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- DAZ 18/2002
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Arzneistoffporträt
B. Peterson et al.Naproxen-Natrium - Zur Behandlung
Im April 1999 wurde Naproxen-Natrium als rezeptpflichtiges Analgetikum in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. In den USA ist dieses OTC-Analgetikum seit 1994 auf dem Markt. Seitdem wurden mehr als 13 Milliarden Tabletten verkauft. Auf dem europäischen Markt ist es seit 1998 rezeptfrei erhältlich, unter anderem in Belgien, Italien, den Niederlanden und der Schweiz.
Obwohl Naproxen seit über 20 Jahren in der Rheumatherapie verwendet wird und seit fast 10 Jahren auch als Natriumsalz in der Schmerztherapie mit Erfolg eingesetzt wird, ging es darum, auch in Deutschland Erfahrungen unter Alltagsbedingungen zu sammeln. Über zwei Untersuchungen wird hier berichtet.
Arztselbsttest
In einer ersten Untersuchung wurden Ärzte gebeten, in Form einer Anwendungsbeobachtung bei sich selbst die Wirksamkeit von Naproxen-Natrium bei "leichten bis mittelstarken Schmerzen" über einen Zeitraum von 24 Stunden zu testen. Die Ärzte waren gehalten, die in der Fachinformation vorgegebenen Ein- und Ausschlusskriterien zu beachten. Es handelte sich um Fachärzte für Allgemeinmedizin und Gynäkologen.
584 Ärzte nahmen in diesem Zusammenhang Naproxen-Natrium bei leichten bis mäßig starken Schmerzen und/oder Fieber ein. Sie dokumentierten Wirkungseintritt, die Wirkungsdauer und die Wirkstärke anhand einer visuellen Analogskala. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengestellt.
Es zeigte sich, dass bei der überwiegenden Anzahl der an dieser Selbstbeobachtungsstudie beteiligten Ärzte eine sehr gute oder gute Wirkung beobachtet wurde. Nur einige Wenige waren mit der Wirksamkeit nicht zufrieden. Es zeigte sich darüber hinaus, dass aufgrund der galenischen Formulierung und der Eliminationshalbwertszeit des Wirkstoffes, wie zu erwarten, ein schneller Wirkungseintritt und eine protrahierte Wirksamkeit beobachtet werden konnte. Die demographischen Daten der an der Studie beteiligten Ärzte sind zusammen mit den entsprechenden Daten der in die Anwendungsbeobachtungen eingeschlossenen Patienten in Tabelle 2 dargestellt.
Anwendungsbeobachtung bei Patienten
Von 1527 Allgemeinmedizinern und 328 Gynäkologen wurden insgesamt 7403 Patienten mit für die Selbstmedikation typischen Charakteristika (1,2), d.h. mehr Frauen als Männer, ein Durchschnittsalter von 40 bis 50 Jahren und dem in der Selbstmedikation üblichen Schmerzprofil von Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen und Dysmenorrhö behandelt.
Die Patienten erhielten vom Arzt Naproxen-Natrium gemäß den Vorgaben der Fachinformation, allerdings nur in der für den rezeptfreien Gebrauch zugelassenen Dosierung. Bei etwa 40% der Patienten lag eine Grunderkrankung vor, die allerdings keine Kontraindikation darstellte (therapeutisch gut kontrollierte Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates etc.).
Die meisten Patienten (68%) kamen mit ein bis zwei Dosen pro Tag aus. Die Therapiedauer betrug bei 39% der Patienten maximal 4 Tage. Details der Patientengruppe sind in Tabelle 2 zusammengestellt.
Auch bei diesen Patienten erwies sich Naproxen-Natrium (Aleve®) als sehr gut, gut oder zufriedenstellend wirksam (> 90%). Der Wirkungseintritt erfolgte bei über 70% der Patienten innerhalb der ersten halben Stunde. Die Wirkungsdauer lag bei der Hälfte im Bereich von 8 bis 12 Stunden und steht damit im Einklang mit den in klinischen Studien erhobenen Daten (3,4). Auch hierzu sind Einzelheiten in Tabelle 3 zusammengefasst.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW)
Ärzte und Patienten dokumentierten unerwünschte Arzneimittel-wirkungen. Sie sind in Tabelle 4 dargestellt.
Insgesamt war die Inzidenz von unerwünschten Arzneimittelwirkungen etwa gleich hoch bei Ärzten (4%) und Patienten (2%). Im Vordergrund standen milde Beschwerden des Gastrointestinaltraktes (ca. 60%). Dazu wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen aus dem Bereich des Nervensystems beobachtet. Es handelt sich um milde Reaktionen wie Nausea und Schwindel. Überempfindlichkeitsreaktionen traten auf, waren aber insgesamt sehr selten (< 0,1% der Patienten). Einzelfälle von Kreislaufbeschwerden und Ödembildungen wurden berichtet, ernsthafte, unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten nicht auf.
Fazit
Die in Deutschland durchgeführten Anwendungs-/(Selbst-)-Beobachtungsstudien bei Ärzten und Patienten mit Naproxen-Natrium in niedriger, analgetischer Dosierung zeigten, dass Naproxen-Natrium ein wirksames Mittel bei "leichten bis mäßig starken Schmerzen" ist, das sich durch einen schnellen Wirkungseintritt und durch eine protrahierte Wirksamkeit auszeichnet.
Die zuverlässige und vollständige Elimination, die auf bekannte, unerwünschte Arzneimittelwirkungen begrenzten Risiken und das fehlende Missbrauchspotenzial bei klaren Indikationen und Kontraindikationen machen Naproxen-Natrium zu einem in der Selbstmedikation insbesondere bei protrahierten Kopfschmerzen, anhaltenden Muskel- und Gliederschmerzen sowie bei Dysmenorrhö besonders geeigneten Analgetikum (5,6).
Literatur
[1] Bellach B-M et al. (2000) Epidemiologie des Schmerzes – Ergebnisse des Bundes-Gesundheitssurveys 1998. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 43: 424 – 431, Springer Verlag [2] GPI medic scope: Age split for OTC analgesics buyers 1998 – 1999. [3] Kiersch TA et al. (1993) A double-blind randomised study of naproxen sodium, ibuprofen and Plazebo in postoperative dental pain. Clin Ther 15: 845 – 854. [4] Fricke JR et al (1993) Efficacy and safety of naproxen sodium and ibuprofen for pain relief after oral surgery. Curr Ther Res 54: 619 – 627. [5] DeArmond B et al (1995) Safety profile of over-the-counter naproxen sodium. Clin Ther 17: 587 – 601. [6] Bansal V et al (2001) A look at the safety profile of Over-The-Counter Naproxen Sodium: a metaanalysis. J Clin Pharmacol 41: 127 – 136.
Interview: Neue Alternative bei leichten bis mäßigen Schmerzen
Seit März steht mit Naproxen-Natrium (Aleve®) ein weiteres Präparat für den OTC-Verkauf zur Verfügung, wodurch die Auswahl für das "richtige" Mittel gegen Fieber, Kopf- und Rückenschmerzen noch größer wird. Wir sprachen mit Prof. Dr. Dr. h. c. Kay Brune vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Erlangen-Nürnberg.
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Herr Prof. Dr. Brune, brauchen wir ein neues Analgetikum?
Brune:
Gemessen an der Anzahl der Markennamen, leidet der deutsche, rezeptfreie Analgetikamarkt weniger an Mangel, denn an Überfluss. Wenn man genau hinschaut, sieht man allerdings, dass es nur wenige, gut untersuchte, klinisch erprobte und sicher wirksame Reinsubstanzen gibt: Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol und Propyphenazon/Phenazon. Sie zeigen unterschiedliche Vor- und Nachteile, unterschiedliche pharmakokinetische Eigenschaften und unterschiedliche Kontraindikationen. Hier eine neue Substanz zusätzlich zur Verfügung zu haben, erweitert das Spektrum der Möglichkeiten und ist dadurch zumindest für einige Patienten von Vorteil.
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Was bietet Aleve den Patienten?
Brune:
Aleve ist das Natriumsalz des S(+)-Naproxen. Es handelt sich damit um das erste chiral reine Propionsäurederivat auf dem deutschen rezeptfreien Markt. Die Wirkung ist dem Ibuprofen vergleichbar, der Wirkungseintritt oft schneller, die Wirkungsdauer länger.
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Wie unterscheiden sich die OTC-Analgetika hinsichtlich ihrer Halbwertszeit?
Brune:
Die pharmakokinetischen Eigenschaften sind generell Schwachstellen der im rezeptfreien Gebrauch befindlichen analgetischen Wirkstoffe: der Hauptmetabolit der Acetylsalicylsäure, die Salicylsäure, wird bei höherer Dosierung nur sehr langsam nach einer Kinetik 0. Ordnung ausgeschieden. Phenazon zeigt eine sehr variable Eliminationshalbwertszeit zwischen fünf und 25 Stunden. Ibuprofen besteht aus dem R- und dem S-Enantiomer. Das R-Enantiomer wird unterschiedlich schnell in das aktivere S-Enantiomer umgewandelt. Im Rahmen dieses Umwandlungsprozesses kommt es zur Sequestrierung von kovalent gebundenem R-Ibuprofen ins Fettgewebe.
Ob diese Sequestrierung und damit auch Akkumulation für die relativ häufige Inzidenz von leichten, allergischen Reaktionen nach Ibuprofen von Bedeutung ist, bleibt umstritten. Naproxen hingegen zeigt eine zuverlässige mittellange Eliminationshalbwertszeit, die länger ist als die von S-Ibuprofen aber kürzer als diejenige von R-Ibuprofen und seines aktiven Metaboliten S-Ibuprofen.
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Wie ist Naproxen-Natrium versus Naproxen zu bewerten?
Brune:
Salze von Propionsäuren gehen mit einer beschleunigten Absorption einher. Insofern ist bei der Therapie akuter Schmerzen, wie im rezeptfreien Gebrauch üblich, das Natriumsalz vermutlich von Vorteil.
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Wie gut ist die gastrointestinale Verträglichkeit?
Brune:
In niedriger, analgetischer Dosierung sind Arylpropionsäuren gastrointestinal eher besser verträglich als Acetylsalicylsäure. Nach den vorliegenden Unterlagen ist das Risiko, an gastrointestinalen Blutungen zu erkranken, für Ibuprofen und Naproxen in der frei verkäuflichen Dosierung gleich.
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Ein OTC-Analgetikum mit lang anhaltender Wirkung – ist das nicht ein Widerspruch?
Brune:
Manche, in der Selbstmedikation behandelten Schmerzzustände bedürfen keiner protrahierten Elimination. Dieses gilt allerdings nicht für phasisch auftretende länger anhaltende Schmerzen wie z. B. bei Dysmenorrhö oder Sportverletzungen. Hier kann eine langsame Elimination mit reduzierter Einnahmefrequenz und verlängertem Einnahmeintervall von Vorteil sein. Werden die Tagesdosierungen eingehalten, ergeben sich keine Nachteile. Außerdem sind Salicylate, R(–)-Ibuprofen und Phenazon unter Umständen länger im Körper vorhanden.
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Wann sollte der Apotheker Naproxen-Natrium empfehlen?
Brune:
Besser wäre es zu sagen, wann der Apotheker Naproxen-Natrium nicht empfehlen sollte. Hier ist es wichtig, auf die Kontraindikationen hinzuweisen: Atemwegserkrankungen wie Asthma, bestehende Blutgerinnungsstörungen, vorbestehende Ulcerationen, Schwangerschaft, Niereninsuffizienz, instabiler Blutdruck. Bei all diesen Patienten sollte der Apotheker auch Naproxen nicht empfehlen, sondern den Kunden an den Arzt verweisen.
Insgesamt erweist sich Naproxen-Natrium als ein modernes gut untersuchtes, hinsichtlich seiner Vor- und Nachteile bestens bekanntes, vielseitig einsetzbares Schmerzmittel für die Selbstmedikation.
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Herr Professor Brune, wir danken Ihnen für das Gespräch!
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