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Arzneimittel und Therapie
Erektionsstörungen: Neue Pillen für die Lust: schneller wirksam und besser verträglich?
Eine erektile Dysfunktion ist definiert als die Unfähigkeit, eine Erektion zu erreichen und/oder aufrecht zu erhalten, die für ein befriedigendes Sexualleben ausreicht. Für sexuelle Funktionsstörungen beim Mann gibt es zahlreiche Ursachen: Mit zunehmendem Alter lässt die Fähigkeit nach, eine ausreichende Erektion zu erzielen. Auch Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und Hypertonie können zu einer erektilen Dysfunktion führen. Besonders gefährdet sind Raucher, und auch Alkohol kann die sexuelle Funktion stören.
Testosteronmangel beeinträchtigt Sexualität
Altern ist ein völlig natürlicher Vorgang. Ab dem 40. Lebensjahr verschlechtern sich die Organfunktionen pro Dekade etwa um 10%. Dieser Vorgang betrifft auch die Sexualorgane. Beim Mann lässt die Hormonproduktion ähnlich wie bei der Frau allmählich nach, und es kommt zu einem Mangel an Testosteron und DHEA. Der Testosteronmangel beeinflusst die Sexualität des älter werdenden Mannes, denn dieses Geschlechtshormon ist für viele zentrale und periphere Vorgänge bei der Erektion notwendig. Testosteron ist zum Beispiel für die Homöostase der kavernösen glatten Muskulatur verantwortlich. Bei einem Hormonentzug oder einer verminderten Hormonproduktion schrumpft der Penis.
Störungen der sexuellen Funktion des Mannes beschränken sich aber nicht nur auf Erektionsstörungen. Noch häufiger ist die Ejaculatio praecox und ein vermindertes Ejakulatvolumen sowie die nachlassende Intensität von Ejakulation und Orgasmus. Viele Männer leiden auch unter Libido- und Erregbarkeitsstörungen.
Diese Probleme werden in der nächsten Zeit immer deutlicher sichtbar werden, denn in den Industrienationen sind in den nächsten 20 Jahren 30% aller Einwohner über 60 Jahre alt. Dabei ist der Wunsch nach Lebensgenuss im Alter höher als jemals zuvor, und Selbstbewusstsein, Körperpflege, Sport und Attraktivität haben einen hohen Stellenwert bei den modernen älteren Menschen.
Umgekehrt beeinflussen Störungen in diesen Bereichen das Wohlbefinden außerordentlich stark: So sind 60% aller depressiven Störungen bei Männern auf Erektionsstörungen zurückzuführen, und die Hälfte aller Männer über 50 leiden an einer Einschränkung ihrer sexuellen Funktion. Dass diese Einschränkung auch im Alter noch als störend empfunden wird, zeigen Umfragen: Immerhin sind noch 71% der über 70-jährigen sexuell auf die eine oder andere Weise aktiv. Allerdings muss nicht jede Impotenz auch behandelt werden, entscheidend ist der Leidensdruck.
Viele weitere Risikofaktoren
Zum steigenden Alter kommen weitere Risikofaktoren für Erektionsstörungen hinzu. Diese Störungen können sogar als frühes Warnzeichen für eine Arteriosklerose angesehen werden, wenn sie auf einer verschlechterten Gefäßfunktion beruhen. Pathophysiologisch besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang das Endothel der Blutgefäße, das Stickstoffmonoxid (NO) und zahlreiche weitere Neurotransmitter bildet.
Fast jeder zweite Patient mit einer erektilen Dysfunktion hat auch ein hohes Risiko für eine koronare Herzkrankheit, und viele Patienten mit Erektionsschwierigkeiten infolge von Durchblutungsstörungen im Penis weisen auch pathologische Veränderungen an den Koronargefäßen auf. Die Risikofaktoren sind dieselben: zu hohe Cholesterinwerte, Hypertonie und Arteriosklerose. Besonders gefährdet sind Diabetiker. Bei den Typ-I-Diabetikern sind bis zum 40. Lebensjahr fast 70% betroffen. Ebenso sind bei Hypertonikern Gefäßschäden und damit auch Erektionsschwierigkeiten häufig: 68,3% aller Männer mit Bluthochdruck haben eine erektile Dysfunktion.
Neben den Problemen an den Gefäßen kann auch die Einnahme von Arzneimitteln gegen die Hypertonie, wie Betablockern und Diuretika, als unerwünschte Wirkung die Erektionsfähigkeit beeinträchtigen. Außer den Antihypertonika können Antidepressiva zu einem Libidoverlust oder zu einer erektilen Dysfunktion führen.
Weitere organische Ursachen für Erektionsstörungen sind Schäden am Nervensystem und am Rückenmark, beispielsweise bei Multipler Sklerose und bei Querschnittslähmungen. Durch diese neurologischen Erkrankungen kann die Reizübertragung vom Gehirn auf den Penis unterbrochen sein.
Überwiegend organische Ursachen
Die erektile Dysfunktion wird trotz dieser Zusammenhänge aber meist nicht als Krankheit angesehen, sondern als Befindlichkeitsstörung definiert und wurde lange Zeit nicht ernst genommen. Männer mit Erektionsstörungen wurden zunächst einmal zum Psychiater geschickt, weil man ihre Probleme als psychogen bedingt abtat. Heute weiß man, dass Erektionsstörungen zum größten Teil organisch bedingt sind. Man rechnet mit 50% rein organischen und 30% gemischten Ursachen, rein psychogen ausgelöst werden wahrscheinlich nur etwa 20%.
Unterschiedliche Therapieformen
Zur Behandlung von Erektionsstörungen stehen mehrere Therapieformen zur Verfügung:
- lokale Therapiemöglichkeiten wie Vakuumpumpen, die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT) mit vasoaktiven Substanzen (Alprostadil, Phentolamin, Papaverin) und die intraurethrale Applikation vasoaktiver Substanzen;
- operative Möglichkeiten wie unterschiedliche Formen von Schwellkörperprothesen und Gefäßoperationen;
- oral einsetzbare Arzneimittel wie das zentral wirksame Apomorphin und das peripher wirksame Sildenafil. Yohimbin ist in der zur Verfügung stehenden Dosierung von 10 bis 15 mg kaum wirksam und kann eher als Plazebo angesehen werden. In wirksamen Dosen ist seine Nebenwirkungsrate zu hoch.
Hemmung der Phosphodiesterase
Der wichtigste Vorgang bei einer Erektion ist die Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur im Penis. Dadurch werden die Gefäße weit, und Blut kann einströmen. Gleichzeitig wird der venöse Ausstrom verhindert, und der Penis schwillt an. Der Botenstoff, der für die Gefäßerweiterung verantwortlich ist, ist NO. Dieses stößt eine Enzymkaskade an, die zum sekundären Botenstoff zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) führt. cGMP wird durch Phosphodiesterasen abgebaut. Heute sind elf Phosphodiesterasen bekannt, die sich in ihrer Funktion und ihrer Gewebeverteilung unterscheiden und unterschiedliche Spezifitäten aufweisen. Im Corpus cavernosum des Penis kommt vor allem die Phosphodiesterase vom Typ 5 (PDE5) vor. Hemmstoffe der Phosphodiesterase verhindern den Abbau von cGMP zum inaktiven GMP und verlängern dadurch die Wirkungen dieses Second messengers in den verschiedenen Geweben.
Als Goldstandard zur Behandlung der erektilen Dysfunktion gilt heute Sildenafil mit mehr als 16 Mio. Anwendern weltweit. Sildenafil ist ein spezifischer Phosphodiesterase-5-Hemmstoff und greift in die Entstehung der Erektion direkt am Penis ein, indem es die relaxierende Wirkung von NO auf den Schwellkörper verlängert.
Weitere Wirkstoffe mit unterschiedlicher Pharmakokinetik
Derzeit werden mehrere weitere PDE5-Hemmstoffe entwickelt und in Phase-III-Studien getestet. Am weitesten fortgeschritten sind Vardenafil und Tadalafil.
Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil sind etwa gleich effektiv und führen ungefähr bei 75% aller Anwendungen zum Erfolg im Vergleich zu Plazebo mit durchschnittlich 30%. Bei der sehr schwer behandelbaren Impotenz als Folge von Diabetes mellitus schnitt Vardenafil in klinischen Studien etwas besser ab als Sildenafil und Tadalafil.
Die drei Substanzen unterscheiden sich in ihrer Pharmakokinetik und in der Nebenwirkungsrate. Am schnellsten flutet Vardenafil an. Maximale Plasmaspiegel werden nach 40 Minuten erreicht, die Wirkung tritt meist innerhalb von 20 Minuten ein. Bei Sildenafil sind maximale Plasmaspiegel 70 Minuten nach der Einnahme erreicht, und auf den Wirkungseintritt muss der Mann etwa 40 Minuten warten. Mit 2 Stunden benötigt Tadalafil am längsten zum Erreichen der maximalen Plasmaspiegel, allerdings tritt die Wirkung auch hier häufig bereits nach 15 bis 30 Minuten ein. Tadalafil wirkt mit seiner extrem langen Halbwertszeit von mehr als 17 Stunden sehr lange, seine Wirkung hält bei 60% der Anwender über 24 Stunden an, was ihm den Beinamen "Wochenend-Pille" eingetragen hat. Sildenafil und Vardenafil haben eine Halbwertszeit von rund 4 Stunden.
Nebenwirkungen sind vergleichbar
Alle PDE-Hemmer sind zwar hoch selektiv, hemmen jedoch immer auch in geringem Ausmaß die PDE6, die am Sehvorgang beteiligt ist. Unerwünschte Wirkungen von Sildenafil sind daher vorübergehende Sehstörungen. Vardenafil hemmt die Phosphodiesterase vom Typ 5 potenter und selektiver als Sildenafil. Am selektivsten wirkt Tadalafil. Tadalafil hemmt aber auch die PDE 11, die in Prostata und Hodengewebe vorkommt. Welche klinische Bedeutung diese Befunde haben, ist heute noch unklar.
Die Nebenwirkungen der PDE5-Hemmer sind vergleichbar und umfassen Kopfschmerzen, Gesichtsrötung, Dyspepsie und verstopfte Nase. Unterschiedlich war in den Vergleichsstudien die Rate dieser unerwünschten Wirkungen. So leiden bei Sildenafil in der 100-mg-Dosierung 30% aller Anwender unter Kopfschmerzen, bei Tadalafil (20 mg) sind dies 23% und bei Vardenafil (20 mg) nur 15%. Auch bei Sodbrennen, Rhinitis und Flush schneidet Vardenafil bisher am besten ab.
Farbsehstörungen scheinen nach den bisherigen Ergebnissen weder bei Vardenafil noch bei Tadalafil aufzutreten. Allerdings wurde in den Vergleichsstudien immer Sildenafil in der höchsten Dosierung von 100 mg mit den anderen beiden Substanzen in einer mittleren Dosierung verglichen. Da die Nebenwirkungen dosisabhängig sind, lässt sich hieraus noch kein Vorteil für die neuen Substanzen ableiten.
Ein weiteres Problem bei der Anwendung der PDE5-Hemmer sind die Kontraindikationen. Diese Substanzen dürfen nicht mit organischen Nitraten und NO-Donatoren eingenommen werden, da bei einer solchen Kombination starke Blutdruckabfälle drohen. Durch die gleichzeitige Einnahme von Cimetidin und Erythromycin sowie anderen Hemmstoffen des CYP3A4-Entgiftungssystems in der Leber können die Plasmakonzentrationen der PDE5-Hemmer erhöht werden. Hier schneidet Tadalafil am schlechtesten ab, denn mit steigender Wirkungsdauer steigt auch die Gefahr von Interaktionen.
Die Phase-III-Studien für die beiden neuen Phosphodiesterasehemmer sind bereits abgeschlossen, und ihre Zulassungen werden ab Mitte 2002 erwartet. Vardenafil wird weltweit gemeinsam von den Firmen Bayer AG und GlaxoSmithKline als Nuviva® eingeführt. Lilly ICOS führt Tadalafil unter dem Warenzeichen Cialis® ein.
Andere Wirkansätze sind denkbar
In der medikamentösen Therapie von Erektionsstörungen sind zahlreiche weitere Ansätze denkbar. So werden neue selektiver wirksame Dopaminagonisten, 5-HT2C(Serotonin)-Agonisten, Melanocortin-Rezeptoragonisten wie Melanotan und Tetrahydroisoquinolone entwickelt. Alle diese Substanzen greifen zentral an und steigern teilweise auch die Libido.
Neue peripher wirkende Stoffgruppen sind noch selektivere PDE5-Inhibitoren, Guanylatcyclase-Stimulatoren und Rho-Kinase-Hemmstoffe. Das Enzym Rho-Kinase bewirkt, dass sich die leichte Kette des Myosins zusammenzieht und der Penis sich kontrahiert. Hemmt man dieses Enzym, kann sich der Muskel entspannen, und der Bluteinstrom wird gefördert.
Quellen: Priv.-Doz. Dr. Theodor Klotz, Weiden; Dr. Erwin Bischoff, Wuppertal; Dr. Ulrike Brandenburg, Aachen; Priv.-Doz. Dr. Jürgen Zombé, Leverkusen; Prof. Dr. Harmut Porst, Hamburg; Prof. Dr. Michael Böhm, Homburg/Saar; Presseseminar "Erektile Dysfunktion: Tatsachen, Therapie und Tabu", Mayschoß im Ahrtal, 15. März 2002, veranstaltet von Bayer Pharma, Leverkusen. Presseinformationen von Lilly ICOS. Sorbera, L. A., et al.: Vardenafil. Drugs of the future 26, 141 – 144 (2001).
Von der Unfähigkeit, eine ausreichende Erektion zu erreichen, sind in Deutschland rund 20% aller Männer zwischen 30 und 80 Jahren betroffen. Mit Sildenafil (Viagra) kam 1998 der erste Phosphodiesterasehemmer zur oralen Behandlung von Erektionsstörungen auf den Markt. Jetzt stehen zwei weitere Vertreter dieser Stoffklasse kurz vor der Zulassung: Vardenafil (vorgesehener Handelsname Nuviva) und Tadalafil (vorgesehener Handelsname Cialis).
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