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Feuilleton
Botanische Alpenexkursion: Flora der Dolomiten
Geologie
Die Dolomiten sind nach dem Geologen Dieudonné Sylvain Guy Tancrède de Gratet de Dolomieu (1750 – 1801) benannt, der 1790 entdeckte, dass die kalkhaltigen Gesteinsproben aus dem Trentino, wenn sie mit verdünnter Salzsäure benetzt werden, weniger schäumen als sonstige Kalksteine. Der Mineraloge Nicolas Théodore de Saussure (1767 – 1845) fand wenig später heraus, dass dieser Kalkstein hauptsächlich aus Calcium-Magnesium-Carbonat (CaMg[CO3]2) besteht, und gab ihm den Namen Dolomit. Diese Bezeichnung ging dann auf das Gebiet, in dem der Dolomit die Gebirgsmassive bildet, über. Entstanden ist der Dolomit aus Kalksedimenten, die sich vor 200 Millionen Jahren (Trias) in einem warmen, flachen Meer ablagerten. Durch den Magnesiumgehalt des Meeres wurde der Kalk (CaCO3) später zu Dolomit umgewandelt.
Exkursionsgebiet
Das Exkursionsgebiet liegt zu beiden Seiten des Misurinasee (1751 m hoch) zwischen Toblach im Pustertal und Cortina d'Ampezzo. Die Wanderungen führen in die östliche Cristallo-Gruppe und die Cadini-Gruppe. Unterwegs sieht man immer wieder die markanten Drei Zinnen: die Große Zinne (2999 m), die Westliche Zinne (2973 m) und die Kleine Zinne (2856 m). Auf 1750 bis 2550 m Höhe gibt es als hauptsächliche Vegetationsformen
- Fichten- und Buchenwälder,
- Legföhren- und Grünerlengebüsche (Krummholzgürtel),
- Almwiesen und
- steinige Matten.
Oberhalb 2000 m dominieren Geröll- und Schutthalden mit feiner bis grober Körnung und mehr oder weniger senkrechte Felswände. Aus der Ferne glaubt man nicht, dass in dieser Steinwüste überhaupt Pflanzen wachsen können.
Trockenheit und Kalk – eine Herausforderung für Pflanzen
Zwischen Juli und September fallen die meisten Niederschläge. Die Pflanzen erhalten so genügend Feuchtigkeit und sind keinen schädlichen Trockenbelastungen ausgesetzt, wenn sie auf genügend tiefgründigen Böden wachsen. Pflanzen auf flachgründigen Böden müssen dagegen enorme Trockenheit verkraften können, was ihnen u. a. durch Pfahlwurzeln, Kleinwuchs, starke Behaarung oder Wasserspeicherorgane gelingt.
Hohe Konzentrationen an Calcium-Ionen sind für Pflanzen schädlich. Um trotzdem stark kalkhaltige Böden besiedeln zu können, haben einige Pflanzen im Laufe der Evolution eine bestimmte Strategie entwickelt: Sie überführen die im Zellsaft gelösten Calcium-Ionen in unlösliche Verbindungen und lagern sie im Innern der Pflanze ab oder scheiden sie aus. An Steinbrechgewächsen wie Saxifraga paniculata sind die Kalkausscheidungen an den Blättern, speziell an den Blatträndern, deutlich zu erkennen.
Wälder mit üppigem Unterwuchs
In der Krautschicht des Waldes wächst die prächtige Alpen-Waldrebe (Clematis alpina) mit ihren exotisch anmutenden, tiefblauen Blüten. Sie verholzt nicht und ist die einzige echte Liane der Alpen. Ihre bevorzugten Standorte sind nicht nur lichte Lärchen- und Fichtenwälder, wo sie in niedrigen Laubgebüschen rankt. Sie ist ebenfalls im Latschengürtel und in Alpenrosengebüschen zu finden.
Andere Kräuter des Waldes sind u. a.
- Anemone trifolia – Dreiblättriges Windröschen
- Dactylorhiza fuchsii – Fuchs-Knabenkraut
- Daphne mezereum – Gemeiner Seidelbast
- Erica herbacea – Schneeheide
- Geranium sylvaticum – Wald-Storchschnabel
- Lycopodium annotinum – Wald-Bärlapp
- Saxifraga rotundifolia – Rundblättriger Steinbrech Selaginella selaginoides – Alpen-Moosfarn
- Sorbus chamaemespilus – Zwerg-Vogelbeere
- Thalictrum aquilegifolium – Akeleiblättrige Wiesenraute.
An sumpfigen Stellen finden wir die Bach-Nelkenwurz (Geum rivale), das Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) und die Kelch-Simsenlilie (Tofieldia calyculata).
Krummholzgürtel
Das typische "Krummholz" ist die Latsche (Pinus mugo); in ihrer Nachbarschaft wächst zerstreut der Gestreifte Seidelbast (Daphne striata). Seine jungen Triebe sind kahl, die hellroten, nach Flieder duftenden Blüten sind fein längsgestreift.
Weitere Pflanzen des Krummholzgürtels sind
- Coeloglossum viride – Grüne Hohlzunge
- Laserpitium peucedanoides – Haarstrang-Laserkraut
- Orchis mascula – Stattliches Knabenkraut
- Peucedanum osthrutium – Meisterwurz
- Polygala chamaebuxus – Buchsblättrige Kreuzblume oder Zwergbuchs
- Pseudorchis albida – Weißzüngel.
Der Zwergbuchs ist ein flachwüchsiger Halbstrauch aus der Familie der Kreuzblumengewächse (Polygalaceae). Auffällig sind die bis 15 mm langen Blüten, die auf den ersten Blick denen der Schmetterlingsblütler (Fabaceae) ähneln. Dies beruht darauf, dass die zwei seitlichen Kelchblätter stark vergrößert und kronblattartig ausgebildet sind. Die drei übrigen dagegen sind klein und unscheinbar. Von den drei ebenfalls ungleich ausgebildeten Kronblättern sind die beiden oberen gelblichweiß, das untere intensiv gelb.
Bunte Almwiesen
Auf bunten Almwiesen wachsen u. a.
- Bartsia alpina – Alpenhelm
- Biscutella laevigata – Brillenschötchen
- Coeloglossum viride – Grüne Hohlzunge
- Crepis aurea – Gold-Pippau
- Gymnadenia conopsea – Mücken-Händelwurz
- G. odoratissima – Wohlriechende Händelwurz
- Homogyne alpina – Gemeiner Alpenlattich
- H. discolor – Zweifarbiger Alpenlattich
- Leontopodium alpinum – Edelweiß
- Nigritella rhellicani – Schwarzes Kohlröschen
- Pedicularis rostrato-capitata – Kopfiges Läusekraut
- Valeriana saxatilis – Felsen-Baldrian.
Auf nassen Wiesen, vor allem aber in Flach- und Übergangsmooren finden wir das Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris). Es ist wie alle Läusekräuter ein Halbschmarotzer, der in seinen grünen Teilen zwar selbst organische Substanz aufbaut, sich aber aus den Wurzeln benachbarter Pflanzen mithilfe kleiner Saugorgane (Haustorien) Wasser und Nährstoffe verschafft.
Alpine Matten
Auf den alpinen Matten, die nicht gemäht, sondern beweidet werden, wachsen u. a.
- Anemone baldensis – Monte-Baldo-Anemone
- Armeria alpina – Alpen-Grasnelke
- Botrychium lunaria – Gemeine Mondraute
- Erica herbacea – Schneeheide
- Helianthemum alpestre – Alpen-Sonnenröschen
- Papaver rhaeticum – Rätischer Alpenmohn
- Polystichum lonchitis – Lanzen-Schildfarn
- Pulsatilla vernalis – Frühlings-Küchenschelle
- Rhodothamnus chamaecistus – Zwergalpenrose
- Thlaspi rotundifolium – Rundblättriges Täschelkraut.
Die Zwergalpenrose gehört zu einer der wenigen nur auf die Alpen beschränkten Gattungen. Sie hat weder in Europa noch in Asien nähere Verwandte.
An Stellen, die lange von Schnee bedeckt sind, kann man die seltene Alpen-Bärentraube (Arctostaphylos alpinus) finden, einen Frühlingsblüher. Von der häufigen Echten Bärentraube (A. uva-ursi) unterscheidet sie sich durch die grünlichweißen Kronblätter, die blauschwarzen Beeren und die sommergrünen Blätter, die im Herbst ihre charakteristische karminrote Färbung annehmen.
Geröll- und Schutthalden
Die alpinen Matten gehen oft fließend in die Geröll- und Schutthalden über. Hier dominiert der Rätische Alpenmohn (Papaver rhaeticum), der mit seinen großen, prächtigen gelben Blüten farbige Akzente setzt. Mit seinen kräftigen, weitauslaufenden Wurzeln ist er in der Lage, eine starke Stauwirkung auf das Geröll auszuüben und so die rutschenden Gesteinsfluren zu festigen.
Im Gesteinsschutt oder steinigen Rasen findet man auch
- Achillea clavenae – Steinraute
- A. oxyloba – Dolomiten-Schafgarbe
- Hutschinsia alpina – Alpen-Gämskresse
- Minuartia verna – Frühlingsmiere
- Petasites paradoxus – Alpen-Pestwurz
- Primula halleri – Haller-Primel
- P. minima – Zwergprimel
- Ranunculus hybridus – Bastard-Hahnenfuß
- Rumex scutatus – Schildblättriger Ampfer
- Sesleria sphaerocephala – Kugelkopfiges Blaugras
- Thlaspi rotundifolium – Rundblättriges Täschelkraut
- Valeriana supina – Zwerg-Baldrian.
Der Zwerg-Baldrian ist ein Endemit der Ostalpen und in den Dolomiten meist oberhalb 1800 m zu finden. Mit seinen kräftigen Trieben durchwandert er den Felsschutt und trägt so zu dessen Festigung bei. Die hübschen blassrosa Blüten duften angenehm. Sie treten in kleinen Trugdolden aus den Zwischenräumen des Gerölls hervor. Das zartlila blühende Rundblättrige Täschelkraut sichert sich ein Überleben in der Steinwüste durch tief im Geröll verborgene, in den Primärblattachseln liegende Knospen.
Die Alpen-Gämskresse bevorzugt feuchten, kalkreichen Feinschutt. Sie überwintert mit grünen Blättern und weit entwickelten Blütenknospen unter der Schneedecke, um schon bald nach der Schneeschmelze ihre rein weißen Blüten zu entfalten. Aus den zunächst rosettig beblätterten Jungpflanzen entwickeln sich dann vielstängelige, polsterartige Horste.
Etwas unterhalb vom Büllelejoch, 2522 m hoch, wächst der seltene Seguier-Hahnenfuß (Ranunculus seguieri), ein kleiner weißblühender Hahnenfuß mit bis zum Grund zerteilten Laubblättern. Weitere botanische Highlights sind der Dolomiten-Mannsschild (Androsace hausmannii), der unterhalb der Drei Zinnen kleine, wenigblütige Rundpolster bildet, und der Triglav-Enzian (Gentiana terglouensis) am Paternsattel.
Felsköpfe
Vereinzelt ist an den kleinen Felsen die Schopfige Teufelskralle (Physoplexis comosa) zu entdecken. Im Gegensatz zur Gattung Phyteuma bleiben bei Physoplexis die Kronblätter während der gesamten Blühphase nicht nur am Grund, sondern auch an der Spitze verwachsen. Auf den Felsköpfen der Sella di Misurina, 2140 m hoch, wachsen schöne Bestände des Dolomiten-Fingerkrauts (Potentilla nitida). Die Farbskala der Blüten reicht von zartem Hellrosa bis Dunkelrosa. Die seidig behaarten Laubblätter bilden dazu einen schönen Kontrast. Das Hauptverbreitungsgebiet des Dolomiten-Fingerkrauts reicht vom Comersee über die Dolomiten bis in die Steiner Alpen im Osten.
Außerdem besiedelt es zwei kleine Teilgebiete in den Grajischen Alpen und im nördlichsten Apennin. Es besitzt eine kräftige Pfahlwurzel, die tief in vertikale Felsspalten eindringen kann. Untersuchungen von Polstern mit nur sieben Zentimeter Durchmesser haben eine Wurzellänge von über zwei Meter ergeben.
Kasten: Programm und Anmeldung
Die nächste Exkursion in die Sextener Dolomiten findet vom 29. Juni bis 3. Juli statt. Sie umfasst drei volle Wandertage. Die Teilnahmegebühr (ohne Übernachtungskosten) beträgt 150 Euro. Weitere Informationen bei Wolfgang Langer WolfgLanger@t-online.de Anmeldung bei LAK Baden-Württemberg: Fax (07 11) 9 93 47 43
Die Dolomiten in Südtirol und im Trentino beeindrucken nicht nur durch ihre hohen, schroffen Berge und zerklüfteten Täler, sondern auch durch eine abwechslungsreiche Flora. Im Rahmen ihres Fortbildungsprogramms bietet die LAK Baden-Württemberg im kommenden Frühsommer wieder eine botanische Exkursion in dieses Gebiet an. Auf bunten Almwiesen und an nackten Felsen gilt es, viele interessante Pflanzen zu entdecken.
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