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Auf dem Weg nach Europa (Kommentar)
Genau genommen gibt es ihn schon seit zwei Jahren, aber nun ist er richtig da: der Euro, zum Ansehen, zum Anfassen und natürlich zum Ausgeben, der konkret gewordene Einigungswille Europas. Doch der Euro ist mehr als ein Symbol und mehr als ein Zahlungsmittel, er ist eine Währung. Die Währung ist das wichtigste Instrument einer Volkswirtschaft, wirtschaftliche Unterschiede und soziale Entwicklungen zwischen verschiedenen Staaten in ein Gleichgewicht zu bringen. Wechselkurse und Zinssätze sind die entscheidenden Steuerungsgrößen im weltwirtschaftlichen Gefüge. In Deutschland haben wir die ungeheure Wirkung dieser Effekte erst vor gut einem Jahrzehnt bei der frühen Währungsunion der beiden deutschen Staaten erlebt. Mit der gemeinsamen Währung konnte es für die neuen Bundesländer keine sanfte Landung ihrer Volkswirtschaft mehr geben.
Das steht uns nun in Europa bevor. Der wichtigste Ausgleichsmechanismus zwischen den Staaten hat aufgehört zu existieren. Die gemeinsame Währung zwingt uns zur politischen und sozialen Konvergenz, ob allen Politikern das bewusst ist oder nicht, ob die Bürger dies wollen oder nicht! Da helfen auch keine frommen Wünsche oder Verträge, die den Gesundheits- und Sozialbereich zur nationalen Angelegenheit erklären. Die Geldströme in diesem Sektor sind viel zu gewaltig, um sie aus dem gemeinsamen System herauszuhalten.
Wohin wird diese Entwicklung führen? - In ein zusammenwachsendes Gesundheitssystem passen die monopolistischen nationalen Gesundheitsdienste am allerwenigsten. Ein Sturm der Entrüstung müsste sich über diese Systeme ergießen. Vielleicht sind ja deshalb Großbritannien und Dänemark noch keine Euro-Länder?! Doch Staatsmonopole sind hart zu knacken. Das wäre eine dankbare Aufgabe für den vielgeschmähten EU-Kommissar Monti. Auch die staatliche Preissetzung für Arzneimittel in vielen Ländern ist zu beklagen. Denn sie verhindert dort den Wettbewerb und verzerrt ihn hier durch Importe aus anderen Preissystemen, die es streng genommen nicht mehr geben dürfte.
Doch statt solcher wirklich überkommenen Systeme stehen die leidgeplagten deutschen Apotheken am Pranger der EU-Enthusiasten. Sie drängen sich aber auch geradezu in die Rolle der Verteidiger und Bewahrer eines scheinbar starren Systems. Die Standesvertreter werden nicht müde, "Ökonomisierung", Liberalisierung und Wettbewerb im Gesundheitswesen zu beklagen - alles Teufelszeug! Doch damit entscheiden sie sich für die undankbare Rolle des ewigen Buhmannes, von dem jeder schon vorher weiß, dass er nie gewinnen kann.
Und das ohne Not! Denn die deutschen Apotheken hätten das überhaupt nicht nötig. Sie sind ein leistungsfähiges System, schnell, sicher, individuell und patientennah - das alles liegt im Trend. Dieses System sollte sich als Vorbild für das ganze konvergierende Europa empfehlen. Offensive statt Defensive ist gefragt!
Mit der einzigartigen Niederlassungsfreiheit sind die deutschen Apotheken liberaler und stärker wettbewerbsorientiert als das Kettensystem in Großbritannien und jedes andere System in der EU. Die Apotheker in anderen Ländern fürchten gerade das deutsche System wegen seiner Offenheit! Doch erst durch diesen Wettbewerb ist das System so leistungsfähig geworden, Wettbewerb kann also auch im Gesundheitswesen eine gute Sache sein. Ketten oder erst recht das Monopol einer krankenkasseneigenen Versandapotheke würden diesen Wettbewerb aber beschränken, nicht ermöglichen, wie manche behaupten.
So sollten die Apotheker sagen: Wir sind gegen Ketten und Kassenmacht, weil wir für den Wettbewerb sind - und nicht weil wir gegen Wettbewerb wären. - Kommissar Monti könnte unser bester Freund werden, wenn es den deutschen Apothekern gelänge, diese Botschaft zu transportieren.
Nur eine Einschränkung bleibt zu machen: Es hat sich bewährt, dass der Wettbewerb unter Apotheken kein Preis-, sondern ein Leistungswettbewerb ist. Dabei ist das deutsche System wesentlich wettbewerbsfreundlicher als die rigide und bürokratische Preissetzung in anderen Ländern! Doch sollte der Leistungswettbewerb zeitgemäß offen praktiziert werden. Da müsste sich dann auch die ABDA bewegen: Leistungswettbewerb setzt Unterschiede voraus. Die Apotheken können nicht mehr gleich sein und dürfen nicht einmal gleich scheinen. Sie müssen ihr unterschiedliches Leistungsspektrum transparent machen können, damit die Verbraucher es erkennen. Nur so ist Wettbewerb möglich. Ein solches System könnte wahrlich ein gutes Vorbild für Europa sein!
Thomas Müller-Bohn
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