- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 44/2001
- Dampf und Gas im ...
DAZ aktuell
Dampf und Gas im sprachlichen Nebel (Ein Glossay)
In der 109. Sitzung der Redaktionskonferenz für die deutschsprachige Fassung des Europäischen Arzneibuchs, deren Mitglieder aus deutschen, österreichischen und schweizerischen Landen kommen, wird immer wieder um die richtige Formulierung bestimmter Begriffe gerungen, die aus der Übersetzung der verbindlichen englischen und französischen Monographietexte stammen. Deutsch ist ja in Europa keine offizielle Sprache! Nicht immer macht die wörtliche Textübersetzung einen Sinn. Gelegentlich resultieren daraus widersprüchliche Aussagen. Bedauerlicherweise existieren auch termini technici, die aus dem Englischen kommen und sich nicht ins Deutsche übertragen lassen. Man bemüht sich jedoch in dieser Konferenz ernsthaft, Anglizismen nach Möglichkeit zu vermeiden. Soviel zu den Schwierigkeiten der Übersetzungen.
Doch auch bei der Wortwahl für deutsche und urdeutsche Begriffe gibt es immer wieder konträre Auffassungen. Ein besonderer Streit ist seit kurzem um den Gebrauch der Begriffe "Gas" und "Dampf" ausgebrochen, der sich bis hin in die Reihen der Autoren des Arzneibuch-Kommentars erstreckt. Traditionell spricht man von Ioddämpfen, denen beispielsweise eine Dünnschichtplatte ausgesetzt wird, um die getrennten Stoffe sichtbar zu machen. Da lod aber bei Raumtemperatur als feste Substanz vorliegt, die in einem geschlossenen oder nicht geschlossenen System in einen gasförmigen Zustand übergehen kann oder sublimiert, also ebenfalls einen fest-gasförmig-fest-Übergang erleidet, ist es nicht korrekt, von loddampf zu sprechen. Das Objekt Dünnschichtplatte wird vielmehr dem lodgas ausgesetzt. Übrigens haben wir alle gelernt, dass lod bei Raumtemperatur ein fester brauner Stoff ist, Brom eine braune Flüssigkeit, Chlor ein gelbgrünes Gas und Fluor ein farbloses Gas sind. Bei Temperaturerhöhung gehen auch Brom und lod in Gase über, nicht in Dämpfe.
Ist von Wasserdampf die Rede, der beim Erhitzen der Flüssigkeit Wasser entsteht, in einem geschlossenen System Bakterien abtötet (Dampfsterilisation) oder in einer Maschine übertragbare Bewegung erzeugt (Dampfmaschine), wobei ein Gleichgewicht zwischen einer flüssigen und dampfförmigen Phase herrscht, so ist die Bezeichnung Dampf angebracht.
Wenn die an der Luft getrocknete Platte Ammoniakdämpfen ausgesetzt wird, ist der Vorgang richtig beschrieben, denn "Ammoniak" ist eine wässrige Lösung von NH3. In der über der Flüssigkeit stehenden "Gasphase" konkurrieren H2O-Moleküle, kleinere H2O-Assoziate und NH3-Moleküle in dem Bestreben, wieder in den flüssigen oder gelösten Zustand überzugehen. Mit Ammoniak zu begasen, wäre nur in einem hermetisch verschlossenen System in absolut wasserfreier NH3-Atmosphäre möglich.
Wie nebulös die Begriffe Dampf und Gas im trivialen Sprachgebrauch sind, soll aus folgender Überlegung verdeutlicht werden: Erhält jemand die Aufforderung: "Dampf endlich ab!", wird er wissen, dass er jetzt "die Flatter" zu machen hat. Was aber soll er tun, wenn er vernimmt:
*Essay a la Glosse oder Glosse a la Essay
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.