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DAZ aktuell
Leitlinien sozialdemokratischer Gesundheitspolitik: Arzneimittelversorgung im Vi
Schmidt stellte ihre "Leitlinien sozialdemokratischer Gesundheitspolitik" am 11. April bei einer Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) vor. Deutlich wurde, dass die Ministerin nicht zu radikalen Veränderungen ausholen will. Sie plädiert für eine "Reform mit Augenmaß", mit der die Vorteile des solidarischen und leistungsfähigen Gesundheitssystems erhalten bleiben. Allerdings müsse der hohe Mitteleinsatz der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch zu entsprechend guten Ergebnissen in der Gesundheitsversorgung führen.
Eine klare Absage erteilte die Ministerin den Reformideen der Unionsparteien. Diese hatten sich in der letzten Woche dafür ausgesprochen, ein System von Grund- und Wahlleistungen sowie Selbstbehalttarifen einzuführen. "Das bedeutet Privatisierung, Ausgrenzung und belastet die Kassen", erklärte Schmidt.
Die Einnahmenseite der GKV will die Ministerin mit einer Anhebung der Versicherungspflichtgrenze stärken. So sollen junge und gutverdienende Menschen von einer Abwanderung in die privaten Versicherungen abgehalten werden. Von einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Heranziehung anderer Einkommensarten für die Beitragsberechnung, wie es die FES-Experten vorschlagen (siehe Bericht in der DAZ Nr. 15, 2002, S. 1840), hält Schmidt hingegen nichts.
Sanfte Beschneidung der Ärzte-Macht
Auf der anderen Seite will Schmidt den sozialen Wettbewerb stärken: Innovationspotenziale sollen erschlossen und die bestmögliche Versorgung Kranker erreicht werden.
So soll ein unabhängiges "Zentrum für Qualität in der Medizin" Behandlungsleitlinien für die großen Volkskrankheiten formulieren. Auf dieser Grundlage soll der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Fortschreibung des Leistungskatalogs entscheiden. Anders als die Experten der FES, die dafür plädieren, den Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen zu übertragen, will die Ministerin den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht an die Substanz gehen.
Für sie ist die "populäre Forderung nach Zerschlagung der Monopole keine Lösung". Allerdings sollen die Kassen neben den Kollektivverträgen auch Direktverträge mit einzelnen besonders qualifizierten Anbietern schließen können.
Die freie Arztwahl will die Ministerin jedoch keinesfalls antasten. Sie sprach sich auch erneut dafür aus, die Stellung der Hausärzte zu stärken. Versicherte, die sich freiwillig für ihren Hausarzt als "Lotsen" im Gesundheitssystem entscheiden, sollen von den Kassen besondere Tarife angeboten bekommen.
Darüber hinaus will Schmidt die integrierte Versorgung weiter ausbauen: Ärzte dürften "keine Einzelkämpfer" sein, sondern sollten stärker miteinander und den nichtärztlichen Leistungserbringern zusammenarbeiten. Dabei müsse es auch eine stärkere Abstimmung und Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung geben.
Die ärztliche Vergütung müsse sich bei einer solchen Zusammenarbeit ebenfalls ändern: Angelehnt an das neue Vergütungssystem in Krankenhäusern schlägt die Ministerin vor, diagnoseorientierte Fallpauschalen im ambulanten fachärztlichen Bereich und modifizierte Kopfpauschalen im hausärztlichen Bereich einzuführen.
Apotheken im Visier
Mit der elektronischen Patientenkarte auf freiwilliger Basis will Schmidt mehr Transparenz ins Gesundheitswesen bringen. Sie diene nicht nur der Sicherheit der Therapie, sondern auch der Privatautonomie der Patienten, weil sie das Behandlungsgeschehen transparent mache und die Patienten aktiv einbeziehe, so die Ministerin. Nur mit gut informierten Patienten lasse sich das Vertrauen in das System stärken.
Auch die Arzneimittelversorgung soll durchsichtiger werden: Ein unabhängiges Institut soll den Arzneimittelpreis im Verhältnis zum Nutzen bewerten und so "die Spreu vom Weizen trennen". Ein solches Verfahren erhöhe die Wirtschaftlichkeit, lenke die Forschungsanstrengungen der Pharmaindustrie auf "echte" Innovationen und diene einer besseren Information der Ärzte und Patienten, erläuterte Schmidt.
Auch den Apothekern steht einiges bevor: Preisbindung, Vertriebswege, Rabattvorteile und Preisspannenverordnung waren nur einige Punkte, die die Ministerin als "zu überwinden" aufzählte – jedoch ohne dabei ins Detail zu gehen. Bei der hierzu nötigen Entscheidung sei für sie aber "der hohe Verbraucherschutz und die wohnortnahe Versorgung mit Medikamenten von zentraler Bedeutung", betonte die Ministerin.
Prävention stärken
Der Ausbau der Prävention ist ein weiteres zentrales Anliegen der Ministerin. Die Vorsorge soll mithilfe eines speziellen Präventionsgesetzes eine gleichberechtigte Säule neben der kurativen Medizin, der Rehabilitation und der Pflege werden. Doch das bedarf viel Arbeit. Denn die alte Bundesregierung, so Schmidt, habe den gesamten Bereich der Prävention faktisch zerschlagen. Hier zeige sich deutlich: "Einreißen geht schnell und Aufbauen ist mühsam".
Europäische Aspekte
Letztlich warf Schmidt auch einen Blick auf die europäische Situation der Gesundheitspolitik: Das Gesundheitswesen sei zwar einer der größten Märkte der EU, für den auch die Regelungen des Binnenmarktes gelten, in erster Linie habe es jedoch eine soziale Funktion. Daher sei es die politische Aufgabe der Regierung, sicherzustellen, dass diese soziale Verpflichtung durch europäische Marktregelungen nicht in Frage gestellt werde.
Schmidt appellierte an die Gesundheitsminister der EU, eine aktiv gestaltende Rolle zu übernehmen und die Politik nicht allein der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu überlassen. Die Mitgliedstaaten müssten ein Einvernehmen darüber herstellen, welche Aufgaben durch EU-Regelungen nicht beeinträchtigt werden dürften. Hierzu zählen aus Sicht der Ministerin Regelungen zur Finanzierung, zum Ausmaß und Inhalt der jeweiligen Leistung sowie zur Bedarfsplanung im Gesundheitswesen.
Die Reformvorschläge der Ministerin werden voraussichtlich weitgehend in das Wahlprogramm der SPD einfließen, das noch in diesem Monat beschlossen werden soll.
Die neuesten Reformvorschläge von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wollen zwar an den Grundpfeilern des solidarischen System und dem einheitlichen Leistungskatalog nicht rütteln - doch es soll mehr Qualität und Effizienz ins Gesundheitswesen gelangen. Dabei soll auch in der Arzneimittelversorgung einiges bewegt werden: Die Ministerin will die "starren und überholten Strukturen aus dem vorletzten Jahrhundert überwinden", dazu zählt sie etwa die Preisbindung, Vertriebswege, Preisspannenverordnung und Rabattvorteile.
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