Arzneimittel und Therapie

Anthrax-Bakterien: Kein Impfstoff, aber gut wirksame Antibiotika

In den USA und auch bei uns wächst jetzt nach mehreren Milzbrand-Fällen die Angst vor terroristischen Attacken mit biologischen Kampfstoffen. Das Milzbrand-Bakterium (Bacillus anthracis) gilt neben Pocken, Pest und Cholera als einer der gefährlichsten Erreger, die von Terroristen eingesetzt werden können. Die Produktion erfordert weder eine besondere Ausrüstung noch fortgeschrittene Technologie, und der Erreger ist vermutlich nicht nur den so genannten Schurkenstaaten, sondern auch international operierenden Terroristengruppen zugänglich. Die Sporen sind unempfindlich und können nahezu unbegrenzt als Pulver gelagert werden, das gefriergetrocknet in Sprengköpfe gefüllt oder als Aerosol versprüht werden kann.

Die schottische Insel Guida, auf der die Briten im Zweiten Weltkrieg Versuche mit Anthrax ausführten, ist mit dem Erreger noch heute so verseucht, dass das Betreten der Insel strikt verboten ist. Trotz internationaler Ächtung vermuteten amerikanische Geheimdienste Mitte der 90er-Jahre, dass mindestens 17 Staaten biologische Waffen entwickeln, darunter Iran, der Irak, Libyen, Nord- und Südkorea, China und Russland. Bekannt ist auch, dass der Irak verschiedene Sprengköpfe mit Milzbrand-Sporen präpariert hat.

Normalerweise erkranken Tiere

Natürlicherweise kann das Bacillus anthracis von Tieren oder deren Produkten auf den Menschen übertragen werden. Insbesondere Rinder, Schweine, Schafe und Pferde können damit infiziert sein. Der Erreger kommt vor allem in Südamerika, Südosteuropa und Südostasien vor. Erst im Juli waren nach einem Ausbruch von Milzbrand in Kanada Hunderte Bisons bedroht. Mindestens 19 Tiere starben innerhalb weniger Tage. In Mitteleuropa ist die Krankheit sehr selten. Meist infizieren sich Menschen aus Risikogruppen wie Bauern, Tiermediziner und Schlachthofarbeiter.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch kommt praktisch nicht vor. Eine Isolierung von Patienten oder gar von potenziell exponierten Personen ist daher nicht sinnvoll. Bei einem Erkrankungsverdacht kann der Erreger mikroskopisch relativ schnell innerhalb von 8 bis 24 Stunden und zuverlässig in speziellen Labors nachgewiesen werden.

Toxin tötet Makrophagen

Bacillus anthracis produziert im Körper ein Gift, das zum Tod der Makrophagen führt. Die Toxine des Bakteriums führen zu einer ungewöhnlich heftigen Reaktion der Makrophagen auf den Erreger, in deren Verlauf die Fresszellen aufplatzen und weitere Giftstoffe ausstoßen. Klinische Symptome für die Giftwirkung sind Fieber, Benommenheit und Herzrhythmusstörungen.

Gefährlicher Sporenbildner

Gefährlich ist das Milzbrand-Bakterium vor allem deshalb, weil es Sporen bilden kann, die auch widrigen Umweltbedingungen standhalten. In der Erde können die Erreger auf diese Weise viele Jahre überdauern. Der "Klassiker der B-Waffen" kann als Pulver jahrelang aufbewahrt werden und lässt sich auch nach langer Zeit noch einsetzen. In Pulverform kann der Erreger über Großstädten abgeworfen werden.

Ein Anthrax-Aerosol ist unsichtbar, geruchlos und kann vom Wind mehrere Kilometer weit getragen werden. Schätzungen zufolge würden 100 Kilogramm Anthrax-Sporen, die bei günstiger Windrichtung als Aerosol über dem Großraum Washington versprüht werden, zwischen 130 000 und drei Millionen Todesopfer fordern.

Schutz durch Gasmasken und Spezialkleidung

Bei einer Attacke mit Anthrax-Aerosol können Gasmasken und Spezialkleidung Schutz bieten. Die Inhalation des Erregers kann durch das Tragen eines Mundschutzes zuverlässig verhindert werden. Dabei sollten so genannte HEPA-Feinstaubmasken (FFP3) eingesetzt werden. HEPA steht für high efficiency particulate air. Die Masken filtern mit einer Effektivität von mehr als 99 Prozent kleinste Partikel aus der Atemluft, die sogar eine Größen von 0,001 mm unterschreiten können. Dies ist notwendig, um Milzbrandsporen abfangen zu können, die sich noch nicht gesetzt haben. Um die maximale Wirksamkeit zu erzielen, müssen die Masken korrekt angelegt werden (Vermeidung von Zwischenräumen zwischen Haut und Maske).

Allerdings lassen sich die Sporen bislang noch nicht ausreichend schnell nachweisen, um rechtzeitig vor der Gefahr zu warnen. Beschwerden und die Gefährlichkeit der Infektion hängen davon ab, auf welchem Weg die Bakterien in den Körper gelangen.

Haut-Milzbrand

Am häufigsten ist der Haut-Milzbrand, der entsteht, wenn die Bakterien über kleine Risse oder Schnitte eindringen. Meist kommt es an dieser Stelle zunächst zu einem kleinen, geröteten, juckenden Knoten, der an einen Insektenstich erinnert. Nach ein bis zwei Tagen bildet sich ein eitergefülltes Bläschen und ein nicht schmerzhaftes Geschwür, in dessen Mitte sich schwarzes abgestorbenes Gewebe befindet. Außerdem sind die nächstgelegenen Lymphknoten geschwollen.

Breitet sich die Infektion über die Lymphbahnen aus, entwickelt sich eine schwere Blutvergiftung. Ohne Behandlung verläuft Haut-Milzbrand nach Informationen des Robert Koch-Instituts bei bis zu 20 Prozent der Betroffenen tödlich. Erhalten die Erkrankten rechtzeitig Antibiotika, sind die Heilungschancen gut.

Darm-Milzbrand

Schwerer verläuft der seltenere Darm-Milzbrand. Dieser entsteht durch Verschlucken der Keime oder durch den Verzehr von rohem Fleisch oder ungekochter Milch kranker Tiere. Hierbei wird die hämorrhagische Entzündung des Darms von einer Allgemeininfektion mit starker Schwellung und brandiger Verfärbung der Milz (daher der Name) begleitet. Hinzu kommen Fieber, Kräfteverfall und eine Herzinsuffizienz.

Lungen-Milzbrand

Am gefährlichsten ist die dritte Milzbrand-Variante, die durch das Einatmen der Erreger ausgelöst wird. Diese Art der Infektion tritt normalerweise jedoch nur sehr selten auf - der nun bekannt gewordene Fall in Florida ist der erste in den USA seit 1978. Eine Weiterverbreitung der Krankheit durch Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nach Informationen des amerikanischen Seuchenkontrollzentrums CDC extrem unwahrscheinlich.

Der Lungen-Milzbrand manifestiert sich anfänglich in einer atypischen Bronchopneumonie mit den Erstsymptomen einer Atemwegsinfektion. Daraus entwickelt sich dann aber schnell eine Lungenentzündung mit blutigem Husten, hohem Fieber, Schüttelfrost und Kreislaufversagen. Bei Ansteckung durch Einatmen der Sporen liegt die Sterblichkeitsrate ohne rechtzeitige Antibiotika-Behandlung bei 90 Prozent.

Rechtzeitig mit Antibiotika behandeln

Milzbrand kann mit Antibiotika behandelt werden. Diese müssen jedoch früh verabreicht werden. Wie Tierversuche gezeigt haben, sind Antibiotika wirkungslos, sobald die Giftproduktion einen kritischen Wert überschritten hat.

Die Erreger sind gegen gängige Antibiotika empfindlich, beispielsweise Penicillin, Tetracyclin oder Erythromycin. Das Robert Koch-Institut empfiehlt für Erwachsene wahlweise eines der Antibiotika Ciprofloxacin, Doxycyclin oder Amoxicillin.

Jährliche Impfungen für Armee-Angehörige

Einen weltweit zugelassenen Impfstoff gegen den Milzbrand-Erreger gibt es derzeit noch nicht. In den USA wird ein Impfstoff gegen Anthrax hergestellt, der aus Teilen abgetöteter, nicht mehr pathogener Erreger besteht. Damit die Immunisierung wirkt, muss sie jedoch jährlich wiederholt werden.

Bisher werden vor allem Angehörige der Streitkräfte geimpft. Im zivilen Bereich erhielten wegen möglicher Nebenwirkungen üblicherweise nur Personen eine Impfung, die beruflich mit dem Erreger in Berührung kommen können. Der Hersteller des Impfstoffs ist BioPort Corporation, Lansing, Michigan.

Die Impfung besteht aus drei subkutanen Injektionen, die im Abstand von zwei Wochen verabreicht werden. Anschließend werden drei zusätzliche Impfungen nach sechs, zwölf und 18 Monaten durchgeführt. Danach werden jährliche Auffrischimpfungen empfohlen.

Bei etwa 30 Prozent der Geimpften kommt es zu milden lokalen Reaktionen. Gelegentlich können auch heftige Lokalreaktionen mit starken Schwellungen auftreten. Weniger als 0,2 Prozent der Impflinge leiden unter systemischen Nebenwirkungen.

Keine Impfstoffe gegen Milzbrand, Pest und Pocken

Nach Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts sind Impfstoffe gegen die Erreger von Milzbrand, Pest und Pocken bei uns weder zugelassen noch kurzfristig verfügbar. Im Falle einer Anwendung solcher Impfstoffe nach den Regelungen des § 79 Arzneimittelgesetz (Ausnahmeregelungen in Krisenzeiten) wäre das Paul-Ehrlich-Institut nach eigenen Worten sofort in der Lage, die notwendigen Prüfungen auf Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit der Impfstoffe vorzunehmen.

Die Suche nach dem Gegenmittel

Eine neue Studie amerikanischer Genetiker könnte nun nach einer Information des "Spiegel" dabei helfen, ein wirksames Gegenmittel gegen die tödliche Krankheit zu entwickeln. Dem Team um William Dietrich von der Harvard Medical School gelang es, ein Gen auszumachen, das vermutlich eine maßgebliche Rolle bei der Milzbrand-Infektion spielt.

Forscher hatten beobachtet, dass manche Mäuse weniger empfindlich auf den Angriff der Anthrax-Bakterien reagieren als andere. Als Ursache für diese Resistenz konnten sie mit Hilfe von Gen-Datenbanken das verantwortliche Merkmal aufspüren. Die resistenten Mäuse wurden von einer bestimmten Variante des so genannten Kif1C-Gens beschützt.

Dieses Gen produziert das Protein Kif1C, das innerhalb der Makrophagen seine Fracht entlang den Mikrotubuli befördert. Anscheinend bedienen sich die Milzbrand-Erreger bei der Vernichtung der Makrophagen dieses Transporter-Proteins. Obwohl die genaue Funktion des Kif1C-Proteins noch nicht geklärt ist, hoffen die Wissenschaftler, dass ihre Arbeit wichtige Grundlagen für die Bekämpfung von Milzbrand-Infektionen liefern kann.

Kastentext: Bacillus anthracis - der Erreger des Milzbrands

Der Erreger des Milzbrands ist ein obligat aerobes Bakterium, das Sporen bilden kann. Die sehr großen, unbeweglichen Stäbchen verjüngen sich in der Mitte. Milzbrand ist eine Zoonose, er wird im wesentlichen durch sporenhaltige Ausscheidungen von Tieren verbreitet. Erkrankungen beim Menschen hängen normalerweise mit der Behandlung oder Wartung erkrankter Tiere zusammen. Die Sporen sind außerordentlich widerstandsfähig und können jahrzehntelang im Boden überdauern.

In der Natur erkranken an Milzbrand hauptsächlich Schafe, Kühe, Pferde oder Ziegen. Die stäbchenförmigen Bakterien kommen vor allem in wärmeren Regionen vor. Normalerweise sind Tierärzte, Schlachter oder Arbeiter, die mit Wolle oder Tierhäuten in Kontakt kommen, besonders gefährdet. In Amerika ist Milzbrand auch unter der Bezeichnung "Wollsortierer-Krankheit" bekannt.

Im Organismus vermehren sich die Erreger rapide und produzieren Toxine, die zu Blutungen, Ödemen und einer Zerstörung des Gewebes führen. Wegen der zunächst unspezifischen Symptome, wie Fieber, Husten und Kopfschmerzen, die an eine Erkältung erinnern, ist eine frühe Diagnose schwierig. In der zweiten Phase der Krankheit kommt es zu plötzlichen Fieberschüben, schweren Atemproblemen und Schock. Der Tod tritt mitunter innerhalb weniger Stunden ein.

Milzbrand gehört in Deutschland zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten (Verdacht, Erkrankung und Tod, Labornachweis). Er tritt als Haut-, Lungen- und Darmmilzbrand auf. 1994 kam es in Deutschland zu einem Fall von Hautmilzbrand. Dem Robert-Koch-Institut wurden seither in Deutschland keine weiteren Fälle von Milzbrand bei Menschen gemeldet.

Kastentext: Die verschiedenen Formen von Milzbrand

  • Haut-Milzbrand äußert sich an der Hauteintrittsstelle zuerst als Jucken, gefolgt von einer Verdickung und Rötung, die dann in ein Geschwür übergeht, welches in der Mitte schwarz wird.
  • Lungen-Milzbrand beginnt ähnlich wie ein grippaler Infekt mit Fieber, Müdigkeit und Husten. Nach einer kurzzeitigen Besserung entwickelt sich 2 bis 4 Tage nach Symptombeginn eine Blutvergiftung mit dramatischer Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Kurzatmigkeit, Atemnot, blauen Lippen. Ein fortgeschrittener Zustand von Lungenmilzbrand endet meistens tödlich.
  • Darm-Milzbrand äußert sich durch Bauchschmerzen, Fieber, Erbrechen und blutigen Durchfall.

Kastentext: Wie kann Milzbrand übertragen werden?

  • Haut-Milzbrand kann bei direktem Kontakt der Haut mit Sporen oder Bakterien entstehen. Die Erreger dringen dabei über kleine Verletzungen in die Haut ein.
  • Lungen-Milzbrand entsteht durch Inhalation von erreger- bzw. sporenhaltigen Stäuben oder Tröpfchennebel.
  • Darm-Milzbrand entsteht durch die Aufnahme von erregerhaltigen Nahrungsmitteln.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch kommt praktisch nicht vor. Eine Isolierung von Patienten oder gar von potenziell exponierten Personen ist daher nicht sinnvoll.

Kastentext

Im Anfangsstadium sind die verschiedenen Milzbrandformen nicht von anderen Infektionskrankheiten zu unterscheiden. Für Einzelperson ohne konkreten Verdacht auf Kontakt mit Milzbrandbakterien oder -sporen sind die häufigen und üblichen Infektionskrankheiten wie Grippe sehr viel wahrscheinlicher.

Kastenext: Welche Vorsichtsmaßnahmen kann man ergreifen, um sich gegen Milzbrand zu schützen?

Individuelle vorbeugende Schutzmaßnahmen stehen nach Informationen des Robert Koch-Instituts nicht zur Verfügung. Sollte bekannt werden, dass ein Gebiet mit Milzbrandsporen verseucht sein könnte, wird dieses von den zuständigen Behörden abgesperrt.

Nach Kontakt mit Milzbrandsporen kann eine Behandlung mit Antibiotika vor einer Erkrankung schützen. Eine prophylaktische Behandlung mit Antibiotika sollte nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine Erregerexposition und unter ärztlicher Kontrolle begonnen werden. Die prophylaktische Behandlung wird entweder so lange durchgeführt, bis ein Verdacht auf Exposition gegenüber Milzbrandsporen ausgeräumt ist, oder, im Falle einer laborbestätigten Exposition oder Erkrankung, über einen Zeitraum von bis zu 60 Tagen. Für Erwachsene kommt wahlweise eines der Antibiotika Ciprofloxacin, Doxycyclin oder Amoxicillin in Frage. Es sei davon auszugehen, dass im Bedarfsfall eine ausreichende Menge der notwendigen Medikamente zur Verfügung gestellt werden könne, so das Robert Koch-Institut.

In den USA und auch bei uns wächst jetzt nach mehreren Milzbrandfällen die Angst vor terroristischen Attacken mit biologischen Kampfstoffen. Individuelle vorbeugende Schutzmaßnahmen stehen nach Informationen des Robert Koch-Instituts nicht zur Verfügung. Gefährlich ist das Milzbrand-Bakterium vor allem auch deshalb, weil die Sporen selbst widrigen Umweltbedingungen standhalten können.

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