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Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung: Keine Entwarnung in der Drogen- un

BERLIN (ks). Von einer Trendumkehr beim Drogenkonsum in Deutschland möchte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, nicht sprechen. Der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung, den sie am 6. Mai in Berlin vorstellte, enthält zwar manche positive Botschaft Ų doch eins sei klar, so die Drogenbeauftragte: Es gibt noch viel zu tun. So ist die Zahl der Drogentoten 2001 im Vergleich zum Vorjahr um 9,6 Prozent auf 1835 gesunken. Gleichzeitig ist jedoch der Konsum der Party-Droge Ecstasy um elf Prozent gestiegen. Probleme bereitet zudem das Suchtverhalten junger Aussiedler.

Das größte Problem sieht Caspers-Merk allerdings in den legalen Drogen Alkohol und Tabak. Es sei zwar erfreulich, dass der Alkoholkonsum pro Kopf sinke und die Zahl der Nicht-Raucher steige – andererseits erhöhe sich aber die Zahl jugendlicher Raucher. Auch seien in Deutschland insgesamt 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig, 2,65 Millionen missbrauchten Alkohol.

Im vergangenen Jahr starben 40 000 Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs. Jeder vierte Todesfall bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren stehe in Europa im Zusammenhang mit einem alkoholbedingten Verkehrsunfall.

Ausbau der Prävention

Caspers-Merk setzt in ihrer Drogen- und Suchtpolitik vor allem auf einen Ausbau der Prävention. Menschen gar nicht erst süchtig werden zu lassen, ist das erklärte Ziel der Drogenbeauftragten. "Es muss ≠cool' sein, Nein zu sagen", erklärte Caspers-Merk. Eine Kultur des Hinguckens müsse entwickelt werden, denn jedes fünfte Bett in deutschen Krankenhäusern sei ein "Suchtbett" – Grund genug, Maßnahmen zu entwickeln, die früher greifen.

So wurde beispielsweise ein Wettbewerb zur kommunalen Suchtprävention ausgelobt, dessen Gewinner Ende Juni dieses Jahres bekannt gegeben werden. Auch der Vertrag zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und der Tabakindustrie, wonach sich die Zigarettenindustrie zur Bereitstellung von 11,8 Milliarden Euro für Präventionsmaßnahmen in den kommenden fünf Jahren verpflichtet hat, ist für Caspers-Merk ein Schritt in die richtige Richtung.

Weiterhin wurde z. B. das Internetportal www.drugcom.de eingerichtet, das sich an Jugendliche aus der Party- und Technoszene richtet und über Partydrogen informiert.

Verbesserungen in der Therapie und Überlebenshilfe

Neben der Prävention steht die Drogenpolitik der Bundesregierung auf drei weiteren Säulen: Therapie, Überlebenshilfe sowie Repression und Angebotsreduzierung. Die Therapie in Deutschland verzeichne zwar Erfolge, Verbesserungen sind aber auch hier nötig, so die Drogenbeauftragte. So sei vor allem die Verzahnung ambulanter und stationärer Therapien noch nicht optimal. Zu viele Therapien erfolgten zudem rein stationär, obwohl ambulante Behandlungen die Reintegration verbessern könnten.

Dass es 2001 wieder weniger Drogentote gab, schreibt Caspers-Merk u. a. dem Modell "heroingestützte Behandlung" und der Einrichtung von Fixerräumen zu. Auch die Substitution bei Opiatabhängigen schreite voran: mittlerweile werden rund 50 000 Abhängige substituiert. Die Regierung will sowohl die substitutionsgestützte als auch die drogenfreie Therapie für Heroin-Abhängige weiter ausbauen.

Problemgruppen

Besonderes Augenmerk will Caspers-Merk auf einzelne Problemgruppen richten: So seien Jugendliche aus der Techno-Szene einem zehnfach höheren Risiko ausgesetzt, mit synthetischen Drogen in Berührung zu kommen. Hier müsse der Dialog fortgesetzt und neue Wege gefunden werden. Auch jugendliche Aussiedler, die häufig mehrere Drogen exzessiv konsumieren, sollen durch niedrigschwellige Beratungsangebote besser erreicht werden.

Hierzu wurde u. a. Informationsmaterial in russischer Sprache entwickelt. Die Drogenbeauftragte sorgt sich zudem um die Kinder suchtkranker Eltern: Allein 1,8 bis 2 Millionen Kinder unter 18 Jahren müssen mit der Alkoholabhängigkeit eines oder beider Elternteile leben.

Untersuchungen zufolge laufen 30 Prozent der Kinder suchtkranker Eltern ebenfalls Gefahr suchtkrank zu werden. Weiterhin will Caspers-Merk die Arzneimittelabhängigkeit stärker thematisieren. Obwohl eine Vielzahl von Menschen – vor allem Frauen – hiervon betroffen sind, halte sich die öffentliche Aufmerksamkeit noch in Grenzen.

Aktionsplan Drogen und Sucht

Im Mittelpunkt ihrer diesjährigen Arbeit, so die Drogenbeauftragte, stehe die Entwicklung eines "Aktionsplans Drogen und Sucht". In diesen Plan soll es u. a. um die Verankerung der vier Säulen der Drogen- und Suchtpolitik gehen. Zudem sollen legale Suchtmittel und ihre Risiken mehr Berücksichtigung finden und europäische Entwicklungen in nationale Maßnahmen einbezogen werden.

Internationale Vereinbarungen sollen zudem zu einer Angebots- und Nachfragereduzierung führen. Caspers-Merk erklärte abschließend, die 1998 in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Maßnahmen seien in der rot-grünen Regierungszeit umgesetzt worden. Dennoch: Eine erfolgreiche Drogen- und Suchtpolitik bleibe eine gesamtgesellschaftliche und politische Herausforderung, so die Drogenbeauftragte.

Union: rot-grüne "Verharmlosungspolitik"

Bei der Union erntete der Drogen- und Suchtbericht Kritik: Der drogenpolitische Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hubert Hüppe bemängelte, es würden zwar aktuelle Fragen aufgeworfen, jedoch keine Antworten bereit gehalten. Er warf der Regierung eine "Verharmlosungspolitik" gegenüber Rauschgiften vor.

Hüppe zweifelt insbesondere am rot-grünen Konzept der Überlebenshilfe: Weder das Heroinprojekt noch Fixerstuben seien ursächlich für den Rückgang der Todesfälle – weniger Tote gebe es vor allem in Bundesländern, die sich an derartigen Projekten nicht beteiligen. Hüppe: "Seit Jahren ergeht sich die Drogenbeauftragte in der Diagnose und in Ankündigungen, während das meiste Geld in das Heroinprojekt gesteckt wird".

Die FDP zeigt sich hingegen mit der Arbeit der Drogenbeauftragten zufrieden. Insbesondere sei zu unterstützen, dass Caspers-Merk – anders als Bündnis90/Grüne – vor einer "Bagatellisierung" des Cannabis-Konsums warnt, erklärte die liberale Bundestagsabgeordnete Maritta Sehn. Es könne nicht angehen, dass Nikotin und Alkohol auf der einen Seite dämonisiert und illegalisiert werden, der Cannabis-Konsum hingegen gefördert werde.

Kastentext

Der Drogen- und Suchtbericht ist im Internet unter www.bmgesundheit.de/themen/drogen/drogen.htm als pdf-Datei abrufbar.

Von einer Trendumkehr beim Drogenkonsum in Deutschland möchte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, nicht sprechen. Der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung, den sie am 6. Mai in Berlin vorstellte, enthält zwar manche positive Botschaft - doch eins sei klar, so die Drogenbeauftragte: Es gibt noch viel zu tun. So ist die Zahl der Drogentoten 2001 im Vergleich zum Vorjahr um 9,6 Prozent auf 1835 gesunken. Gleichzeitig ist jedoch der Konsum der Party-Droge Ecstasy um elf Prozent gestiegen. Probleme bereitet zudem das Suchtverhalten junger Aussiedler. 

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