DAZ aktuell

Entschädigung der Zwangsarbeiter: Nicht alle treten Stiftung bei

BONN (im). Etliche pharmazeutische Großhandlungen sind inzwischen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beigetreten, mit der die ehemaligen Zwangsarbeiter eine Entschädigung erhalten sollen. Diejenigen Unternehmen, die dort nicht einzahlen, verweisen stattdessen auf Spenden, die sie an caritative Einrichtungen übermitteln. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Apotheker Zeitung unter den Mitgliedsfirmen des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels. Elf von 17 Unternehmen nahmen sich die Zeit für kurze Antworten.

So beteiligt sich zum Beispiel die Stuttgarter Gehe AG, sie ist allerdings über ihre Muttergesellschaft, die Franz Haniel + Cie in Duisburg, unter den Teilnehmenden zu finden. Als Grund wird hier "gesellschaftliche Verpflichtung" angegeben. Auch die in Essen ansässige Noweda trat der Stiftung bei, "aus Solidarität", teilten die Westfalen mit. Dieselbe Begründung - Solidarität gegenüber der historischen Verantwortung aus der deutschen Geschichte - gibt die Andreae-Noris Zahn (Anzag) aus dem hessischen Frankfurt an.

Die bestehenden Vorgänger- oder Besitzgesellschaften der 1994 gegründeten Kommanditgesellschaft Phoenix Pharmahandel machen mit und haben Beiträge eingezahlt, hieß es bei dem Unternehmen in Mannheim. Die finanzielle Beteiligung habe sich an dem von der Stiftung empfohlenen Betrag orientiert, "eine Selbstverständlichkeit", hieß es dazu. Auch die Sanacorp Pharmahandel AG mit Sitz in Planegg ist der Stiftung beigetreten, wie Dr. Jürgen Brink erklärte.

Eine offene Antwort gab es aus Kiel. Die dort ansässige Großhandlung Max Jenne trat der Initiative im Sommer 2000 bei. Gründe seien vor allem die Überzeugung gewesen, dass die deutsche Wirtschaft eine Gesamtverantwortung (mit)trage, aber auch, dass nach dem Hörensagen vom Unternehmen Zwangsarbeiter beschäftigt wurden, teilte Lothar Jenne, Komplementär der "Max Jenne Arzneimittel-Großhandlung", Kiel, Neumünster, Lübeck und Lüneburg, mit. Dazu könnten allerdings keine Zeitzeugen mehr befragt werden.

Alternativen

Einige Unternehmen erkennen die Notwendigkeit der Stiftung voll an. Sie planen gleichwohl keinen Beitritt. In dem einen Fall wird auf die seit 15 Jahren laufende Unterstützung eines tibetanischen Flüchtlingsdorfs hingewiesen, in einem anderen Fall auf die Zuwendungen vor allem für gemeinnützige Institutionen in der Region der Großhandlung.

Ein Großhändler berichtete, sein Unternehmen sei zu der Zeit nur eine kleine Drogerie gewesen, ein anderer wusste, dass seine Firma komplett ausgebombt war, beide gehen nicht von einer Beschäftigung von Zwangsarbeitern aus. Verwiesen wurde auf Spenden und Sponsoring in anderen Bereichen.

Ein pharmazeutischer Großhändler kannte nach eigener Aussage bis zur Anfrage der DAZ die Stiftung nicht.

Kastentext

Vor dem historischen Tatbestand, dass es Zwangsarbeit im Nazi-Deutschland in der privaten Wirtschaft gegeben hatte, gründete die deutsche Wirtschaft die Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" mit dem Ziel unbürokratischer, schneller Hilfe für die ehemaligen Zwangsarbeiter. Die eine Hälfte der benötigten zehn Milliarden Mark kommt von der Bundesregierung, die andere von der Wirtschaft. Orientierungsmaßstab soll der Betrag von einem Promille des Jahresumsatzes sein. Unter den fast 5500 Firmen, die unterdessen beitraten (Stand Mitte Januar 2001), sind auch einzelne Apotheken, nachzulesen im Internet unter www.stiftungsinitiative.de.

Weitere Informationen: Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Haus der deutschen Wirtschaft, Breite Straße 29, 10493 Berlin, Telefon (0 30) 2 06 09-2 00, Fax (0 30) 2 06 09 -1 03 oder -1 04, E-Mail: info@stiftungsinitiative.de

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