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Berichte
Ärzte/Apotheker-Fortbildung: Komplementärmedizin bei Krebs
Scharlatanerie oder EbM
Anlässlich einer gemeinsamen Fortbildung für Ärzte und Apotheker Anfang Mai in Köln stellte Prof. Dr.Beuth naturheilkundliche Verfahren in das Spannungsfeld von Scharlatanerie und "Evidence-based Medicine" (EbM). Die wissenschaftlich-begründete Onkologie diskutiert die komplementärmedizinischen Therapieansätze kontrovers und meist ablehnend, da der obligate klinische Wirksamkeitsnachweis für die meisten Therapeutika bislang nicht erfolgt ist. Die jüngsten Studien, insbesondere Untersuchungen mit Mistellektin-1 (ML-1), belegen dagegen die immunmodulierenden Effekte einer adjuvanten, komplementärmedizinischen Misteltherapie (Tab. 1).
Misteltherapie
Nach repräsentativen Umfragen wenden mehr als 80% aller Tumorpatienten komplementäre Therapien und Verfahren an. Die Mistelextrakttherapie steht dabei mit 60% im Mittelpunkt. Die bisherigen Untersuchungen zu deren Wirksamkeit erfüllten bislang nicht die strengen Ansprüche schulmedizinischer Forschung. Die Arbeitsgruppe von Professor Beuth behandelte Krebspatienten und Krebspatientinnen im Anschluss an eine etablierte tumordestruktive Therapie (chirurgische Tumorresektion, Radiatio, Chemotherapie gemäß Standardprotokoll) mit einem ML-1 normierten Mistelextrakt. Über definierte Zeiträume (drei Monate) wurden den Patienten zweimal pro Woche Äquivalenzdosen von 1ng ML-1/ kg Körpergewicht subcutan verabreicht. Das Immunsystem reagierte mit
- signifikantem Anstieg definierter Lymphozytensubpopulationen im peripheren Blut (u.a. natürliche Killerzellen, T-Helfer-Zellen, zytotoxische T-Zellen);
- signifikant gesteigerter Aktivität der T-Lymphozyten, erkennbar an der durchflusszytometrisch gemessenen Expression von IL-2-Rezeptoren und HLA-DR-Antigenen;
- signifikantem Anstieg von Akutphaseproteinen im Serum (u.a. C-reaktives Protein, Haptoglobin), induziert durch Sekretion der inflammatorischen Zytokine IL-1 und TNF-alpha;
- immunprotektivem Effekt unter bzw. nach tumordestruktiven Maßnahmen (OP, Chemo, Radiatio).
Endorphinstimulation
In einer anderen klinischen Studie, diesmal mit Mammakarzinompatientinnen, steigerten die subcutanen Injektionen von ML-1 neben den bereits erwähnten Effekten die Endorphinausschüttung im Plasma signifikant. Ergebnis: Die Patientinnen äußerten mehr Wohlbefinden und eine gesteigerte Lebensqualität.
Antikrebsdiät
Neben der indikationsbezogenen Immunzellaktivierung durch Mistellektin-1 bildet die Ernährungsberatung eine Basismaßnahme der wissenschaftlich-begründeten Komplementäronkologie. Neben weiteren Basismaßnahmen, wie Sport und Bewegung, psychoonkologischer Betreuung, Enzymtherapie und der Nahrungsergänzung mit bestimmten Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen, ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung von fundamentaler Bedeutung. Gerade bei Tumorpatienten muss auf eine ausreichende Versorgung mit Kalorien (35 bis 40 kcal/kg Körpergewicht) bei gleichzeitig hoher Nährstoffdichte geachtet werden. Bei fehlendem Appetit ist es durchaus sinnvoll, die antioxidativen Vitamine (Pro-)Vitamin A, Vitamin E, Vitamin C, sowie Zink und Selen zu ergänzen. Besondere Beachtung sollte hierbei dem Eisen geschenkt werden. Da Eisen tumorinduzierende Effekte hat, sollte gerade dieses Mineral nicht zusätzlich zugeführt werden.
Enzymtherapie
Die zur schulmedizinischen Standardbehandlung ebenfalls komplementäre Therapie mit einem standardisierten, proteolytisch wirksamen Gemisch der Enzyme Papain, Trypsin und Chymotrypsin half besonders Patienten und Patientinnen mit Plasmocytom, Colorectal- und Mammakarzinom, wie klinisch-relevante Kohortenstudien belegten. Abhängig vom Entwicklungsstadium des Tumors verringerten sich die Symptome sowohl der Primärerkrankung, als auch die durch die Behandlung selbst aufgetretenen unerwünschten Wirkungen. Die Patienten berichteten nicht nur über eine gestiegene Lebensfreude, sondern blieben auch länger frei von Rezidiven. Die tumorspezifische und stadienangepasste Behandlung mit proteolytischen Enzyme optimiert und verbessert auch unter den Kriterien der "Evidence-based Medicine" die tumordestruktive Standardtherapie.
Thymuspeptidtherapie
Die erfahrungsmedizinisch basierte Behandlung mit standardisierten Thymuspräparaten erfreut sich schon länger großer Beliebtheit. Mittlerweile, so Professor Beuth, liegen auch für diesen komplementäronkologischen Behandlungsansatz gut dokumentierte Anwendungsbeobachtungen vor. Standardisierte bzw. biochemisch definierte Thymuspeptidfraktionen (z.B. mit Thymosin alpha-1, Thymopentin, Thymic Humoral Factor) stimulieren, modulieren und restaurieren demnach nachweislich das Immunsystem. Ferner wurden antitumorale, antimetastatische und antivirale Aktivitäten nachgewiesen. Ähnlich der Enzymtherapie berichteten Patienten und Patientinnen von einer Verbesserung der Lebensqualität. Bloße Anwendungsbeobachtungen allein könnten aber nicht den definitiven Wirksamkeitsnachweis ersetzen.
Ebenso ist bislang unter den strengen EbM-Anforderungen unbewiesen, ob die Thymustherapie vor Rezidiven und Metastasen schützen kann und ob sie die Überlebenszeit der Patienten verlängert. Dabei sind erste GCP-konforme Studien vielversprechend und der definitive Wirksamkeitsnachweis soll in derzeit laufenden prospektiv-randomisierten, placebokontrollierten klinischen GCP-konformen Multicenterstudien geführt werden.
Außenseitermethoden
Prof. Dr.Beuth warnte in seinem Vortrag schließlich vor nicht wirksamkeitsgeprüften Therapie- und Diagnostikverfahren, die zuweilen fälschlich mit der wissenschaftlich-begründeten Komplementärmedizin und Naturheilkunde assoziiert würden.
Kastentext: Prospektiv-randomisierte klinische Wirksamkeitsstudien mit ML-1 normiertem Mistelextrakt laufen zurzeit für folgende Tumorarten:
Kastentext: Nicht hinreichend evaluierte und in der Regel überteuerte Diagnostik:
Kastentext: Nicht evaluierte Therapien bzw. Präparate:
Quellen Vortrag Prof. Dr. Josef Beuth, 2.Mai 2001 in Köln: Naturheilkundliche Verfahren im Spannungsfeld Scharlatanerie und "Evidence-based Medicine". Beuth, J. und Moss, R.W.: Wissenschaftlich-begründete komplementäre Therapiemaßnahmen in der Onkologie, J.of Oncol. 32, 2, S.45ff. (2000).
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