Arzneimittel und Therapie

HIV-Infektion: Tenofovir reduziert Viruslast

Die kürzlich von Gilead Sciences publizierten 24-Wochen-Ergebnisse einer Phase III-Zulassungsstudie zeigen, dass Tenofovir die Viruslast bei intensiv vorbehandelten Patienten, die trotz einer stabilen antiretroviralen Therapie noch eine nachweisbare Viruslast haben, signifikant senkt (um 0,61 log 10 Kopien/ml).

"Nach einer im Mittel mehr als fünfjährigen Multi-Drug-Therapie hatten die meisten Patienten dieser Studie gegenüber den bisher verfügbaren Medikamenten Resistenzen entwickelt. Durch den Zusatz von Tenofovir zur laufenden Behandlung kam es zu einer signifikanten Reduktion der Virusmenge im Blut", sagte Kathleen Squires, M. D., Associate Professor of Medicine, Keck School of Medicine, University of Southern California, Los Angeles und Studienleiterin. "Mit dieser beachtlichen antiviralen Wirkung, einem mit Plazebo vergleichbaren Sicherheitsprofil über 24 Wochen und einer einfachen, einmal täglichen Einnahme könnte Tenofovir eine dringend erforderliche neue Behandlungsoption für Ärzte und ihre Patienten darstellen".

Das jetzt vorliegende Datenmaterial sollte im Rahmen der 42. Interscience Conference of Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) in Chicago vorgestellt werden. Aufgrund der jüngsten Ereignisse in New York und Washington D. C. wurde der Kongress nun verschoben. Eine Prüfung von Tenofovir DF durch das Antiviral Advisory Committee der U.S. Food and Drug Administration (FDA) soll am 3. Oktober 2001 stattfinden.

Studie mit 552 Patienten

An der 48-Wochen-Studie, bekannt als Studie 907, nahmen insgesamt 552 intensiv antiretroviral behandelte Patienten aus Nordamerika, Europa und Australien teil. Die Patienten hatten eine HIV-Viruslast von 400 bis 10 000 Kopien/ml (ein Maß für die Menge an HIV in ihrem Blut) und seit mindestens acht Wochen vor Aufnahme in die Studie eine stabile antiretrovirale Therapie erhalten. Bei Aufnahme in die Studie wurden die Patienten in einem Verhältnis von 2 : 1 (Tenofovir DF : Plazebo) randomisiert, um zusätzlich zu ihrer bisherigen Behandlung Tenofovir DF (eine Tablette täglich) oder Plazebo zu erhalten. Zunächst wurde über 24 Wochen blind und Plazebo-kontrolliert behandelt. Danach erhielten alle Patienten weitere 24 Wochen Tenofovir DF.

Die Studienergebnisse zeigen, dass es bei den Patienten, die zusätzlich zur bestehenden Therapie 300 mg Tenofovir DF erhielten (n = 368), zu einer im Vergleich zu Plazebo hochsignifikanten Reduktion der Viruslast um 0,61 log 10 Kopien/ml kam. Die Patienten in dieser Studie waren mit einer mittleren Behandlungszeit von 5,4 Jahren bereits intensiv antiretroviral vorbehandelt. Wie aufgrund der vorangegangenen antiretroviralen Therapien zu erwarten, waren bei Studienbeginn bei 94 Prozent der Patienten Resistenzmutationen gegen Nucleosidische-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI), bei 58 Prozent Resistenzmutationen gegen Protease-Inhibitoren (PI) und bei 48 Prozent der Patienten Resistenzmutationen gegen Nicht-Nucleosidische-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) nachweisbar.

"Diese und weitere Daten aus zehn zusätzlichen Präsentationen, die ursprünglich bei der ICAAC vorgestellt werden sollten, unterstreichen das mögliche Potenzial von Tenofovir DF in der Behandlung der HIV-Infektion, insbesondere bei intensiv vorbehandelten Patienten", so Dr. Christiane Hanke-Harloff, Geschäftsführerin von Gilead Sciences Deutschland. Außerdem sei mit Tenofovir DF die Kombinationstherapie erheblich zu vereinfachen, besser verträglich und einnahmefreundlicher zu machen, führte Hanke-Harloff weiter aus.

Wichtig seien besonders die über bisher fast zwei Jahre anhaltende Wirksamkeit und gute Langzeitverträglichkeit, die ebenfalls für massiv vorbehandelte Patienten in der Verlängerungsphase einer anderen Studie gezeigt wurden. "Mit den Zulassungsanträgen, die für Tenofovir DF in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Australien eingereicht wurden und der Überprüfung duch das Antiviral Advisory Committee der FDA, das für den frühen Oktober anberaumt ist, bringt Gilead dieses neue Therapeutikum schnell in Richtung einer Vermarktung voran", sagte Dr. Christiane Hanke-Harloff.

Einmal tägliche Einnahme

Tenofovir DF wird als einzelne Tablette einmal täglich eingenommen. Es wirkt über eine Blockierung der reversen Transkriptase, einem Enzym, das für die Replikation des HIV notwendig ist. Im Mai 2001 hat Gilead die Zulassung Tenofovir DF bei der FDA und der EMEA (European Agency for the Evaluation of Medicinal Products) beantragt. Im August folgte dann die Einreichung der Unterlagen bei den australischen Behörden.

Kastentext: Tenofovir DF

Tenofovir DF wird als einzelne Tablette einmal täglich eingenommen. Das Präparat hemmt das Enzym Reverse Transkriptase, das für die Replikation des HIV notwendig ist. Im Mai 2001 hat Gilead eine Zulassung für Tenofovir DF bei der FDA beantragt sowie einen Zulassungsantrag (MAA - Marketing Authorisation Application) bei der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) gestellt. Im August hat Gilead einen Zulassungsantrag in Australien gestellt. Weitere Studien mit Tenofovir DF zur Behandlung der HIV-Infektion werden derzeit durchgeführt und sind für die Zukunft geplant.

Gilead führt zur Zeit die Studie 903 durch, um Tenofovir DF als potenzielle Therapie für bisher noch nicht antiretroviral behandelte Patienten mit HIV-Infektionen zu evaluieren. Diese internationale 96-wöchige-Doppelblindstudie vergleicht Tenofovir DF mit Stavudin (d4T) jeweils in Kombination mit Lamivudin (3TC) und Efavirenz. Die Aufnahme von Patienten in die Studie war im Januar 2001 mit 601 Patienten abgeschlossen. Die 48-Wochen-Ergebnisse über Wirksamkeit und Sicherheit werden in der ersten Hälfte von 2002 verfügbar sein.

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