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Arnika: Heilpflanze des Jahres 2001
Die schöne gelbe Blume ist zwar selten, aber weit verbreitet in Europa, im nördlichen Asien und in Nordamerika. Sie besitzt außer den endständigen Blütenköpfchen auch in den Achseln der beiden obersten, gegenständigen Blätter noch zwei weitere Blütenköpfchen. Sie ist ein Korbblütler (Asteraceae), gehört innerhalb dieser großen Familie zur Unterfamilie der Röhrenblütigen (Tubuliflorae) und hier wiederum zum Stamm der Kreuzkräuter (Senecioneae). Sie gedeiht auf kalkarmen, sauren Böden, wie feuchten, torfigen und gebirgigen Wiesen. Der Name Arnika stammt aus dem 17. Jahrhundert und leitet sich wohl von Ptarmica = Nieskraut ab, da der Staub der gepulverten Droge heftiges Niesen verursacht.
Arzneidroge
Als Droge dienen die vom Hüllkelch befreiten Blüten oder die ganzen, völlig entfalteten Blütenkörbchen. Die leuchtend gelben Blüten werden äußerlich angewandt, zum Beispiel bei Blutergüssen, bei Furunkelbildung nach Insektenstichen und bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Stark verdünnte Tinkturen und Dekokte dienen als Herztonikum.
Hauptwirkstoffe sind die Sesquiterpenlactone Helenalin und Dihydrohelenalin sowie deren Ester. Arnikaöl wirkt adstringierend, durchblutungsfördernd, entzündungshemmend und antirheumatisch bei Muskel- und Gelenkbeschwerden. Es wird auch in Kosmetika und Körperpflegemitteln verwendet.
Toxizität
Den Vorzügen stehen recht bedenkliche Wirkungen gegenüber. Arnika wirkt zytotoxisch und allergisierend. Vor der Einnahme von Arnika-Extrakten und -Dekokten ist, sofern sie nicht stark verdünnt sind, dringend zu warnen.
Unverdünnte Tinkturen verursachen sogar äußerlich schwere Hautschäden, unter anderem eitrige Blasen, Eczema rubrum oder Ulzerationen. Tee kann zur hämorrhagischen Gastroenteritis führen und resorptiv kardiotoxisch wirken. Ekelgefühl, Aufstoßen, Diarrhö und andere Beschwerden treten auf. Drei Esslöffel einer unverdünnten Tinktur führen innerhalb von 24Stunden zum Abort. 60 bis 80 Gramm sind tödlich.
Klassische Referenzen
Nicht nur Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897) war von der Pflanze überzeugt: "Die Tinktur von Arnika halte ich für das erste Heilmittel bei Verwundungen und kann es deshalb nicht genug empfehlen."
Auch Samuel Hahnemann (1755 bis 1843) wusste bereits um die Kraft der Pflanze: "Am beßten ists, wenn auch diese Arznei, zu innerm Gebrauche in decillionfacher Kraft-Entwickelung angewendet wird, so daß, wo man die Pflanze grün haben kann, der frisch gepreßte Saft aus der, ihrer Blühe-Zeit nahen, ganzen Pflanze, mit gleichen Theilen Weingeist gemischt wird, wovon zwei Tropfen der durch Stehen abgehellten Flüssigkeit, erst mit 98 Tropfen Weingeist durch zwei Schüttel-Schläge verdünnt und potenzirt werden und dann ferner, durch 29 weitere Verdünnungs-Gläschen, immer ein Tropfen von der schwächern Verdünnung zu 100 Tropfen des folgenden Gläschens getröpfelt, dann zwei Mal geschüttelt und im letzten Gläschen bis zur decillionfachen Kraft-Entwicklung erhoben wird." Hahnemann empfahl die Arnika selbst bei Schussverletzungen - "so wie in den Schmerzen und anderm Uebelbefinden nach Ausziehn der Zähne".
Goethe überlebt dank Arnika
Die positiven Wirkungen der Arnika auf Herz und Kreislauf sind schon länger bekannt; das zeigt die medizinische Geschichte des erlauchten Goethe (1749-1832). Zu seinen Lebzeiten wurde Arnika in so großen Mengen gesammelt, dass ihr Bestand ernsthaft gefährdet war, da "man jährlich einen Pferdekarren voll sammelt und in Apotheken bringt", wie Goethe schrieb. Der große Dichter hat die Arnika sehr geschätzt und oft erwähnt.
Als ihn am 24. Februar 1823 eine schwere Herzattacke niedergeworfen hatte, wurde er mit Arnika behandelt. Johann Eckermann (1792-1854) schrieb: "Der heutige Tag war in bezug auf Goethe noch sehr beunruhigend, indem diesen Mittag die Besserung nicht erfolgte wie gestern. In einem Anfall von Schwäche sagte er zu seiner Schwiegertochter: 'Ich fühle, daß der Moment gekommen, wo in mir der Kampf zwischen Leben und Tod beginnt.'" Im gefährlichsten Moment verordnete ihm Wilhelm Ernst Christian Huschke (1760-1828), Hofarzt in Weimar, eine Tasse eines Dekokts von Arnika, die die Krisis glücklich abwendete.
Schon am Abend hatte der Kranke sein volles geistiges Bewusstsein und zeigte schon wieder einigen scherzhaften Übermut. "Ihr seid zu furchtsam mit Euren Mitteln", sagte er zu seinem anderen Arzt Wilhelm Rehbein (1776-1825), "Ihr schonet mich zu sehr! Wenn man einen Kranken vor sich hat, wie ich es bin, so muß man ein wenig napoleontisch mit ihm zu Werke gehen." Und er machte eine graziöse Beschreibung dieser Pflanze und erhob ihre energischen Wirkungen in den Himmel.
In Antike und Mittelalter als Heilpflanze unbekannt
Der Beginn der Droge Arnika liegt im Dunkeln. Weder in der Antike noch im Mittelalter lässt sich ihre medizinische Verwendung belegen.
Es ist bekannt, dass Arnika ab dem 15. Jahrhundert bei Frauenleiden eingesetzt worden ist. Die toxische Wirkung führte zu Aborten, zur Austreibung der Nachgeburt und linderte Menstruationsbeschwerden. Die erste gesicherte Erwähnung findet Arnika bei dem Schweizer Naturforscher Konrad Geßner (1516-1565) als Alisma alpinum. Johannes Mayer und Franz-Christian Czygan von der Universität Würzburg haben nun nachgewiesen, dass alle Quellen, die eine frühere Verwendung des Bergwohlverleihs belegen, einer Verwechslung aufgesessen sind.
Denn als die Ärzte der Renaissance sich auf die Antike zurückbesannen, studierten sie selbstverständlich das wichtigste drogenkundliche Werk dieser Zeit, die fünf Bände "De materia medica" des griechischen Militärarztes Dioskurides (1. Jh. n.Chr.). Darin sind 600 Pflanzen und über 1000 daraus hergestellte Drogen beschrieben. Der Arzt in Diensten der römischen Cäsaren Claudius und Nero erwähnt darin Alisma, was lange als Arnika gedeutet worden ist.
Doch Mayer und Czygan konnten zeigen, dass Dioskurides den Froschlöffel, Alisma plantago-aquatica, meinte, eine Wasserpflanze. Dieser Fehler zieht sich bis in die neuesten Publikationen der Drogenkunde.
Von der Empirie zur Wissenschaft
Erst ab dem frühen 16. Jahrhundert wird kontinuierlich über den Einsatz von Arnika berichtet. Hahnemann erklärt das in gehässiger Weise: "Alle künstlich gestellten Dogmen der gewöhnlichen, nach ihrer Art gelehrten Arzneikunst, alle ihre scholastischen Definitionen, Distinktionen und spitzfindigen Erklärungen waren in allen Jahrhunderten nicht vermögend, die specifische Heilkraft dieses Krautes zu entdecken.... Der gemeine Mann mußte es für sie thun und fand nach unzähligen, vergeblich angewendeten Dingen die Hülfe endlich durch Zufall in diesem Kraute und nennte es daher Fallkraut.
Darauf theilte vor 200 Jahren ein Arzt (Fehr) diesen Fund der Hausmittelpraxis zuerst der gelehrten Arzneikunst mit (dann ward dieß Kraut panacea lapsorum von ihr genannt), der Arzneikunst, sage ich, welche eben so alle ihre übrigen, noch vorhandenen specifischen Heilmittel bloß aus dem zufälligen Funde der Hausmittelpraxis entlehnte, nicht aber selbst finden konnte, da sie die reinen Wirkungen der Naturkörper auf den gesunden menschlichen Körper zu erforschen, sich nie angelegen seyn ließ." Das war starker Tobak für die Schulmedizin.
Seit kurzem: feldmäßiger Anbau
A.montana ist seit 1981 durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Lange galt der Anbau als unmöglich. In der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau in Freising bei München ist aber ein Weg gefunden worden, den Bergwohlverleih wirtschaftlich lohnend zu kultivieren.
Der Anbau von Heil- und Gewürzkräutern fristet hierzulande eher ein Schattendasein; das gilt trotz der erfolgreichen Anbauversuche auch für Arnika.
Quellen: www.rrz.uni-hamburg.de/biologie/b_online/d56/atlas.htm Verbreitungskarte von Arnica montana Johannes Gottfried Mayer, Franz-Christian Czygan: Arnica montanaL. oder Bergwohlverleih. Zeitschrift für Phytotherapie 21 (2000), 30-36.
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