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BVA-Info
Volksabstimmung im Kanton Zürich: Landärzte dürfen weiterhin dispensieren
Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot
Bisher war Ärzten in den Großstädten Zürich und Winterthur die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente untersagt, im restlichen ländlichen Kantonsgebiet dagegen gestattet. Dieser Zustand wurde 1998 vom Verwaltungsgericht als verfassungswidrig bewertet. Er verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen das Gebot der Gleichbehandlung.
Eine überparteiliche Gesetzesvorlage sah nun vor, dass Ärzten die Selbstdispensation nur noch unter zwei Bedingungen gestattet sein sollte:
- Ihre Praxis liegt nicht näher als 500 Meter an einer Apotheke ("Distanzregelung").
- Sie müssen sich regelmäßig an den allgemeinmedizinischen Notfalldiensten beteiligen.
Bei der Abstimmung sprachen sich 54 Prozent der Personen, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben, für die Beibehaltung des Status quo aus. Bei der Auswertung zeichnete sich allerdings eine Polarisierung ab: Während die Stadtbevölkerung die neue Regelung klar befürwortete, sprachen sich die Bürger in den ländlichen Gemeinden ebenso eindeutig für die bisherige, unbeschränkte Selbstdispensation außerhalb der beiden großen Städte aus.
Der Kantonsrat will nun so bald wie möglich eine neue Vorlage zur Medikamentenabgabe erarbeiten. Kein leichtes Unterfangen, denn die Gräben zwischen Ärzten und Apothekern im Kanton Zürich sind tief. Ein Kompromiss liegt offensichtlich in weiter Ferne. Auch ist unklar, wie man die unterschiedlichen Interessen von Stadt- und Landbevölkerung stärker berücksichtigen kann, ohne wiederum gegen das Gleichbehandlungsgebot zu verstoßen.
Ärztelobby mauert
Eigentlich sind die Ärzte und Apotheker mit dem bisherigen, verfassungswidrigen Zustand zufrieden. Während sich die Apotheker jedoch mit der so genannten "Distanzregelung" anfreunden konnten, blieben die Ärzte bei ihrer kategorischen Ablehnung. Die Ärztegesellschaft geht davon aus, dass rund 600 Ärzte in den größeren Ortschaften ihr Recht auf Selbstdispensation verlören. Diese Zahlen werden jedoch vom Apothekerverband angezweifelt.
Ein Kompromiss ist deshalb so schwierig, weil es um viel Geld geht. Niedergelassene Allgemeinmediziner erzielen einen durchschnittlichen Umsatz von 200000 Franken durch den Medikamentenverkauf. Die Marge beträgt dabei rund 20 Prozent. Im Vergleich dazu liegt der jährliche Umsatz der Apotheken im Durchschnitt bei 1,7 Millionen Franken. Die hohen Gewinnspannen bei der Selbstdispensation führen offenbar im Kanton Zürich dazu, dass die Zahl der Arztpraxen stark zugenommen und die Kosten im Gesundheitswesen mit in die Höhe getrieben hat.
"Patientenfreundlich?"
Die Ärzteschaft im Kanton Zürich plädiert für eine uneingeschränkte Selbstdispensation mit dem Argument, diese sei "vernünftig, gerecht und patientenfreundlich". Der "mündige Bürger" solle selbst entscheiden dürfen, wo er seine Arzneimittel bezieht. Die Befürworter einer neuen Regelung bezweifeln jedoch, dass ein Patient protestieren würde, wenn sein Arzt ihm ein zu teures Medikament oder eine zu große Menge verschreiben würde.
Nicht zu Unrecht wird daher in fast allen europäischen Ländern die Selbstdispensation ausgeschlossen. Nach dem Grundsatz "Wer verschreibt, verkauft nicht" soll vermieden werden, dass sich therapeutische und wirtschaftliche Interessen vermischen. So kann auch ein allzu starker Einfluss der Pharmaindustrie auf die Verschreibung vermieden werden.
Ärztliche Selbstdispensation in Deutschland verboten
In Deutschland dürfen Arzneimittel nur in Apotheken abgegeben werden. Ärzte dürfen sie am Patienten nur "anwenden". Die Abgabe von "Ärztemustern" ist nach dem AMG geregelt (§ 47 Abs. 3 und 4).
Nach Ansicht des BVA besteht für Deutschland auch kein Handlungsbedarf, dies zu ändern. Vielmehr muss den Tendenzen entgegen gewirkt werden, ein ärztliches Dispensierrecht einzuführen, wie es einige Krankenkassen immer wieder in die Diskussion bringen. Dagegen ist eine stärkere Entscheidungskompetenz von Apothekern - durch eine Aut-idem-Regelung ohne finanzielle "Knebelung" - im Sinne der Patienten wünschenswert, so die Meinung des BVA.
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