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Vom Pesthaus zum Klinikum – die Charité

Ein gelungenes Beispiel für Gewerkschaftskultur jenseits von Tarifbindung und Rechtsschutz fand Mitte Juni in der BVA-Landesgruppe Berlin statt. Etwa 40 BVA-Mitglieder und Gäste trafen sich mit dem Landesvorstand Berlin und Herrn Dr. Pawlow (Orthopäde) am Bettenhochhaus der Charité in Berlin-Mitte, um einen Blick auf die Geschichte des Klinikums zu werfen. In einem nüchternen Schulungsraum gab uns Dr. Pawlow zu Beginn einen kurzen Überblick über die Geschichte der Charité, aus dem dann spannende eineinviertel Stunden wurden.

Vor 300 Jahren fing es an

Noch Anfang des 18. Jahrhunderts bedrohten viele Pestepidemien Europa, und daher wurde als Vorsorge 1708 vor den Toren der Stadt Berlin ein Pesthaus gebaut. Zum Glück für die Bewohner Berlins - der Dreißigjährige Krieg hatte die Hälfte aller Berliner ausgerottet - traf sie die Pest nicht, und das Pesthaus wurde als Armenhospital genutzt. 1710 wandelte König Friedrich I. es in ein Militärlazarett um, 1726/27 gliederte er ihm ein Bürgerlazarett an und gab dem Komplex den Namen Charité (Barmherzigkeit).

Damals gab es zwei Stationen - im 1. Stock war das Hospital (Alte, Sieche, Arme), im 2. Stock war die Chirurgie beherbergt. Betreut wurden die Kranken von Stipendiaten, einmal im Monat kam ein zugelassener Arzt zur Visite. Auch die Patienten hatten ihre Aufgaben, es gab eine Gärtnerei und, besonders beliebt, eine Brauerei. Bis zu dieser Zeit waren Ärzte und Chirurgen nicht gleichgestellt. Chirurgie galt als Handwerk. Ein Wandgemälde mit berühmten Chirurgen aus den alten Zunfträumen der Chirurgen und viele Instrumente konnten nach dem Vortrag besichtigt werden. Bei Baumaßnahmen nach dem Krieg wurden auch eingemauerte Büsten berühmter Ärzte an der Charité wiedergefunden.

Friedrich I. stellte die Chirurgen den Ärzten gleich. Er führte auch die chirurgische Ausbildung an der Charité ein. In Berlin lebten zur Zeit Friedrichs I., des Soldatenkönigs, mehr Militärs als Zivilpersonen. So war auch der Anteil an Geschlechtskrankheiten sehr hoch. Viele berühmte Ärzte lehrten, forschten und behandelten Kranke an der Charité. Alle aufzuzählen und etwas zu ihrem Wirken zu sagen, sprengt diesen Rahmen und ist in vielen Werken beschrieben. Dr. Pawlow ratterte nur so durch die Geschichte der Medizin. Dabei war es so spannend, dass keine Langeweile aufkommen konnte.

Nach dem Vortrag ein Rundgang

Nur wenig Zeit blieb nach dem Vortrag zum Rundgang durch die Charité. Die Gebäude waren im Laufe der Geschichte mehrmals abgerissen und den veränderten Bedürfnissen angepasst worden. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Charité zu 70% durch Bomben zerstört. Danach ist sie in Backstein wieder aufgebaut worden. Wir kamen am modernen, erst im letzten Jahr übergebenen Institut für Infektionsbiologie und am Deutschen Rheumaforschungszentrum im Max-Planck-Institut vorbei.

Virchows Cabinet

Nach dem kurzen Rundgang besuchten wir noch das medizinhistorische Museum mit Teilen der Ausstellung aus "Virchows Cabinet", seinen interessanten und für den Laien oft als kurios empfundenen pathologischen Präparaten. Um 1900 starben in Berlin noch 609 Kinder an Grippe, 597 an Keuchhusten, 534 an Diphtherie. Das durchschnittliche Lebensalter lag bei 35 Jahren (Frauen) bzw. 30 Jahren (Männer). Erst 1876 bekamen die Berliner, auch auf Betreiben von Rudolf Virchow, eine Kanalisation.

Einen Blick in den als Ausstellungsraum genutzten und als Ruine erhaltenen alten Hörsaal nutzte Dr. Pawlow gleich zu einem weiteren Vortrag über u. a. Ferdinand Sauerbruch, der im Ersten Weltkrieg eine Armprothese entwickelt hatte und auch im Zweiten Weltkrieg noch operierte (Freund wie Feind).

Seit 1981/82 hat die Charité ein Bettenhochhaus mit 800 bis 900 Betten, die nach dem Zusammenschluss mit dem Campus Virchow und Campus Buch auf 400 abgebaut wurden. Insgesamt sind heute etwa 50 Kliniken als Charité zusammengefasst; sie bilden damit die größte Krankenanstalt Europas und natürlich die wichtigste in Berlin.

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