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DAZ aktuell
Keine Kostenerstattung für Arzneimittel, die von DocMorris bezogen wurden
Rundschreiben des Bundesversicherungsamts
Kostenerstattung für Medikamente, die aus dem Internet über Versandhandel bezogen werden
Ein im Rahmen unserer aufsichtsrechtlichen Tätigkeit bekannt gewordener Einzelfall der Kostenerstattung für Medikamente, die aus dem Internet über Versandhandel bezogen werden, veranlasst uns, auf folgende Rechtslage hinzuweisen:
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – haben die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen als Sachleistungen zur Verfügung zu stellen. Für Pflichtversicherte kommt grundsätzlich eine Kostenerstattung und somit der Bezug von Medikamenten über den Versand- oder Internethandel nicht in Betracht.
Hat ein Mitglied gem. § 13 SGB V zulässigerweise die Kostenerstattung gewählt, ist eine Erstattung eines Arzneimittels nur möglich, sofern ein zur ärztlichen Versorgung zugelassener Arzt ein in Deutschland zugelassenes Medikament ordnungsgemäß verordnet hat, der Versicherte das bzw. ein in Deutschland zugelassenes Medikament erhalten hat und es von einem zugelassenen Leistungserbringer abgegeben wird.
Internetapotheken sind keine Leistungserbringer im Sinne des SGB V, da sie vom Rahmenvertrag gem. § 129 SGB V nicht erfasst werden. Eine rechtmäßige Kostenerstattung von Arzneimitteln, die aus Internetapotheken bezogen werden, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ist somit nicht möglich.
Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Rechts der Europäischen Union (EU). Selbst wenn man davon ausgeht, dass für den zur Kostenerstattung berechtigten Personenkreis des § 13 Abs. 2 SGB V ein Anspruch auf Erstattung von Kosten grundsätzlich auch in den Fällen entstehen kann, in denen sich der Versicherte medizinische Erzeugnisse im EU-Ausland ohne Genehmigung seiner Krankenkasse selbst beschafft, trifft dies für den Versandhandel über das Internet wegen besonderer rechtlicher und mit dem Recht der EU vereinbarer Vorschriften nicht zu.
Die Internetapotheken verstoßen mit ihrem Verhalten gegen § 43 Abs. 1 und § 73 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nach § 43 Abs. 1 AMG dürfen in Deutschland zugelassene apothekenpflichtige Arzneimittel grundsätzlich berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandhandels in den Verkehr gebracht werden. Die Internetapotheken liefern Arzneien – entgegen dem deutschen Recht – im Wege des Versandhandels gewerbsmäßig an Endverbraucher und bringen sie damit in den Verkehr. Es liegt somit ein Handel außerhalb der Apotheke und mithin ein Verstoß gegen § 43 Abs. 1 AMG vor. Da auch im Geltungsbereich des MAG nicht zugelassene oder registrierte Arzneimittel an den privaten Endverbraucher abgegeben werden, liegt auch ein Verstoß gegen § 73 Abs. 1 AMG vor.
Die Internetapotheken können sich auch nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 73 Abs. 2 Nr. 6 AMG berufen. Danach dürfen zulassungspflichtige Arzneimittel von deutschen Endverbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten der EU bezogen werden, wenn diese Arzneimittel im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden dürfen und ohne gewerbs- oder berufsmäßige Vermittelung in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge an den Verbraucher abgegeben werden.
Die von den Internetapotheken vertriebenen Arzneimittel sind zwar sämtlich in den Niederlanden zugelassen und dürfen damit im Herkunftsland rechtmäßigerweise in Verkehr gebracht werden; jedoch fehlt es an dem Tatbestandsmerkmal "ohne berufs- oder gewerbsmäßige Vermittelung". Der gesamte Internetauftritt der Internetapotheken ist darauf ausgerichtet, gerade durch den Versand von besonders günstig angebotenen Arzneimitteln nach ganz Europa Gewinne zu erzielen. über ihre Homepage im Internet, die sich gerade auch an deutsche Kunden richtet, bringen die Internetapotheken den Nutzern und potenziellen Kunden ihr gesamtes Sortiment an Arzneimitteln nebst Preisinformationen werbemäßig zur Kenntnis, um diese dazu zu bewegen, bei ihr in den Niederlanden Medikamente zu bestellen. Hierin ist eine Vermittlungstätigkeit zu sehen, so dass die Apotheke, die die Arzneimittel abgibt, und der gewerbsmäßige Vermittler, der den Kontakt zum Kunden herstellt ein und dieselbe Stelle ist. Damit verstoßen die Internetapotheken auch gegen § 8 Abs. 2 Heilwesen-Werbegesetz (HWG), der die Werbung für den Bezug von im Ausland zugelassenen Arzneimitteln im Wege der Einzeleinfuhr nach § 73 Abs. 2 Ziff. 6 a AMG verbietet.
Der gewerbliche Versandhandel ist von der Vorschrift des § 73 Abs. 2 Ziff. 6 a AMG auszunehmen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Vorschrift ausdrücklich als Ausnahmevorschrift konzipiert und daher eng auszulegen ist. Würde man den gewerblichen Versandhandel als von § 73 Abs. 2 Ziff. 6 a AMG gedeckt ansehen, wäre kein Ausnahmetatbestand mehr gegeben, sondern der Versandhandel mit Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland nach Deutschland wäre grundsätzlich erlaubt, während lediglich den deutschen Apotheken der Versand von Arzneimitteln verboten bliebe. Dies würde zu der nicht akzeptabeln Konsequenz der Inländerdiskriminierung führen.,. Darüber hinaus erfolgte die Kodifikation des § 73 Abs. 2 Ziff. 6 a AMG in Umsetzung der vom Europäischen Gerichtshof (EUGH) in seinen Entscheidungen vom 7.3.1989 (NJW 89, 2185 – Schumacher) sowie vom 8.4.1992 (Pharma Recht 1992, 29 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland) aufgestellten Grundsätze. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber die Absicht hatte, über die in den vorgenannten Urteilen entschiedenen Fallgestaltungen hinaus einen gewerblichen Versandhandel mit Arzneimittel zu erlauben. Schließlich zeigt auch die Regelung des §§ 8 Abs. 2 HWG, wonach für die Einzeleinfuhr von Medikamenten nach § 73 Abs. 2 Zoff. 6 a AMG nicht geworben werden darf, dass die Einfuhr von Arzneimitteln aus Apotheken im europäischen Ausland die Ausnahme bleiben soll, unter anderem, um eine Umgehung des nationalen Zulassungssystems für Arzneimittel zu verhindern.
Diese Auffassung wird auch durch das Urteil des OLG Frankfurt vom 31. Mai 2001 – GU 240/00 sowie die Entscheidung des KG Berlin vom 29. Mai 2001 – 5 U 10150/00 – bestätigt. Die Vereinbarkeit des Werbeverbots des § 8 Abs. 2 HWG mit europäischem Recht ist nach dem Urteil des EuGH vom 10. November 1994 (Ortscheit) gegeben.
Zusammenfassend ist folgende Rechtslage festzustellen: Wird von der Apotheke im Ausland gewerblicher Versandhandel von Arzneimitteln betrieben, wie dies bei Internetapotheken der Fall ist, werden apothekenpflichtige Arzneimittel entgegen § 43 und § 73 Abs. 1 AMG nach Deutschland in Verkehr gebracht. Ein von der Rechtsordnung verbotenes Verhalten kann aber eine Leistungspflicht der Krankenkasse nicht begründen (vgl. Urteil des BSG vom 23.7.1998 – B 1 KR 19/96). Der Anspruch des Versicherten auf Erstattung der Arzneimittel, die nach Verordnung durch einen deutschen Arzt bei einem Bezug in einer deutschen Apotheke grundsätzlich erstattungsfähig wären. Ferner haben wir die Siemens Betriebskrankenkasse aufgefordert sicherzustellen, künftig in keinem Fall Kosten für im Ausland über das Internet bezogene Arzneimittel zu erstatten.
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