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Pharmazeutische Betreuung
B. HellwigKrebstherapie – die Rolle des Apothe
Ein Tumor entsteht durch mehrere Auslöser
Da es einfacher ist, einen Feind zu besiegen, den man kennt, brachte Prof. Dr. med. Heinz Höfler vom Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der Technischen Universität München den Zuhörern die Pathophysiologie von malignen Tumoren nahe.
Die Umwandlung einer normalen Zelle in eine Krebszelle kann wenige Monate bis viele Jahre dauern. Die meisten Menschen tragen deshalb die Anfangsstadien ihres Tumors jahrelang unerkannt in sich. An der Tumorentstehung sind zahlreiche Mechanismen beteiligt. Ererbte kleine genetische Defekte sind schon von Geburt an vorhanden. Hinzu kommen Noxen, die zu genetischen Defekten führen können; dazu gehören Viren und Bakterien, radioaktive Strahlen, verschiedene Chemikalien und eine falsche Ernährung. Etwa 30 Prozent aller Karzinome sind auf das Rauchen zurückzuführen. Weitere Risikofaktoren sind eine hohe Fettzufuhr, der Verzehr von geräuchertem Fleisch und Alkoholkonsum.
Eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung spielen humanpathogene DNA-Viren. Dazu gehören humane Papillomaviren (HPV), Herpesviren und Hepatitisviren der Typen B, C, D und E. Humane Papillomaviren können beispielsweise zu benignen Hautwarzen, aber auch zum Zervixkarzinom führen. Zu den Herpesviren gehört das Epstein-Barr-Virus, welches das Burkitt-Lymphom auslösen kann. Das humane Herpesvirus vom Typ 8 ist für das Kaposisarkom bei AIDS verantwortlich. Hepatitisviren können nach einer langen Latenzzeit von mindestens zehn, manchmal auch 20 Jahren zu Leberzellkarzinom führen.
Genetische Veränderungen führen zu Krebs
Man schätzt heute, dass mindestens sechs bis zwölf genetische Defekte notwendig sind, damit eine Krebszelle entsteht. Im Anfangsstadium ist die Körperzelle mikroskopisch allerdings noch nicht als Vorläufer einer Krebszelle erkennbar.
Erst mit der Ausprägung der phänotypischen Merkmale wird sie zur typischen Tumorzelle, die sich teilt und klonal expandiert. Nun kann der Krebs wachsen, andere Gewebe infiltrieren und sogar metastasieren. In diesem Stadium missachtet die Tumorzelle Signale zur Unterdrückung der Proliferation und Signale zur Differenzierung. Außerdem umgeht sie die Apoptose, das zelluläre Selbstmordprogramm der Zelle, und hält dadurch ihre Proliferation aufrecht. Ein weiterer Schritt beim Tumorwachstum ist die Induktion der Angiogenese, bei der neue Blutgefäße zur Bildung angeregt werden, um den Tumor ausreichend mit Blut zu versorgen.
"Schlafende" Tumorzellen bleiben im Körper auch nach der operativen Entfernung eines klinisch sichtbaren Tumors zurück. So rechnet man damit, dass bei früh erkannten Magenkarzinomen ohne Lymphknotenbefall nach der Operation noch bei 90 Prozent der Patienten einzelne Tumorzellen vorhanden sind, die sich unter anderem in Knochenmark und Lymphknoten befinden. Hier könnte man diese Zellen über ihre genetischen Defekte identifizieren, was aber heute noch sehr schwierig ist.
Veränderte Onkogene und Suppressorgene lösen Tumor aus
Die wichtigsten Gene, die im Zusammenhang mit der Tumorentstehung bekannt sind, sind Onkogene und Suppressorgene. Tumorsuppressorgene stoppen in der normalen intakten Zelle das Tumorwachstum. Diese Gene werden auch als "Wächter des Genoms" bezeichnet. Onkogene sind normalerweise für die Zellregeneration zuständig und werden beispielsweise bei der Wundheilung benötigt. Bei der Krebsentstehung werden Onkogene im Übermaß aktiv, Suppressorgene verlieren dagegen ihre Funktion.
Ein therapeutisch relevantes Onkogen ist Her2/neu, das beim Mammakarzinom eine wichtige Rolle spielt. Gegen das Produkt dieses Onkogens, das Protein Her2, richtet sich die neue immunologische Therapie mit Trastuzumab (Herceptin®).
Defekte Tumorsuppressorgene spielen beispielsweise beim Retinoblastom und beim Sarkom eine wichtige Rolle. Bekannt sind auch die Tumorsuppressorgene BRCA 1 und 2, die bei bestimmten Formen von Brustkrebs ihre Funktion verlieren. Da die Suppressorgene in Chromosomen in zwei Kopien vorkommen, genügt ein funktionierendes Allel für eine ausreichende Suppression des Zellwachstums. Damit besitzt die Zelle eine Art Reservemechanismus: Erst wenn beide Chromosomen am gleichen Gen defekt sind, kann sich ein Krebs entwickeln. Bei Onkogenen dagegen genügt ein defektes Allel, um ein übermäßiges Zellwachstum zu initiieren.
Vererbte Keimbahndefekte in einzelnen "Tumorgenen" sind schätzungsweise für zehn bis 15 Prozent aller Tumoren verantwortlich. Dazu gehört unter anderem das familiäre Retinoblastom, das hereditäre Mamma- und Ovarialkarzinom sowie das familiäre Melanom.
Typische angeborene Krebsarten bei Neugeborenen und Kleinkindern sind Neuroblastom, Retinoblastom und Nephroblastom. Bei Kindern sind Leukämien, das Medulloblastom oder ein Osteosarkom die vorherrschenden Krebsarten.
Maßgeschneiderte Krebstherapie
Wenn ein Patient wegen seiner Krebserkrankung zum Arzt geht, gibt es verschiedene Optionen: Von einer partiellen Remission spricht man, wenn der Tumor durch die Behandlung mindestens um 50 Prozent kleiner wird. Bei einer kompletten Remission ist der Tumor so klein, dass man ihn nicht mehr nachweisen kann. Die Tumorzellen sind aber noch vorhanden, und erst die Zeit entscheidet, ob der Patient tatsächlich geheilt ist.
Wie man eine Krebstherapie für einen bestimmten Patienten maßschneidert, erläuterte Prof. Dr. Bernhard Wörmann vom Städtischen Klinikum Braunschweig. Zu den drei klassischen Säulen der Krebstherapie, der Chemotherapie, der Strahlentherapie und der Operation, sind heute zahlreiche neue eigenständige Therapieoptionen hinzugetreten. Dazu gehören die Immuntherapie, die Hormontherapie, die Gentherapie, die Behandlung mit Angiogenese-Inhibitoren und die Behandlung mit Bisphosphonaten. All diese Therapieoptionen werden mit den klassischen Säulen kombiniert, abhängig von der Krebsart. So wird bei verschiedenen Brustkrebsformen mit unterschiedlichen hormonellen Arzneimitteln behandelt. Ein Arzneimittel, das die Gefäßneubildung, die Angiogenese, unterdrückt, ist Thalidomid, für das die Zulassung zur Anwendung beim Plasmozytom beantragt ist.
Zur Chemotherapie stehen heute eine große Anzahl verschiedener Substanzgruppen zur Verfügung, die auch miteinander kombiniert werden können. Dazu gehören Antibiotika, Alkylanzien, Vincaalkaloide, Antimetabolite, Nukleosidanaloga, Topoisomerase-Inhibitoren und Taxane.
Mit gezieltem Einsatz Leben verlängern
Mit dem gezielten Einsatz dieser Substanzen kann heute die Lebenserwartung bei verschiedenen Krebsformen um viele Jahre verlängert werden. Ein Beispiel dafür ist die Haarzell-Leukämie, eine seltene Leukämieform, die von den B-Lymphozyten ausgeht. In Deutschland sind nur etwa 200 Menschen pro Jahr davon betroffen. Die Erkrankung verläuft langsam progredient und führt zu einer allgemeinen Schwäche, zur Vergrößerung der Milz und zu einer Panzytopenie mit Infektions- und Blutungsneigung. Die Haarzell-Leukämie spricht nicht auf Standard-Chemotherapeutika an. Ein erster Erfolg war die Therapie mit Interferon alfa, mit der hohe Remissionsraten, aber keine Heilung erzielt werden konnten. Die Patienten hatten immer ein Rezidiv. Eine sehr wirksame neue Therapie ist die Therapie mit Nukleosidanaloga wie 2-Chlorodesoxyadenosin (INN: Cladribin). Damit überleben heute nach sechs bis acht Jahren mehr als 90 Prozent der Patienten.
Zu den Krebsarten, die mit einer Kombination verschiedener Chemotherapeutika heilbar sind, gehören Hodentumoren, der Morbus Hodgkin und die akute lymphatische Leukämie im Kindesalter. Bei all diesen Krebsarten sind durch die modernen Behandlungsmethoden Heilungsraten von teilweise mehr als 90 Prozent zu erwarten.
Auch bei der chronisch myeloischen Leukämie gibt es Erfolge. Bei dieser Erkrankung ist eine Tyrosinkinase, die auf Chromosom 9 kodiert ist, so verändert, dass sie im Übermaß aktiv wird. Das neue Krebsmittel Imatinib (STI 571, Glivec®) hemmt diese Tyrosinkinase. Glivec soll demnächst bei uns auf den Markt kommen. In klinischen Studien verlängert es die Überlebenszeit bei der chronisch myeloischen Leukämie deutlich. Nach vier Wochen ist bei allen Patienten eine hämatologische Remission nachweisbar, eine zytogenetische Remission haben nach fünf Monaten immerhin noch 55 Prozent der Patienten.
Ein weiteres Beispiel ist die akute Promyelozytenleukämie. Diese Leukämieform beruht auf einem genetischen Defekt: Der Rezeptor für die Retinolsäure ist betroffen. Als Standardmedikament bei dieser Erkrankung gilt heute die All-trans-Retinolsäure. Bei einer entsprechenden Therapie verschwindet die Leukämie innerhalb von wenigen Tagen vollständig aus dem Blut. Auch hier können rund 90 Prozent der Patienten dauerhaft geheilt werden.
Neue Therapieansätze
Neben diesen Erfolgen hofft man auch bei weiteren Krebsarten auf verbesserte Heilungschancen. Dr. Hans-Peter Lipp, Chefapotheker des Universitätsklinikums Tübingen, beschrieb Neuentwicklungen, die in absehbarer Zeit zu erwarten sind. Neue Zytostatika werden zum einen mit dem Ziel entwickelt, ein günstigeres Nebenwirkungsprofil zu erreichen oder den Wirkstoff leichter verabreichen zu können, beispielsweise in Form einer oralen Therapie. Zum anderen versucht man neue, bisher nicht bekannte Wirkungsmechanismen aufzufinden, beispielsweise die Hemmung der Topoisomerase.
Eine höhere Tumorselektivität kann mit liposomal verkapseltem Doxyrubicin (Caelyx®) erreicht werden. Diese Liposomen gelangen als "Trojanisches Pferd" in den Tumor und geben erst dort ihren Wirkstoff frei. Durch diese Verkapselung wurde die Wirkung von Doxorubicin verbessert und gleichzeitig das Nebenwirkungsprofil massiv verändert: Herztoxizität, Schleimhautläsion und Haarausfall treten deutlich seltener auf, dafür kommt es jetzt aber häufiger zu dem so genannten Hand-Fuß-Syndrom mit sehr stark brennenden Hautsymptomen.
Monoklonale Antikörper gegen den Krebs
Monoklonale Antikörper können zielgerichtet tumorspezifische Antigene erkennen und dann die Zerstörung der Tumorzelle einleiten. Dieses Prinzip wird seit geraumer Zeit mit Wirkstoffen wie Rituximab (MabThera®) in der Lymphombehandlung, Trastuzumab (Herceptin®) in der Therapie des Mammakarzinoms und Alemtuzumab (MabCampath®) bei der therapierefraktären chronisch lymphatischen Leukämie genutzt.
In frühen Stadien des Mammakarzinoms überleben heute nach der Operation etwa 90 Prozent der Patientinnen. In fortgeschrittenen Stadien ist die Lebenserwartung deutlich niedriger, denn hier sind mehr Tumorzellen vorhanden. Zwei Drittel aller Frauen sprechen auf eine Behandlung mit Trastuzumab an, das in einer Kombination mit einer Chemotherapie verwendet wird. Mit dieser Kombination können heute 70 Prozent der Patientinnen in Remission gebracht werden, die Zeit bis zur Progression der Erkrankung verlängert sich deutlich.
Durch Kombination mit Toxinen oder radioaktiven Substanzen soll die Wirksamkeit der Antikörper weiter verbessert werden. In der Entwicklung befinden sich derzeit unter andererem Denileukin-Diftitox (Antac®) und Gemtuzumab-Ozogamicin (Mylotarg®). Bei diesen neuen Substanzen wird die spezifische Antikörperstruktur mit einem stark wirksamen Toxin verknüpft. Nach der Aufnahme des Antikörper-Toxin-Komplexes soll dadurch die Tumormasse selektiv zerstört werden.
Eine weitere Neuentwicklung sind spezifische Hemmstoffe der Telomerase. Während es in gesunden Zellen zu einer allmählichen Verkürzung der Chromosomenenden kommt, die schließlich einen Wachstumsstillstand und damit auch das natürliche Absterben jeder Zelle zur Folge hat, sind viele Tumorarten in der Lage, diesem natürlichen Vorgang entgegenzuwirken. Mit dem Enzym Telomerase bauen sie wiederholt Endstücke, die so genannten Telomere, an die sich verkürzenden Chromosomenenden und retten sich somit in die Unsterblichkeit. Schon sind erste Gedanken laut geworden, ob man solche Hemmstoffe, völlig losgelöst von Tumortherapien, nicht auch zur Gewinnung der ewigen Jugend einsetzen könnte.
Mit der Klinischen Pharmazie zur individuellen Therapie
Bereits in den 60er-Jahren entwickelte sich in den USA und Großbritannien die Idee der patientenorientierten Arzneimittelversorgung. In Deutschland wird diese Idee seit etwa 20 Jahren zunächst im Krankenhaus umgesetzt. Dabei wird die Klinische Pharmazie als die Disziplin der Pharmazie definiert, die die Optimierung der Arzneimitteltherapie am und durch den Patienten zum Inhalt hat.
In der Klinischen Pharmazie wird aus den Bausteinen Arzneimittelinformation, klinische Studien, Dosisindividualisierung, Ernährungstherapie und therapeutisches Drug Monitoring durch das Mittel der pharmazeutischen Betreuung eine optimale Therapie für den individuellen Patienten gewährleistet.
Dr. Christiane Eickhoff von der Firma CellTrend aus Luckenwalde zeigte, wie die Klinische Pharmazie in der Praxis dazu beitragen kann, individuell maßgeschneiderte Therapien für den einzelnen Patienten bereitzustellen. Dabei werden Arzneimittel und Dosis für jeden Patienten einzeln ausgewählt, abhängig von Risiko und Erfolgsaussichten. Ein Kriterium für die Auswahl der Arzneimittel sind Tests auf die Empfindlichkeit des Tumors gegenüber Chemotherapeutika. Dazu stehen unter anderem klonogene Testsysteme zur Verfügung, in denen der Effekt der Zytostatika auf die Teilung der Krebszellen untersucht werden kann. Hierbei wird die Koloniebildung gemessen.
Weitere Testsysteme zeigen die Wirkungen der Zytostatika auf die Lebensfähigkeit der Zellen. Dabei werden verschiedene Enzyme und Metaboliten geprüft, beispielsweise kann die ATP-Bildung untersucht werden. Für diese Tests ist eine geringe Tumormenge ausreichend, wie sie bei einer Biopsie gewonnen werden kann. Um beispielsweise die Wirkung von 5-Fluorouracil abzuschätzen, kann man die Thymidylat-Synthase, die Dihydropyrimidin-Dehydrogenase oder die Thymidin-Phosphorylase untersuchen. Diese drei Enzyme stehen mit Metabolisierung und Wirkung von 5-Fluorouracil in Zusammenhang. Mit der Untersuchung dieser Enzyme lässt sich voraussagen, ob ein Tumor auf das Chemotherapeutikum 5-Fluorouracil ansprechen wird.
Mit den Tests können Resistenzen zu annähernd 100 Prozent und Empfindlichkeiten bis zu 90 Prozent vorhergesagt werden. Dadurch erspart man einem einzelnen Patienten die unnötige Anwendung unwirksamer Arzneimittel. Die Testergebnisse dienen als Grundlage für die Therapieplanung, und die Therapie kann im Hinblick auf Wirksamkeit, Toxizität und Kosten optimiert werden. Allerdings erfordert die Tumorzellkultivierung großes Fachwissen. Auch die Kosten- und Zeitaufwand für diese Testmethoden beträchtlich.
Therapeutisches Drug Monitoring für optimale Dosierung
Die Wirkung von Arzneimitteln wird unter anderem durch genetische Polymorphismen der metabolisierenden Enzyme und der Transportproteine sowie der Zielstrukturen beeinflusst. So kann dieselbe Dosis eines Arzneimittels bei einem Patienten unwirksam sein, während sie beim anderen bereits zu toxischen Effekten führt. Um diese individuellen Effekte aufzuspüren, setzt man heute auch die Pharmakogenetik ein. Während früher zufällige Entdeckungen genetischer Polymorphismen im Vordergrund standen, kann man heute gezielt mithilfe der Gentechnik nach ihnen suchen. Daneben müssen auch Organschäden, Ernährungszustand und Alter bei der Dosisfindung berücksichtigt werden.
Gerade bei einer Chemotherapie kommt es darauf an, die optimale Dosis für die Patienten zu ermitteln, da sowohl Über- als auch Unterdosierungen lebensbedrohliche Folgen haben können. Bei einer Therapie mit solchen hoch wirksamen und potenziell toxischen Substanzen und bekannten Konzentrations-Wirkungs-Beziehungen kann die individuelle Dosierung mit dem therapeutischen Drug Monitoring bestimmt und überwacht werden. Die Messung der Arzneistoffkonzentration kann dann als Entscheidungskriterium für eine therapeutische Option dienen. So lassen sich beispielsweise mit den therapeutischen Drug Monitoring Patienten mit einem hohen Toxizitätsrisiko für Methotrexat identifizieren.
Pharmazeutische Betreuung von onkologischen Patienten in der Klinik
Als praktisches Beispiel, wie die pharmazeutische Betreuung von onkologischen Patienten aussehen kann, führte Hartmut Vaitiekunas, Chefapotheker des Städtischen Klinikums Braunschweig, in die Aufgaben seiner Klinikapotheke ein. Diese Apotheke versorgt 2800 Betten mit einem Jahresumsatz von 65 Mio. DM. Auf einer Betriebsfläche von 5000 Quadratmeter arbeiten 43 Menschen, davon zwölf Apotheker. Fünf Stationsapotheker und -apothekerinnen sind in verschiedenen Kliniken tätig, wo sie Ärzte und Pflegepersonal und die Patienten regelmäßig beraten. Die Apotheker nehmen an medizinischen Visiten teil und führen auch eigenständige pharmazeutische Visiten durch, bei denen mit den Patienten spezielle Fragen zur Arzneimittelanwendung besprochen werden. Unter anderem sollte kontrolliert werden, ob der Patient die verordneten Arzneimittel richtig anwendet und ob alle Arzneimittel den Ärzten bekannt sind, beispielsweise ob OTC-Präparate eigenmächtig eingenommen werden. Außerdem wirken die Apotheker an der Entwicklung von Leitlinien sowie an Schulungen von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten mit.
Die pharmazeutische Anamnese umfasst die Hauptbeschwerden bei der Einlieferung, die Vorgeschichte der aktuellen Erkrankung, die Krankengeschichte sowie die Arzneimittel, die bei der Klinikaufnahme angewendet werden. Bei den medizinischen Visiten erstellen die Apotheker Vorschläge zur Problemlösung bei der Arzneimittelanwendung. Die entsprechende Intervention wird in der Patientenakte dokumentiert. Neben der Prüfung der Compliance überwacht der Apotheker auch Nebenwirkungen und Interaktionen. In vielen Fällen kann ein therapeutisches Drug Monitoring weiterhelfen.
Bei der Überwachung von Krebspatienten muss besonders auf die antiemetische Therapie und die Schmerztherapie sowie auf die Prophylaxe von Schleimhautschäden geachtet werden. Weitere wichtige Punkte sind die Ernährung sowie die Umstellung von der Haus- auf die Klinikmedikation. Vaitiekunas wies darauf hin, dass bei einer guten Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Klinikapothekern die pharmazeutische Betreuung die Qualität der Patientenversorgung deutlich steigere. Außerdem führe die Optimierung der Arzneimitteltherapie zu Kosteneinsparungen.
Beratung und pharmazeutische Betreuung in den öffentlichen Apotheken
Wie eine pharmazeutische Betreuung von Krebspatienten bei den niedergelassenen Apothekern aussehen kann, zeigte Michael Höckel, Fachapotheker für Offizinpharmazie aus Kassel. Der Apotheker begleitet die ärztliche Therapie durch Informationen und Gespräche über Arzneimittel. Zudem kann der Patient in der Apotheke Orientierungshilfen bei unkonventionellen Therapieansätzen erhalten, der Apotheker kann Adressen von Selbsthilfegruppen und wichtigen Medien zur Verfügung halten sowie über Sozialleistungen und Zuzahlungsmodalitäten informieren.
In der Apotheke sollte der onkologische Patient Ängste durch Beratung und pharmazeutische Betreuung abbauen können. Die wichtigste Voraussetzung dafür sind niedrigschwelligen Informations- und Beratungsangeboten für Menschen mit Krebs. Wichtig hierbei sind fachliche und emotionale Kompetenz, vor allem möchte der Krebskranke nicht bemitleidet werden.
Wenn der Apotheker die Wirkung einer Therapie erläutert und den Sinn eines Arzneimitteleinsatzes wiederholt, verbessert sich die Compliance. In der Apotheke können wichtige Fragen zu den verordneten Arzneimitteln erörtert werden. Dabei sollten Einnahme- und Anwendungshinweise sowie praxisrelevante Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Arzneimitteln und Lebensmitteln mit dem Patienten besprochen werden. Der Apotheker kann einen Einnahmeplan für die Arzneimittel nach der ärztlichen Verordnung erstellen.
Daneben sollte der Apotheker auch auf allgemeine Maßnahmen, beispielsweise zur Ernährung, hinweisen. So kann darauf hingewiesen werden, dass Müdigkeit und Erschöpfung während der Chemotherapie völlig normale Begleiterscheinungen sind. Höckel empfahl, regelmäßig Gesprächskontakte anzubieten, Gesprächsnotizen anzufertigen und für den einzelnen Patienten in einem Ordner abzulegen.
Im Unterschied zu Krankenhausapotheken sei ambulant die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern schwierig, meinte Höckel, da nicht immer zeitnah informiert werden könnte. Wichtig sei es, bei Unklarheiten auf jeden Fall Rücksprache mit dem Arzt zu halten.
Kastentext: Auswahl der wichtigsten Onkogene
- (Ha-, Ki-) ras: Gastrointestinal-, Lungen, Blasenkarzinom
- Her2/neu (= erb B2): Mamma-, Barrettkarzinom
- N-myc: Neuroblastom
- c-myc: Non-Hodgkin-Lymphom (Burkitt)
- abl: Chronisch myeloische Leukämie
Krebs ist eine der häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen - jeder Dritte wird daran sterben. Die Diagnose Krebs ist dennoch kein Grund zu verzweifeln, denn in vielen Fällen kann man jahrelang mit seinem Krebs leben. So unterschiedlich die verschiedenen Krebsformen sind, so viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt es. Für eine möglichst erfolgreiche und nebenwirkungsarme Krebstherapie ist eine Zusammenarbeit zwischen Ärzten aller beteiligten Disziplinen und Apothekern eine wichtige Voraussetzung.
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