Praxis

G. Nagel, U. HecklErgebnis einer Umfrage der DAZ - B

Die Klinik für Tumorbiologie an der Universität Freiburg (KTB) hat gemeinsam mit der DAZ im Februar 2001 eine Umfrage bei Apotheken zum Thema Beratung von Krebspatienten in der Apotheke durchgeführt. Zu den Ergebnissen gehört die Erkenntnis, dass Beratung immer wichtiger geworden ist, die Befragten jedoch der Meinung sind, auf diese Aufgabe nur ungenügend vorbereitet zu sein. Neben Beratung sucht der Patient immer mehr Orientierung. Die Informationen über unkonventionelle Methoden in der Krebstherapie, vor allem hinsichtlich der Risikoeinschätzung derselben, müssen wesentlich verbessert werden. Das vielerorts bestehende ungute Klima zwischen Ärzten und Apothekern muss verbessert werden zum Nutzen der Patienten. Patienten- und Beratersprache sind unterschiedlich - Schulungen zum kompetenten Berater sollten auch psychologische Techniken umfassen.

Seit einigen Jahren machen Patienten immer mehr Druck auf Ärzte- und Apotheker hinsichtlich einer Verbesserung von Beratungsangeboten [1, 2]. Die Medizin hat darauf mit der Einrichtung von speziellen Beratungsdiensten reagiert [3], die Apotheker mit der Intensivierung fachkompetenter pharmazeutischer Betreuung [4].

Trotzdem, die Patientenberatung ist und bleibt ein Entwicklungsgebiet, in der Arztpraxis wie in der Apotheke [5]. Offensichtlich hat der Bedarf an qualifizierter Beratung schneller zugenommen als entsprechend professionelle Dienstleistung. Immerhin zeigt ein Blick in die Kalender der pharmazeutischen Fortbildung, dass Apothekerinnen, Apotheker und Apothekenangestellte (im folgenden zusammengefasst Apotheker) und ihre jeweiligen Standesorganisationen die Zeichen der Zeit verstanden haben. Schulungen zur Beratungskompetenz sind mittlerweile an der Tagesordnung.

Die Klinik für Tumorbiologie an der Universität Freiburg (KTB) ist schon seit einigen Jahren dabei, den gesellschaftlichen Trend zu mehr Patientenautonomie und Patientenkompetenz wissenschaftlich zu untersuchen und, in praktischer Konsequenz, besondere Programme zur Beratung kompetenter Patienten und zur Schulung kompetenter Berater zu etablieren [6, 7]. Unter anderem führt ein mittlerweile eingespieltes Team der KTB Schulungskurse zur Beratungskompetenz für Apotheker und Apothekenangestellte im gesamten Bundesgebiet durch. Dem Team gehören Mediziner, Psychologen, Ernährungsfachleute und Apotheker an, die gut mit dem Apothekenalltag vertraut sind. Es ist nun dabei, basierend auf den gegenwärtigen Erkenntnissen zum Beratungsbedarf, Info- und Lernmaterialien für die Apotheker zu erstellen.

In diesem Zusammenhang hat die KTB gemeinsam mit der DAZ im Februar 2001 eine Umfrage bei Apotheken zum Thema Beratung von Krebspatienten in der Apotheke durchgeführt [8]. Hauptziel der Umfrage war es, ein repräsentatives Bild zur Beratungssituation aus der Sicht der Apotheker zu gewinnen. Die Ergebnisse der Umfrage werden im folgenden Beitrag zusammengefasst. Zunächst werden die in der Umfrage gestellten Fragen rekapituliert, dann die eingegangenen Antworten verkürzt wieder gegeben und kommentiert.

Ergebnisse der Umfrage

? Frage:

Glauben Sie grundsätzlich, dass der Beratungsbedarf von Patienten/Kunden (nicht nur Krebs) in den letzten Jahren zugenommen hat?

! Antwort:

100% Ja.

? Frage:

Wiederum nur grundsätzlich, ist damit Ihres Erachtens eine neue oder erweiterte Aufgabe auf die Apotheke zugekommen?

! Antwort:

92% Ja, 8% Nein.

Kommentar: Mit ihrer Nein-Antwort wollten einige Apotheker sagen, Beratung im Sinne der Umfrage sei überhaupt nicht Sache der Apotheke ("sollen wir das auch noch machen"), andere wiederum meinten, Kundenberatung sei keine neue, oder erweiterte, sondern eine schon immer bestehende Aufgabe der Apotheke.

? Frage:

Welche Themen sprechen Patienten mit Krebs in der Beratungssituation in Ihrer Apotheke überhaupt an. Hier konnten mehrere Themen genannt werden.

! Antwort:

nach prozentualer Häufigkeit der Nennungen:

  • Unkonventionelle ("alternative") Mittel in der Krebsmedizin: 92%
  • Krebs und Ernährung: 79%
  • Krebs und Abwehr: 62%
  • Neue, experimentelle Therapieformen: 59%
  • Krebs und Psyche: 45%
  • Kontaktadressen für eine Second Opinion (Zweitmeinung): 38%
  • Selbsthilfe: 35%
  • Weitere Adressen von Kontaktpersonen/Kontaktstellen: 31%
  • Therapiemanagement : 13%
  • Häusliche Versorgung: 5%
  • Andere Alltagsprobleme (z. B. Perücke): 3%

    Kommentar: Wie auch die folgenden Fragen bestätigen, veranlassen Fragen zur eigentlichen medizinischen Standardtherapie der Krebserkrankung den Kunden nur selten zum Gang in die Beratungsapotheke. Der Patient ist gewohnt, diese beim Arzt vorzutragen und der Apotheker erklärt auch klar, hierzu nicht zuständig zu sein. Apotheker werden jedoch nach Adressen gefragt, auffallend häufig danach, wo sich der Patient bei einem unabhängigen medizinischen Experten eine Zweitmeinung einholen kann. Auch die Frage nach neuen, experimentellen Therapien wird überraschend häufig vorgetragen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass relativ viele Patienten, die in der Apotheke Rat suchen, sich in einem eher fortgeschrittenen Krankheitsstadium nach Ausschöpfung der Standardtherapien befinden. Solche Patienten erkundigen sich nach unserer Erfahrung aus der medizinischen Beratungspraxis an allen möglichen Stellen nach Neuentwicklungen, so immer häufiger auch direkt bei der forschenden pharmazeutischen Industrie.

    ? Frage:

    Welche UMK (unkonventionelle Mittel in der Krebsmedizin) werden in ihrer Apotheke am häufigsten verlangt oder abgegeben? Hier konnten auch mehrere Mittel genannt werden.

    ! Antwort:

    in der Reihenfolge der prozentualen Häufigkeit der Nennungen:

  • Mistelpräparate: 42%
  • Vitamine incl. orthomolekulare Medizin: 22%
  • Spurenelemente: 14%
  • Enzyme: 12%
  • Thymus: 5%
  • Verschiedene: 5%

    Kommentar: Es fällt auf, dass 90% der Erstnennungen nur vier Präparategruppen ausmachen, Mistel, Vitamine, Spurenelemente und Enzyme. Unter den seltener genannten Mitteln finden sich vor allem Phytopräparate, während Produkte, die der eigentlichen Außenseitermedizin zuzurechnen sind, nur vereinzelt genannt wurden.

    ? Frage:

    Welche Motive veranlassen Ihrer Meinung nach Ihren Kunden (an Krebs erkrankten Patienten oder Angehörige) sich Rat suchend an Sie zu wenden (es können auch mehrere Motive angekreuzt werden). Bei dieser Frage wurden die Motive A - K zum Ankreuzen vorgegeben. Ausserdem wurde Platz für freitextliche Nennungen belassen.

    ! Antworten:

  • A Der Wunsch des Patienten selbst etwas beizutragen: 84%
  • B Ergänzung der Schulmedizin: 76%
  • C Vermeidung eingreifender Tumortherapien: 23%
  • D Überforderung in der Krankheitssituation: 67%
  • E Ungenügende Orientierung durch die Medizin: 61%
  • F Suche nach ganzheitlicher Behandlung: 60%
  • G Verunsicherung durch Medieninformation: 54%
  • H Empfehlung des Arztes sich an Sie zu wenden: 4%
  • I Empfehlung anderer sich an Sie zu wenden: 20%
  • J Apotheker als neutraler Ansprechpartner: 7%
  • K Eigentliche pharmazeutische Beratung: 16%

    Der Themenkomplex Unzufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung war mit 10% der größte der freitextlichen Nennungen - hier wird das Motiv E, ungenügende Orientierung durch die Medizin, noch einmal aufgegriffen.

    Einige der hierzu angegebenen Stichworte lauteten:

  • Mängel bei der Patienteninformation/Aufklärung/Gesprächsbereitschaft/Begleitung
  • mangelnde Sensibilität gegenüber den Patienten (vor allem Klinikärzte)
  • zu geringer Zeitaufwand, zu große Zeitnot des Arztes.

    7% der freitextlichen Nennungen betrafen das Motiv Apotheker als Berater, Begleiter und Ansprechpartner. Der Apotheker wird beispielsweise aufgesucht, weil er

  • Alternativen aufzeigt
  • neutral ist, zuhört, Möglichkeiten zum Reden bietet
  • besser erreichbar ist (Weg kürzer, Hemmschwelle geringer, Verständnis vorhanden).

    Kommentar: Wie soll die auffällig häufige Nennung des Motivs E interpretiert werden? Es widerspricht aller Erfahrung, dass die Realität hier richtig gespiegelt wird. Apotheker erfahren Kritik, Unmut oder sogar aggressive Äußerungen, die meist gar nicht ihnen persönlich gelten. Eine offensichtlich beratungs- und lebenserfahrene Apothekerin schrieb hierzu: "Manchmal spielen Patienten Ärzte und Apotheker gegeneinander aus. Kritik an der Medizin ist oft Zeichen eines hohen Leidensdruckes, der Verzweiflung, dass medizinisch nichts mehr zu machen ist. Auf uns Apothekern ruhen dann alle Hoffnungen, ein Druck der oft kaum auszuhalten ist und uns in eine schwierige Lage bringt".

    Inwiefern die Kritik an der medizinischen Zuwendung in der Tat eine Form der Aggressionsverschiebung ist, wurde in dieser Umfrage nicht untersucht. In der onkologischen und psychoonkologischen Praxis gehören solche Aggressionsverschiebungen zum Alltag. Verzweifelt in einer Situation der Auswegslosigkeit, hadernd mit dem gnadenlosen Schicksal von dem er sich ungerecht behandelt fühlt, sucht der Patient Entlastung indem er die Medizin anklagt (Parallelen zum Motiv des Sündenbocks, zur Klage und Anklage Hiobs etc.).

    ? Frage:

    In der Ausdrucksweise von Patienten mit Krebs gibt es immer wieder ganz typische Formulierungen und Begriffe. Solche Ausdrucksformen lassen einen Rückschluss auf die subjektive Erlebniswelt von Patienten zu. Welche derartige Formulierungen/Begriffe/Metaphern sind Ihnen besonders aufgefallen?

    Zum Hintergrund dieser Frage: von bestimmten, von Patienten verwendeten Ausdrucksformen lassen sich Rückschlüsse auf individuelle Denkstile, Befindlichkeiten oder Vorstellungen ziehen. Menschliches Verhalten in Situationen der Krise, Bedrohung oder Gefahr wird auch von derartigen Denkstilen, darunter Glaube und Aberglaube, subjektive Interpretation und Attribution, beeinflusst. Das Beachten dieser subjektiven Denkstile von Patienten ist in der Beratungssituation unabdingbar. Bei dieser Frage interessierte uns vor allem, ob Apotheker eine diesbezüglich besonders typische Patientensprache zu hören bekommen.

    ! Antworten:

    Die Fülle der genannten Einzelantworten lässt sich in diesem Bericht aus Platzgründen gar nicht wiedergeben. Stattdessen haben wir die genannten Begriffe und Formulierungen bestimmten Verhaltensmotiven von Patienten zugeordnet und nennen entsprechende, besonders typische Beispiele. Keine Nennung enthielten 36% der Fragebögen.

    Motive der Resignation, Ohnmacht, Verunsicherung, Verzagtheit: 24%

  • Ich weiß nicht was ich machen soll
  • Keiner hat Zeit - ich bin allein
  • Man liest so viel

    Motive der Schuld/Attribution/Kausalität: 22%

  • Was habe ich falsch gemacht/getan
  • Warum ausgerechnet ich
  • Krebs als Strafe

    Motive der Eigeninitiative, selbst etwas tun wollen: 20%

  • als Frage: was kann ich selbst zusätzlich noch versuchen
  • Nichts unversucht lassen, keine Chance verpassen
  • Sich nicht entmutigen lassen, nicht klein beigeben

    Motive des Kämpfens: 16%

  • Lebenswillen nicht verlieren
  • Damit will ich fertig werden
  • Ich finde mich damit nicht ab, ich kämpfe

    Motive der Akzeptanz/Adaptation: 14%

  • Mit der Krankheit umgehen lernen
  • Nach der Diagnose Krebs hat sich mein Leben verändert
  • Man muss es nehmen wie es kommt

    Motive der Stärkung/Abwehr/Motivation: 11%

  • Die eigene Selbstheilung unterstützen
  • Schutzmassnahmen ergreifen
  • Wie kann ich mich besser zur Wehr setzen

    Motive der Absicherung:10%

  • Ich weiß nicht ob es etwas bringt, aber trotzdem
  • Ist meine Therapie wirklich die richtige
  • Glauben Sie, dass ich es überleben kann

    Motive der Hoffnung: 10%

  • Ich habe gehört es gibt
  • Es gibt ja so etwas wie Spontanheilung
  • Frau H ist mit Alternativmethoden auch gerettet worden

    Kommentar: Vom Typ der Formulierungen und Begriffe her scheint die Patientensprache in der Apotheke keine wesentlich andere zu sein als in der Beratungssituation der Medizin oder Psychoonkologie. Die Nennungen zeigen jedoch, wie vorherrschend in der Apotheke Motive der Suche nach Hoffnung gebenden Perspektiven, nach Unterstützung und Begleitung, nach Hilfestellungen zur Selbsthilfe bei den Rat suchenden Kunden sind. Diese Suche ist oft wenig zielgerichtet, wie auch die Frage zeigt "gibt es noch Alternativen?" "Alternativen zu was" wäre die Gegenfrage in der Beratungssituation. Der Apotheker wird gefordert als jemand der noch einen Ausweg, eine Adresse, alles Mögliche weiß. Man geht zum Arzt mit Befunden, zum Apotheker mit Befindlichkeiten.

    Aus der Umfrage geht nicht hervor, welche der in den Fragebögen genannten Begriffe und Formulierungen original aus der Patientensprache stammen oder welche vom Ausfüllenden des Fragebogens interpretierte, umformulierte oder persönlich empfundene Begriffe sind. Eine diesbezüglich sorgfältige Analyse werden wir im Hinblick auf die Erstellung unseres Beratungsmanuals noch vornehmen müssen.

    ? Frage:

    Stehen Sie manchmal vor bestimmten Schwierigkeiten, wenn Sie in der Apotheke Patienten mit Krebs beraten sollen? Wenn Ja, vor welchen? Die Punkte A - D wurden zum Ankreuzen vorgegeben (auch mehrere Markierungen möglich), darüber hinaus Platz für freitextliche Nennungen.

    ! Antworten:

  • A Grenzen der eigenen Kompetenz: 76%
  • B Das Thema Krebs überhaupt anzusprechen: 48%
  • C Kenntlichmachung der Apotheke als Beraterapotheke: 23%
  • D Konfliktpotenzial mit behandelnden Ärzten: 37%

    Freitextliche Nennungen, thematisch gegliedert:

    Psychologische Aspekte in der Beratungssituation: 18%

  • Losbrechende Gefühle auffangen
  • Den Tod ansprechen oder nicht
  • Angst falsche Hoffnungen zu wecken etc.

    Problematik der UMK-Beratung: 12%

  • Rasche Info-Möglichkeiten über Komplementärmedizin
  • Welche UMK bei welcher Erkrankung
  • Mangelnde Ansprechpartner für alternative oder innovative Verfahren etc.

    Ungenügende Info über Patient/Krankheit/laufende Therapie/Prognose: 10%

  • Abschätzung der gegenwärtigen Verfassung des Kunden
  • Schlechte Rückmeldung über erfolge Zusatztherapien
  • Ungenügende Kenntnis der gerade durchgeführten Tumortherapie etc.

    Situation in der Apotheke: 6%

  • Es fehlen detaillierte Beratungshilfen
  • Sehr zeitaufwendige Recherchen
  • Apotheker = Verkäufer: sehr teure Komplementärmedizin

    Kommentar: Auch bei dieser Frage sehr viele freitextliche Nennungen. Insgesamt belegen die Aussagen, wie notwendig die Personalschulung in der Beratungsmaterie ist bzw. welch großer Schulungsbedarf besteht.

    Diskussion der Ergebnisse

    Wir möchten an dieser Stelle allen danken, die sich an der Umfrage der DAZ beteiligt haben. Dabei sind viele wertvolle Anregungen zur Erstellung des geplanten Beratermanuals eingegangen. Hervorzuheben ist die übereinstimmende Auffassung aller Beteiligten, dass Patientenkompetenz und daraus resultierender Beratungsbedarf markant zunehmen und neue Formen der Kooperation von Patient, Arzt und Apotheker erfordern. Diese Aussage wird jedoch differenziert gesehen. Zukünftig werden beide Modelle der Patientenführung ihre Gültigkeit behalten, sowohl das Modell des eher paternalistischen Umgangs mit dem Patienten als auch das shared decision making, der partnerschaftliche Umgang miteinander.

    Die Themen, die im Beratermanual auf Grund der Umfrage eine andere Gewichtung bekommen werden, wollen wir im folgenden ansprechen.

  • Schulungsbedarf: Die Umfrage bestätigt, die Beratung von Kunden ist eine genuine Aufgabe des Apothekenteams, die in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist. Die größte Zahl der Bezfragten glauben aber auch auf diese Aufgabe nur ungenügend vorbereitet zu sein. Der Beratungsbedarf hat schneller zugenommen als die Beratungskompetenz. Aus unserer Sicht können wir Ähnliches für die Ärzteschaft sagen.
  • Information versus Orientierung: Nicht nur der Beratungsbedarf der Apothekerkundschaft hat sich in den letzten Jahren verschoben, sondern auch der Beratungsinhalt. Außer Information wird immer mehr Orientierung gesucht. An Informationen kommen Patienten heute sehr leicht und in Hülle und Fülle heran. Unsere Gesellschaft leidet in der Info-Welt nicht an Informationsmangel. Sie stöhnt unter der Überinformation. Überinformation führt zu Verunsicherung. Patienten können nicht mehr ermessen, welche Informationen wie viel wert und für sie persönlich wichtig sind. Ihnen hierbei eine Orientierung zu bieten, ist Aufgabe einer fachkompetenten pharmazeutischen Beratung. Einen Patienten/Kunden orientierend zu beraten, ist natürlich ungleich schwieriger als ihm nur Informationen zu vermitteln. Schulungen zur Beratungskompetenz tragen speziell dieser Anforderung Rechnung und spezieller Bedarf in dieser Hinsicht wurde in der Umfrage deutlich gemacht. In diesem Zusammenhang überrascht nicht, dass der Wunsch nach einer Adresse, wo orientierende Second Opinion zu bekommen ist, so oft als Motiv zum Gespräch mit dem Apotheker genannt wird.
  • Stellenwert von UMK: In der medizinischen Fachliteratur und im heute noch verbreiteten schulmedizinischen Verständnis werden die Themen UMK und UMK-Beratung im Hochschul- und Krankenhausbereich, aber auch in manchen onkologischen Spezialpraxen weitgehend ausgeblendet, wenn nicht gar verächtlich gemacht, wie ein Kundenkommentar in der Apotheke krass illustriert: "Mein Arzt hat mir gesagt, Mistel, die wirkt nicht, die können Sie sich genau so gut ins Haar schmieren". Niedergelassene Ärzte, der Alltagssituation von Patienten wesentlich näher, stehen dem UMK-Bedarf von Patienten hingegen aufgeschlossener gegenüber. Apotheker schließlich können und dürfen der Frage nach UMK nicht aus dem Wege gehen. Dies hat zwei Gründe. Erstens ist der Apotheker zur pharmazeutischen Beratung, unabhängig von der Provenienz des Mittels, verpflichtet. Zweitens ist die Kundenberatung als solche zentraler beruflicher Auftrag und damit eine Sache, bei der die persönliche Meinung des Beraters weniger interessiert als das Anliegen des Rat suchenden Menschen. Aus ärztlichem Selbstverständnis geht es in erster Linie auch um die Krankheit im Menschen. Aus dem Selbstverständnis des beratenden Apothekers in erster Linie um den Menschen in der Krankheit. Neben dem Fachwissen über UMK ist für den Apotheker daher immer wichtig zu erfahren, warum und mit welchem persönlichen Ziel der Kunde UMK einnehmen will. Diese Frage steht am Anfang jeder Kundenberatung zu dem Thema der UMK. Stellt sich dann heraus, dass der verunsicherte Patient ein Hilfsmittel ( eine "Krücke" wie ein Kunde sagte) zur Stützung braucht, ein Mittel welches zur Selbsthilfe geeignet ist (ein Kunde:" mir ist egal ob und wie das Mittel wirkt, Hauptsache es hilft"), ist die "Indikation" nicht aus medizinisch-krankheitsorientierter Sicht, sondern aus komplementärmedizinisch-menschlicher Sicht unter Berücksichtigung von Kontraindikationen zu stellen. Die Umfrage hat deutlich gemacht, dass die Info-Dienste über UMK, vor allem zur Risikoeinschätzung derselben, wesentlich verbessert werden müssen.
  • Spannungsfelder Ärzte - Apotheker: Einige Apotheker haben in der Umfrage geäußert, optimale Kundenberatung könne nur im Rahmen einer guten Allianz von Patienten, Arzt und Apotheker zu Stande kommen. Dieses Postulat unterstützen wir vorbehaltlos. Leider ist diese Allianzsituation aber nicht die Regel. Im Gegenteil, es besteht derzeit vielerorts ein ungutes Klima zwischen Ärzte- und Apothekerschaft. Wir können dies aus eigener Erfahrung bestätigen. Unsere Versuche, die Schulungsseminare für Apotheker gemeinsam mit Ärzten durchzuführen, scheiterten immer wieder an Vorbehalten der ärztlichen Standesvertreter. Im Interesse einer besseren Patientenberatung, nicht nur in der Krankheit sondern auch im gelebten Patientenalltag, müssen sich Ärzte- und Apothekerschaft aufeinander zubewegen. Dies sollte unseres Erachtens sowohl auf Kammerebene wie interindividuell zwischen Apotheker und Arzt erfolgen. Viele Beispiele hervorragender Kooperation zeigen, dass dies möglich ist, freilich oft erst nach tastenden Annäherungsversuchen und unter Preisgabe wechselseitiger Vorbehalte und Vorurteile. Patienten mit ihrem feinen Gefühl für Stimmungen nehmen Spannungssituationen zwischen Arzt und Apotheker durchaus wahr. Unterschiedliche Einschätzungen etwa des Stellenwertes von UMK, hier Ablehnung dort liberaler Umgang, führen zur Zunahme von Verunsicherung. Ein Apotheker stellte hierzu fest: "Ich sehe meine Aufgabe darin, den Arzt zu bestätigen. Ich erwarte aber auch von ihm Unterstützung und Verständnis für meine Situation. Compliance kann nicht nur vom Patienten erwartet werden. Auch vom Arzt und auch vom Apotheker ist Compliance gefordert."
  • Patientensprache: Auch der Beratungsexperte kann nicht immer auf Anhieb verstehen, was Patienten mit ihrer manchmal verschlüsselten Sprache ausdrücken wollen. Besondere Schwierigkeiten bestehen, wenn Patienten bestimmte Themen tabuisieren, aber trotzdem darum herum reden. Solche Themen sind etwa Tod und Sterben, Unheilbarkeit, Störungen der Sexualität, Angst und Schuld, magische Vorstellungen, die mit Strafe und Sühnung zu tun haben. Eigene Ängste vor solchen Tabuthemen setzen dem unerfahrenen Berater begreiflicherweise erheblich zu. Daraus können Abwehrhaltungen gegen den Beratungsauftrag entstehen. In Lehrgängen zur Beratungskompetenz genügt es daher nicht, wenn lediglich Beratungsinhalte und Beratungstechniken vermittelt werden. Die Schulung zum kompetenten Berater muss auch psychologische Techniken zum Umgang mit der eigenen Betroffenheit umfassen.
  • Beratersprache: Nicht jeder Kunde, der sich mit Fragen an seinen Apotheker wendet, möchte auch wirklich beraten werden. Nicht jede Frage des Kunden erfordert eine Antwort. Eine aktive Übernahme des Kundengesprächs durch den Berater kann auch nachteilig sein. Das wichtigste Organ des Beraters ist zunächst das Ohr nach dem Motto Weltanhörung vor Weltanschauung. Reden dürfen hat für den Kunden viele Bedeutungen. So kann nur das Reden allein schon Element einer Bewältigungsstrategie sein. Eine Apothekerin kommentierte dazu in der Umfrage: "Ich höre einfach zu, stelle Fragen und lasse reden. Selbst wenn ich manchmal kein Wort gesagt habe, verlassen mich meine Kunden mit den Worten, danke, das war ein gutes Gespräch, es hat mir geholfen."

    Literatur [1] Gensthaler B.M.et.al.: Patienten brauchen Apotheker als kompetente Berater. Pharmazeutische Zeitung 145, 37 - 41 (2000). [2] Nagel G.: Kompetente Berater für kompetente Patienten. Deutsches Ärzteblatt 89, 520 (2001). [3] Heimpel H. et.al.: Second Opinion in der Onkologie. Onkologie 22, 246 - 250 (1999). [4] Höckel M.: Krebspatienten in der Apotheke. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 36 - 41 (2000). [5] Ditzel P., Hellwig B.: Für und mit Patienten. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 43 (2000). [6] Jungmayr P.: Pharmazeutische Beratung - das Gespräch mit dem Krebspatienten. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 53 - 61 (2000). [7] Nagel G.: UMK-Unkonventionelle Mittel in der Krebsmedizin. Verlag Karger Freiburg, Basel, New York (1998). [8] Umfrage der Klinik für Tumorbiologie Freiburg und der Deutschen Apotheker Zeitung zur Beratung von Krebspatienten. Deutsche Apotheker Zeitung 14,1 145 - 147 (2001)

  • Die Klinik für Tumorbiologie in Freiburg hat gemeinsam mit der DAZ im Februar 2001 eine Umfrage bei Apotheken zum Thema Beratung von Krebspatienten in der Apotheke durchgeführt. Zu den Ergebnissen gehört die Erkenntnis, dass Beratung immer wichtiger geworden ist, die Befragten jedoch der Meinung sind, auf diese Aufgabe nur ungenügend vorbereitet zu sein. Neben Beratung sucht der Patient immer mehr Orientierung. Die Informationen über unkonventionelle Methoden der Krebstherapie müssen daher wesentlich verbessert werden.

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