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- DAZ 46/2001
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Die Seite 3
Wer einmal einen türkischen Bazar besuchte, lernte kennen, dass die dort ausgezeichneten Preise nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, sondern nur Höchstpreise darstellen für alle die, die des Handelns, Verhandelns und Feilschens nicht mächtig sind. Wer sich dagegen aufs Handeln einlässt, kann einiges sparen.
In einen Bazar versetzt fühlt man sich auch, wenn man sich unsere Gesundheitspolitik in den letzten Wochen anschaut, vor allem die Entwicklung des Arzneimittelsparpakets, mit dem man im Arzneimittelbereich etwa eine Milliarde oder mehr zu Gunsten der Krankenkassen einsparen will. Natürlich ist es bekannt, dass Gesetze kaum so verabschiedet werden, wie sie eingebracht werden. Aber das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz hat schon merkwürdige Metamorphosen und Verhandlungen hinter sich gebracht. Nachdem zum Beispiel anfangs u. a. im Gespräch war, den Kassenrabatt bis auf neun Prozent zu erhöhen, außerdem ein Preisabschlag für Nicht-Festbetragsarzneimittel von vier Prozent vorgesehen war und die Einführung der Aut-idem-Regelung, sieht die Lage heute anders aus - nicht zur Verschlechterung der Apotheken. Doch es beunruhigt, ob nicht bei weiteren Verhandlungen auch Nachteiliges für Apotheken entstehen kann.
Nach zahlreichen Gesprächen, in erster Linie zwischen der Pharmaindustrie, den Krankenkassen und dem Ministerium, wird der Kassenrabatt nur um einen Prozentpunkt auf sechs Prozent erhöht. Der Preisabschlag auf Arzneimittel allerdings ist vom Tisch. Die Industrie erreichte dies durch einen Bazarhandel oder Ablasshandel, auf den sich das Ministerium einließ. Selbst Krankenkassenvertreter zeigten sich ob dieser Vorgehensweise verunsichert und fühlten sich in eine Bananenrepublik versetzt. Da trafen der Bundeskanzler, die Bundesgesundheitsministerin, der Bundeswirtschaftsminister und der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie zusammen, überlegten, wie die "forschenden Arzneimittelhersteller einen Beitrag zur Stabilisierung der Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem gemeinsamen Interesse an Erhalt und Ausbau eines innovativen Pharmaziestandorts Deutschland" verbinden können - und heraus kam die Bereitschaft der forschenden Arzneihersteller, der gesetzlichen Krankenversicherung rund 400 Millionen einmalig zur Konsolidierung der Finanzen zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollen sich die Unternehmen verpflichten, die Preise für festbetragsfreie Arzneimittel in den nächsten beiden Jahren stabil zu halten. Die Bundesregierung verzichtet im Gegenzug in den Jahren 2002 und 2003 auf gesetzliche Preisregulierungen für festbetragsfreie verschreibungspflichtige Arzneimittel. Da sage einer, man könne mit dieser Regierung, mit dieser Gesundheitsministerin nicht verhandeln!
Aber im Ernst: Selbst wenn dieser Deal der Industrie mittelbar auch den Apotheken zu Gute kommt, es mutet seltsam an, wie da geschachert werden kann. Vor allem wenn man hört, dass die Industrie sogar bis 800 Millionen hoch gegangen wäre, um einem Preismoratorium zu entgehen.
Noch hält die Ministerin eisern an der Einführung einer Aut-idem-Regelung fest. Doch wie lange? Große Teile der Ärzteschaft und der Pharmaindustrie sind bekanntlich dagegen, vor allem der Verband der Generikafirmen will mit allen Mitteln eine solche Regelung, die den Apotheker mit mehr Einfluss auf den Arzneimittelmarkt ausstatten würde, zu Fall bringen. Hinzu kommt, dass aut idem nicht unbedingt auf dem Wunschzettel der Krankenkassen steht, da sich diese nicht allzu viel davon versprechen, es sei denn, sie könnten auch die den Apotheken gewährten Naturalrabatte abschöpfen. Gerüchteweise hört man sogar, dass der Generikaverband der Bundesgesundheitsministerin die Aut-idem-Regelung für eine Einmalzahlung von 400 Millionen Mark an die Krankenkassen abkaufen will. Spätestens hier hätten die Apotheker bessere Argumente, denn 400 Millionen und mehr könnten sie auch durch aut idem für die Kassen sparen - und das jährlich.
Was außerdem auf dem Bazar der Gesundheitspolitik gehandelt wird: die Krankenkassen machen sich für einen Versandhandel stark, mit dem sie Wirtschaftlichkeitsreserven im System ausschöpfen wollen. Die Apotheker bieten an, die Arzneimittelpreisverordnung zu "drehen", das heißt, Absenkung der Aufschläge bei hochpreisigen Arzneimitteln und leichte Erhöhung im unteren Preissegment. Noch offen ist außerdem das Schicksal der Positivliste, die allerdings kaum Einsparungen bringen und mittlerweile auch von den Kassen nicht als Instrument zum Sparen angesehen wird. Bei der Negativliste fehlt noch die Zuordnung der Wirkstoffe zu den Präparatenamen - ohne diese Zuordnung ist sie nicht praktikabel. Hinzu kommen Themen wie der Abschluss von Zielvereinbarungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben, Bewertung des therapeutischen Nutzens von Arzneitherapien durch den Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen und weitere Maßnahmen wie elektronisches Rezept und Arzneimittelpass.
Es sieht gelinde gesagt chaotisch aus auf diesem Bazar, eine klare vernünftige Richtung für ein sinnvolles Maßnahmenbündel ist nicht zu erkennen. Wenn jetzt ein Gesetz unter diesen Prämissen und unter einem zeitlichen Druck abgeschlossen werden soll, tut dies unserem Gesundheitswesen nicht gut. Was wir brauchen, ist eine durchdachte überlegte Neuordnung des Arzneimittelmarktes und kein gesundheitspolitischer Flickerlteppich. Meine Fata Morgana: ein Gremium hochrangiger Experten aus allen Bereichen, die Lösungen und Kompromisse erarbeiten. Es wird wohl eine Fata Morgana bleiben.
Peter Ditzel
Wie auf dem Bazar
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