotheke keine wesentlich andere zu sein als in der Beratungssituation der Medizin oder Psychoonkologie. Die Nennungen zeigen jedoch, wie vorherrschend in der Apotheke Motive der Suche nach Hoffnung gebenden Perspektiven, nach Unterstützung und Begleitung, nach Hilfestellungen zur Selbsthilfe bei den Rat suchenden Kunden sind. Diese Suche ist oft wenig zielgerichtet, wie auch die Frage zeigt "gibt es noch Alternativen?" "Alternativen zu was" wäre die Gegenfrage in der Beratungssituation. Der Apotheker wird gefordert als jemand der noch einen Ausweg, eine Adresse, alles Mögliche weiß. Man geht zum Arzt mit Befunden, zum Apotheker mit Befindlichkeiten.
Aus der Umfrage geht nicht hervor, welche der in den Fragebögen genannten Begriffe und Formulierungen original aus der Patientensprache stammen oder welche vom Ausfüllenden des Fragebogens interpretierte, umformulierte oder persönlich empfundene Begriffe sind. Eine diesbezüglich sorgfältige Analyse werden wir im Hinblick auf die Erstellung unseres Beratungsmanuals noch vornehmen müssen.
? Frage:
Stehen Sie manchmal vor bestimmten Schwierigkeiten, wenn Sie in der Apotheke Patienten mit Krebs beraten sollen? Wenn Ja, vor welchen? Die Punkte A - D wurden zum Ankreuzen vorgegeben (auch mehrere Markierungen möglich), darüber hinaus Platz für freitextliche Nennungen.
! Antworten:
Freitextliche Nennungen, thematisch gegliedert:
Psychologische Aspekte in der Beratungssituation: 18%
Problematik der UMK-Beratung: 12%
Ungenügende Info über Patient/Krankheit/laufende Therapie/Prognose: 10%
Situation in der Apotheke: 6%
Kommentar: Auch bei dieser Frage sehr viele freitextliche Nennungen. Insgesamt belegen die Aussagen, wie notwendig die Personalschulung in der Beratungsmaterie ist bzw. welch großer Schulungsbedarf besteht.
Diskussion der Ergebnisse
Wir möchten an dieser Stelle allen danken, die sich an der Umfrage der DAZ beteiligt haben. Dabei sind viele wertvolle Anregungen zur Erstellung des geplanten Beratermanuals eingegangen. Hervorzuheben ist die übereinstimmende Auffassung aller Beteiligten, dass Patientenkompetenz und daraus resultierender Beratungsbedarf markant zunehmen und neue Formen der Kooperation von Patient, Arzt und Apotheker erfordern. Diese Aussage wird jedoch differenziert gesehen. Zukünftig werden beide Modelle der Patientenführung ihre Gültigkeit behalten, sowohl das Modell des eher paternalistischen Umgangs mit dem Patienten als auch das shared decision making, der partnerschaftliche Umgang miteinander.
Die Themen, die im Beratermanual auf Grund der Umfrage eine andere Gewichtung bekommen werden, wollen wir im folgenden ansprechen.
Literatur [1] Gensthaler B.M.et.al.: Patienten brauchen Apotheker als kompetente Berater. Pharmazeutische Zeitung 145, 37 - 41 (2000). [2] Nagel G.: Kompetente Berater für kompetente Patienten. Deutsches Ärzteblatt 89, 520 (2001). [3] Heimpel H. et.al.: Second Opinion in der Onkologie. Onkologie 22, 246 - 250 (1999). [4] Höckel M.: Krebspatienten in der Apotheke. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 36 - 41 (2000). [5] Ditzel P., Hellwig B.: Für und mit Patienten. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 43 (2000). [6] Jungmayr P.: Pharmazeutische Beratung - das Gespräch mit dem Krebspatienten. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 53 - 61 (2000). [7] Nagel G.: UMK-Unkonventionelle Mittel in der Krebsmedizin. Verlag Karger Freiburg, Basel, New York (1998). [8] Umfrage der Klinik für Tumorbiologie Freiburg und der Deutschen Apotheker Zeitung zur Beratung von Krebspatienten. Deutsche Apotheker Zeitung 14,1 145 - 147 (2001)
Die Klinik für Tumorbiologie in Freiburg hat gemeinsam mit der DAZ im Februar 2001 eine Umfrage bei Apotheken zum Thema Beratung von Krebspatienten in der Apotheke durchgeführt. Zu den Ergebnissen gehört die Erkenntnis, dass Beratung immer wichtiger geworden ist, die Befragten jedoch der Meinung sind, auf diese Aufgabe nur ungenügend vorbereitet zu sein. Neben Beratung sucht der Patient immer mehr Orientierung. Die Informationen über unkonventionelle Methoden der Krebstherapie müssen daher wesentlich verbessert werden.
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