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- DAZ 17/2002
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Rechtsprechung aktuell
OLG Hamm: Gute Beratung ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit
Beklagter in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) war ein Apotheker, der mit anderen Apotheken derselben Stadt Gemeinschaftsanzeigen geschaltet hat. Unter der Bezeichnung "Ring-Apotheken", einer Interessengemeinschaft von rund 20 Apotheken, warben die Apotheken unter wechselnder Beteiligung (jeweils fünf bis sieben Apotheken gemeinsam) einmal monatlich in einem Haushaltsblatt.
Geworben wurde für Produkte des Nebensortiments sowie mit einem apothekenspezifischen Beratungsthema unter dem Slogan "Beratung ist unsere Stärke". So wurden etwa Annoncen für besondere Beratungsaktionen wie "Rund um den diabetischen Fuß" oder "Ruhiger und erholsamer Schlaf" veröffentlicht. Die beteiligten Apotheken wurden dabei am Rand der Anzeige aufgezählt. Hinter den Worten "Ring-Apotheken" befand sich ein Sternchenhinweis, der auf eine "Interessengemeinschaft eigenständiger Apotheken" verwies.
Sieg in der zweiten Instanz
Ein nicht an den "Ring-Apotheken" beteiligter Apotheker derselben Stadt hat daraufhin gegen den Beklagten Unterlassungsklage erhoben. Er meint, die Bezeichnung "Ring-Apotheke" sei eine unzulässige Geschäftsbezeichnung, die den Eindruck erwecke, die Apotheken haben sich zu einem Verbund bzw. einer Kette zusammengetan und seien hierin nicht mehr selbständig. Zudem sei der Slogan "Beratung ist unsere Stärke" irreführend, da es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit für Apotheken handle.
Das Landgericht Dortmund hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben. Der werbende Apotheker legte daraufhin beim OLG Berufung ein – mit Erfolg. Die Oberlandesrichter konnten in den beanstandeten Anzeigen weder Verstöße gegen das Berufsrecht noch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) entdecken.
Keine "übertriebene" Werbung
Das OLG sah in der Anzeige zunächst keinen Verstoß gegen das Verbot der sittenwidrigen Werbung, § 1 UWG, in Verbindung mit den Standesregeln der Berufsordnung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (BO), Stand Dezember 1995. Nach der BO ist eine Werbung nicht erlaubt, wenn sie irreführend ist oder nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirkt. Das Werben in Zeitungen war nach der seinerzeit gültigen Berufsordnung verboten. Es bestanden jedoch Ausnahmemöglichkeiten für Einzelwerbung ein Mal im Monat.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Mai 1996, kam das OLG zu dem Schluss, dass die beanstandete Werbung nach ihrem Gesamteindruck nicht als "übertrieben" anzusehen sei. Da der Apotheker auch Kaufmann sei, müsse die Anzeige an den üblichen Werbepraktiken anderer Kaufleute gemessen werden.
Apothekenwerbung sei in der Regel nur noch dann unangemessen, wenn sie anreißerisch auf das Apothekensortiment hinweise und massiv zum Kauf anlocke. In einem solchen Fall stehe zu befürchten, dass das Hauptgewicht der Tätigkeit auf das Randsortiment verlagert und die eigentliche Aufgabe der Arzneimittelversorgung vernachlässigt werde. Um eine solche Werbung gehe es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da hier vorrangig mit Beratungsleistungen geworben werde.
Beratung im Rahmen von Aktionen ist keine Selbstverständlichkeit
Auch der Slogan "Beratung ist unsere Stärke" wurde von den Berufungsrichtern nicht beanstandet. Die Werbeaussage beziehe sich nicht auf allgemein gute Beratungsleistungen, sondern sei im Kontext der jeweils konkret beworbenen Aktion zu sehen. Die Beratungsaktion sei optisch deutlich herausgehoben und Kernaussage der Anzeige. Nur wenn der Hinweis auf die Beratungsstärke eindeutig als Kernaussage der Werbung zu erkennen wäre, könnte man Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit des Slogans haben.
Ebenso wenig sei der Werbespruch eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Grundsätzlich können nämlich auch wahre Werbeaussagen irreführend sein. Das ist etwa der Fall, wenn die beworbene Leistung gesetzlich vorgeschrieben ist, der Verbraucher dies aber nicht weiß. Zwar obliegt allen Apotheken nach § 20 Apothekenbetriebsordnung eine Pflicht zur Beratung und Information. Im vorliegenden Fall gehe es aber gerade nicht darum, dass die Werbung allgemein darauf hinweise, dass bei den "Ring-Apotheken" beraten wird, obwohl dies bei allen Apotheken geschehe, so die Richter. Vielmehr sei der Slogan dahingehend zu verstehen, dass mit einer besonderen, auf die Aktion bezogenen Beratung geworben werde. Diese sei jedoch weder gesetzlich vorgeschrieben noch selbstverständlich. Zudem sei auf den verständigen Verbraucher abzustellen, der einer solchen Aussage keine besondere Bedeutung beimesse, sondern sie lediglich als Aufforderung verstehe, sich von der Beratungsqualität überzeugen zu lassen.
Keine unangemessene Selbstherausstellung
Die Werbung sei weiterhin nicht deshalb unangemessen, weil sich die Apotheken unzulässig selbst herausstellten. Das Wort "unsere" im Slogan sei nicht so zu verstehen, dass damit sämtliche "Ring-Apotheken" gemeint seien, sondern beziehe sich eindeutig nur auf die in der Anzeige genannten Apotheken. Zwar werde die Beratungsstärke der werbenden Apotheker herausgestellt – dies sei jedoch jeglicher Werbung immanent und nicht zu beanstanden. Eine solche Werbung sei nur ausnahmsweise dann unlauter, wenn mit ihr die Betonung einer Abgrenzung und die Herabwürdigung von Konkurrenten hervorgehoben wird. Hier werde aber überhaupt kein Bezug zur Beratungsqualität konkurrierender Apotheken genommen. Auch der Hinweis auf eine "qualifizierte" Beratung unterstreiche zwar die Qualität der eigenen Leistung, besage aber nicht, dass andere Apotheken diese nicht erbringen.
"Ring-Apotheken" sind nicht als Kettenapotheken zu verstehen
Auch einen Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung i.S.d. § 3 UWG vermochte das OLG nicht zu erkennen. Weder bei dem Slogan noch bei der Bezeichnung als "Ring-Apotheken" handle es sich um irreführende Angaben. Die Angaben seien vielmehr objektiv nachprüfbar. Es stehe auch nicht zu befürchten, dass der Verbraucher die Werbeaussagen falsch verstehen könnte. Das Gericht sah sich selbst als angesprochenen Verbraucherkreis an und stellte dabei fest, dass die Bezeichnung "Ring-Apotheken" nicht so aufzufassen sei, dass es sich um einen festen Zusammenschluss mehrerer Apotheken handle, der mit einer besonderen Leistungsstärke im Wettbewerb, insbesondere günstigen Kalkulationsmöglichkeiten, einhergehe. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es sich um einen Beratungsring handle.
Auch das Ring-Symbol in der Werbung lasse bei einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht den Eindruck entstehen, es handle sich um einen festen Zusammenschluss, wie es etwa ein Ehering symbolisiere. Das zeige sich auch dadurch, dass in der Annonce alle beteiligten Apotheken selbständig aufgeführt sind und die Selbständigkeit mit einem Sternchenhinweis nochmals besonders betont wird. Entscheidend sei jedoch, dass die Anzeigen jeweils auf bestimmte Beratungsaktionen abheben, die eindeutig im Vordergrund stünden. Die Werbung könne daher nur so verstanden werden, dass sich verschiedene Apotheken zur Durchführung gemeinsamer Beratungen zusammengefunden haben, also einen Beratungsring bilden. Der Gedanke, es handle sich um einen festen Zusammenschluss mit besonders günstigen Einkaufsmöglichkeiten liege fern, so die Richter.
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