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- DAZ 51/2001
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Feuilleton
Gefangen in Fernost
Wilhelm Köberlein war gerade 24 Jahre als, als er in der ostsibirischen Metropole Wladiwostok ankam. Von der Größe der Firma Kunst und Albers hatte er sich vorher keine Vorstellung gemacht. Zu ihr gehörten Fabriken der Metall- und chemischen Industrie, Großhandelsunternehmen inklusive Schiffsreedereien und auch Einzelhandelsgeschäfte vom Kleiderladen bis zur Apotheke. "Hier ist alles erstklassig", schreibt Köberlein begeistert nach Hause.
Dann kommt der 1. August: Kriegserklärung. Der junge Kaufmann geht nach Tsingtau und wird Soldat der deutschen Marine. Inzwischen hat auch Japan Deutschland den Krieg erklärt und belagert die Kolonie. Anfang November kapitulieren die Deutschen und werden in Japan interniert.
Wieder neue Eindrücke: Das Kriegsgefangenenlager Bando ist eine Welt für sich. Die Insassen versorgen sich großenteils selbst und können sich relativ frei bewegen. Sie pachten das umliegende Land und treiben Ackerbau und Viehzucht, errichten im Lager Handwerksbetriebe und Kaufläden oder betätigen sich als Künstler. Ein Chemiker und ein Apotheker eröffnen zusammen ein "Chemisches Laboratorium", das Haarwasser, Zahnpasta, Abführmittel und Magenbitter anbietet. Köberlein profiliert sich als Lagerfotograf - das kommt der Ausstattung dieses Buches zugute.
Ansonsten vertreibt man sich die Zeit mit Sport, Theater und Musik und indem man sich mit der japanischen Kultur auseinander setzt. Selbst Sumo-Ringkämpfe finden im Lager statt.
Heute erinnern an das Lager ein Glockenturm und ein Deutsches Haus mit einem kleinen Museum. Dennoch sind es im Wesentlichen die Fotografien und Aufzeichnungen von Köberlein, die dieses merkwürdige Stück deutscher Geschichte in Fernost dokumentieren. Fazit zu diesem Buch: ein ausgefallenes Thema, aber interessant dargestellt. cae
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