Rechtsprechung aktuell

Dienstleistungen: Für kostenlose Venenmessung darf geworben werden

Werbung für kostenlose Dienstleistungen aus der Apotheke haben schon so einige Gerichte beschäftigt. Zumeist wurde ein Wettbewerbsverstoß angenommen: die Ankündigung einer unentgeltlichen Dienstleistung habe eine unlautere Anlockwirkung und führe beim Kunden, der ein kleineres Ladengeschäft betritt, zu einem psychologischen Kaufzwang. Daher sei jedenfalls ein geringe Schutzgebühr zu verlangen. Anders entschied nun das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht. Die Richter sahen in der Werbung für eine kostenfreie Venenmessung in der Apotheke kein wettbewerbswidriges Verhalten. (Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 14. August 2001, Az.: 6 U 14/01; rechtskräftig)

Die Oberlandesrichter hatten über folgenden Fall zu entscheiden: Eine Lübecker Apotheke warb anlässlich einer bei ihr veranstalteten "Venenaktionswoche" in einer Zeitungsanzeige für "eine kostenlose Venenmessung zur Früherkennung". Dabei wurde aus "organisatorischen Gründen um frühzeitige Anmeldung bei uns in der Apotheke" gebeten. In der Anzeige fand sich auch die Telefonnummer der Apotheke, die als kostenlos dargestellt wurde. Die Venenmessung selbst wurde in einem von den Verkaufsräumen abgetrennten Behandlungsraum von einer PTA durchgeführt. Samt Vor- und Nachberatung nahm diese Leistung zehn bis 15 Minuten in Anspruch.

Die Anzeige veranlasste den Kläger zur Anrufung des Gerichts. Er sah in dem Verhalten des beklagten Apothekers einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nachdem der Kläger in der ersten Instanz bereits unterlag, legte er Berufung ein. Doch auch das Berufungsgericht konnte in der beanstandeten Anzeige keinen Wettbewerbsverstoß sehen - weder unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens noch wegen der Ausübung eines psychologischen Kaufzwangs.

Wertreklame ist nicht immer sittenwidrig

Bei der Werbung für eine kostenlose Dienstleistung handelt es sich um eine so genannte Wertreklame, die darauf abzielt, Kunden zu gewinnen, indem ihnen Vergünstigungen gewährt werden. Auch wenn diese Vergünstigungen nicht mit dem Kauf einer Ware verknüpft sind, gilt eine solche Reklame als sittenwidrig, wenn sie derart aufgemacht ist, dass der Verbraucher hierdurch in eine psychologische Zwangslage gerät, in der er es als unanständig oder jedenfalls peinlich empfindet, nichts zu kaufen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

Freie Willensentschließung des Verbrauchers nicht gefährdet

Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist, wie der durchschnittliche Verbraucher die Werbung auffasst. Das Oberlandesgericht legt in seinem Urteil das in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelte Verbraucherbild zugrunde. Hiernach ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher auszugehen, der in der Lage ist, seine Entscheidung auf dem Markt frei zu treffen. Vor diesem Hintergrund sei die Anzeige nicht zu beanstanden. Sie enthalte keine besonderen Anpreisungen oder gar marktschreierischen Formulierungen, sondern informiere sachlich über die Aktion in der Apotheke und die damit verbundenen kostenlosen Venenmessungen. Es sei den Verbrauchern geläufig, dass Apotheken kostenlose Dienstleistungen anbieten, so das Gericht. Auch bei älteren Verbrauchern stünde nicht zu befürchten, dass sie aufgrund der kostenlosen Venenmessung ein Gefühl besonderer Dankbarkeit empfinden, das zwingend zu einem Kaufentschluss führt. Daran ändere auch der vergleichsweise hohe Zeitaufwand und der enge Kontakt zu den Apothekenangestellten nichts. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Venenmessung gerade nicht in den Verkaufsräumen stattfindet. Ebenso wenig sei die in der Anzeige erbetene Anmeldung zu beanstanden.

Im Gegenteil: der zwischen Anmeldung und Durchführung der Venenmessung liegende Zeitraum biete dem Verbraucher Gelegenheit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ihm etwas umsonst geboten wird. Hierdurch verliere die Leistung auch etwas von ihrer Besonderheit. Die Anzeige verlange auch nicht zwingend eine persönliche Anmeldung in der Apotheke. Die angegebene kostenfreie Telefonnummer dränge vielmehr eine telefonische Anmeldung auf. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände könne der Anzeige somit weder eine übertriebene Anlockwirkung noch die Provozierung eines psychologischen Kaufzwangs unterstellt werden, so das Gericht.

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