Arzneimittel und Therapie

Wirkstoffe aus Algen: Fucoidine verhindern Thrombosen

Heparine und Heparinoide können schwere allergische Hautreaktionen auslösen. Bisher müssen Ärzte und Patienten dieses Risiko in Kauf nehmen, um eine lebensbedrohliche Thrombose zu verhindern. Als Alternative steht bisher ein rekombinantes Hirudinpräparat zur Verfügung. In Zukunft könnten Fucoidine aus Meeresalgen die Thromboseprophylaxe sicherer machen.

Häufig reagieren Patienten auf die Injektion von fraktionierten Heparinen mit Juckreiz, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle. Neben diesen leichten allergischen Reaktionen kann es aber auch zu schweren Nekrosen und einem Arzneimittelexanthem am ganzen Körper kommen.

Da es sich um eine zellvermittelte Immunreaktion vom Spättyp handelt, wird die intravenöse Heparingabe besser toleriert als die subkutane Injektion. Die Heparinisierung ist trotzdem unverzichtbar, denn kein gentechnologisch hergestelltes Fibrinolytikum oder Hirudinpräparat wirkt vergleichbar effizient einer Thrombose entgegen. In Zukunft könnte ein Wirkstoff aus Meeresalgen die Thromboseprophylaxe sicherer machen.

Starke Hemmung der Thrombozytenaggregation

Fucoidine kommen vor allem in den Zellwänden von Braunalgen wie dem Knotentang Ascophyllum nodosum oder dem Blasentang Fucus vesiculosus vor. Es handelt sich um heterogene Polysaccharide, die vorwiegend aus sulfatierter 1,2 alfa-glycosidisch verknüpfter L-Fucose bestehen. Wie beim Heparin steigt auch die gerinnungshemmende Aktivität der Fucoidine mit zunehmendem Molekulargewicht und Zahl der Sulfatgruppen. In vitro zeigen sie eine sehr starke Hemmung der Thrombozytenaggregation.

Französische Wissenschaftler verglichen die antithrombotische Wirksamkeit einer Fucoidin-Fraktion aus der Braunalge Ascophyllum nodosum mit Heparin im Tierversuch. Kurz nach intravenöser Injektion ermittelten sie die jeweilige Dosis, die eine beim Kaninchen ausgelöste Thrombose verhindert. Mit 1,8 mg/kg Fucoidin traten ebenso wie mit 0,1 mg Heparin 80 Prozent weniger Thrombosen auf. Dabei hielt der antithrombotische Effekt nach der Fucoidingabe doppelt so lange an wie beim Heparin. Die Thrombinzeit war gegenüber Plazebo von 29 auf 72 Sekunden erhöht und auch signifikant länger als nach einer Heparininjektion mit 53 Sekunden.

Ausgangsmaterialreichlich vorhanden

Es ist kein Zufall, dass gerade in Frankreich intensiv an der Erforschung von Stoffen aus der marinen Flora gearbeitet wird. Schließlich liegt der Ozean als reiche Rohstoffquelle vor der Tür. Die Braunalge Ascophyllum ist im nördlichen Atlantik heimisch, an dessen felsigen Küsten die langen braunen Bänder zu sehen sind. Sie wird in großen Mengen industriell verarbeitet und liefert vor allem Verdickungsmittel für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie.

Im Frühjahr soll ein Extrakt aus Ascophyllum nodosum in einem OTC-Produkt (Fagorutin Gel) gegen Venenbeschwerden auf den Markt kommen. Sollten sich die Fucoidine auch in den noch ausstehenden klinischen Studien als gut verträgliche und wirksame Antikoagulanzien erweisen, könnten sie als Nebenprodukt dieser Industrien günstig gewonnen werden.

Auch ihr nicht-tierischer Ursprung ist ein Vorteil gegenüber den Heparinen, bei denen zwar kein Übertragungsrisiko für Viren und Prionen besteht, deren Herkunft aus tierischem Material trotzdem häufig Bedenken auslöst.

Kastentext: Apotheke aus dem Meer

In den Zellwänden der Braunalgen sind Alginsäure und Fucoidine enthalten. Diese komplexen, sulfatierten Polysaccharide quellen in der oberen Hornschicht der Haut auf und stellen aufgrund ihrer hohen Wasserbindungskapazität sehr effektive Moisturizer dar.

Das lösliche Salz Natriumalginat kann durch Bildung unlöslichen Calciumalginats zur lokalen Blutstillung verwendet werden. Alginsäure selbst und auch Calciumalginat werden als Tablettensprengmittel eingesetzt. Lösliche Alginate dienen als viskositätserhöhende Stoffe und als Stabilisatoren für Emulsionen und zur Retardierung der Arzneistoff-Freisetzung aus Peroralia.

Die getrockneten Thalli des Blasentang enthalten bis zu 0,1% Iodid und können zur Stoffwechselsteigerung bei Fettsucht, oft kombiniert mit Laxantia, eingesetzt werden. Wegen der nicht eindeutig belegten Wirkung und der Gefahr der Überdosierung sollte die Droge jedoch nicht mehr angewendet werden.

Quelle

Church F. C. et al.: Antithrombin activity of fucoidan. The interaction of fucoidan with heparin cofactor II, antithrombin III and thrombin. J. Biol. Chem. 264, 3618 – 3623 (1989). Mauray S. et al.: Venous antithrombotic and anticoagulant activities of a fucoidan fraction. Thromb. Haemost. 74, 1280 – 1285 (1995).

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