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Arzneimittel und Therapie
Leitlinien für die klinische Praxis: Interessenkonflikte durch Beziehungen zu
Zuwendungen von Seiten der pharmazeutischen Industrie beeinflussen das Verordnungsverhalten der Ärzte. Noch viel größer dürfte der Einfluss der pharmazeutischen Industrie sein, wenn sie Autoren von Leitlinien für die klinische Praxis finanziell unterstützt. Solche Leitlinien, die sich als Synthese aus bester Evidenz und Experten-Empfehlungen verstehen, können sich auf die Behandlungspraxis sehr vieler Ärzte auswirken.
In der Literatur gab es bislang keine Daten zu möglichen finanziellen Interessenskonflikten von Leitlinien-Autoren. Um die Häufigkeit und Art der Beziehungen zwischen den Leitlinien-Autoren und der pharmazeutischen Industrie festzustellen, wurde eine Querschnitts-Befragung bei Autoren durchgeführt.
Autoren 44 aktueller Leitlinien befragt
Ausgangspunkt waren Leitlinien, die zwischen 1991 und Juli 1999 veröffentlicht worden waren und von großen europäischen oder nordamerikanischen Fachgesellschaften häufiger Erwachsenenkrankheiten gebilligt wurden. Die Leitlinien betrafen zehn wichtige Erkrankungen (Tab. 1). 192 Autoren von 44 Leitlinien wurden in einem ersten Fragebogen gefragt, zu welchen Arzneimittelherstellern sie finanzielle Beziehungen unterhielten und welcher Art diese Beziehungen seien. Autoren, die den ersten Fragebogen beantworteten, wurden in einem zweiten Fragebogen weiter befragt zu:
- Beginn der finanziellen Beziehungen
- finanziellen Beziehungen zu Herstellern von Arzneimitteln, die in der von ihnen erarbeiteten Leitlinie vorkamen
- Erörterung der Beziehungen zur Pharmaindustrie vor der Erarbeitung der Leitlinien
- Einschätzung der Autoren, wie ihre eigenen Beziehungen zur Pharmaindustrie und die ihrer Kollegen die erarbeiteten Behandlungsempfehlungen beeinflussen
100 der 192 angeschriebenen Autoren (52%) beantworteten den ersten Fragebogen. Sie hatten an 37 Leitlinien mitgearbeitet. 82 Autoren füllten auch den zweiten Fragebogen aus.
Mehrheit mit der Industrie "verbandelt"
87% der antwortenden Autoren unterhielten Beziehungen zur pharmazeutischen Industrie (Tab. 2). 58% wurden von der Industrie für ihre Forschung unterstützt, und 38% waren sogar schon als Angestellte oder Berater für pharmazeutische Unternehmen tätig gewesen. Im Mittel hatte jeder Autor zu 10,5 Unternehmen finanzielle Beziehungen. Pro Leitlinie unterhielten durchschnittlich 81% der Autoren finanzielle Beziehungen zu Pharmafirmen.
59% der Autoren hatten sogar Beziehungen zu Herstellern, deren Produkte in der Leitlinie berücksichtigt wurden. 96% von ihnen pflegten solche Beziehungen schon vor der Leitlinien-Erarbeitung, 53% begannen die Beziehungen danach. Nur 7% vermuteten, dass ihre Beziehungen zur Industrie die Behandlungsempfehlungen beeinflussten. Immerhin 19% vermuteten, dass die Industrie-Beziehungen ihrer Kollegen die Empfehlungen beeinflussten.
Firmen-Bindungen werden meist nicht erwähnt
45% der Autoren, die den zweiten Fragebogen ausfüllten, berichteten, dass ihre individuellen Beziehungen zur Pharmaindustrie vor der Erarbeitung der Leitlinien erörtert worden seien. Drei Viertel von ihnen meldeten, dass sich daran alle Mitglieder des Leitlinien-Gremiums beteiligt hatten. 61% von ihnen erklärten, dass die Erörterung ein offizieller Vorgang gewesen sei.
Nur in der Veröffentlichung einer einzigen Leitlinie waren persönliche finanzielle Beziehungen der Autoren zur Pharmaindustrie angegeben. In der Veröffentlichung einer anderen Leitlinie wurde erklärt, dass keine Interessenskonflikte bestanden. In den übrigen 42 Leitlinien fehlte ein Hinweis auf mögliche Interessenskonflikte der Autoren.
Trotz der relativ niedrigen Beteiligungsrate weist die Untersuchung darauf hin, dass viele Leitlinien-Autoren mit der Pharmaindustrie "verbandelt" sind. In dieser Studie bezog die Mehrheit der Autoren sogar Geld von Firmen, deren Produkte in der Leitlinie vorkamen.
Änderungsvorschläge
Autoren mit Beziehungen zur Industrie müssen nicht zwangsläufig von der Leitlinien-Erarbeitung ausgeschlossen werden. Vor der Entwicklung der Leitlinien sollten jedoch alle Beteiligten in einem offiziellen Vorgang ihre Firmen-Bindungen offen legen. Die Gremien selbst sollten entscheiden, wo Interessenskonflikte eine Teilnahme ausschließen. In der Veröffentlichung der Leitlinie sollten die finanziellen Beziehungen einzelner Autoren zur Pharmaindustrie bekannt gegeben werden.
Literatur: Choudhry, N. K., et al.: Relationships between authors of clinical practice guidelines and the pharmaceutical industry. JAMA 287, 612 – 617 (2002).
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