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- DAZ 19/2002
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Gefahrstoffrecht
Steroide in der Rezeptur
Die Androgene, Anabolika, Östrogene und Gestagene wurden als krebserzeugend Kategorie 3 (Carc. Cat. 3 = Verdacht auf krebserzeugende Wirkung) eingestuft; d. h., die Standgefäße in der Apotheke bis zu einem Inhalt von 1 kg müssen nur mit dem Andreaskreuz und der Gefahrenbezeichnung "Gesundheitsschädlich" gekennzeichnet werden, die Lieferantengefäße zusätzlich mit dem R-Satz R 40 "Irreversibler Schaden möglich". Dieser R-Satz R 40 lautet ab 30. Juli 2002 "Verdacht auf krebserzeugende Wirkung"; er darf schon jetzt so bezeichnet werden.
Reproduktionstoxische Steroide
Überraschend für den Apotheker ist, dass der AGS einige Steroide zudem als reproduktionstoxisch (= fortpflanzungsgefährdend, Kategorie 1, abgekürzt: Repr. Cat. 1) eingestuft hat (siehe Tab. 1). Nach Anhang VI Nr. 4.2.3 Richtlinie 67/548/EWG sind reproduktionstoxische Stoffe der Kategorie 1 wie folgt definiert: "Stoffe, die beim Menschen die Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) bekanntermaßen beeinträchtigen."
Dabei wird bei den Gefahren zwischen Männern und schwangeren Frauen unterschieden (Abkürzungen RF und RE): RF = Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes. RE = entwicklungsschädigend (fruchtschädigend) für das Kind im Mutterleib.
Nach der TRGS 905 gefährden folgende Steroide die Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes: Androgene, Anabolika, Östrogene und Gestagene. Entsprechend sind für das Kind im Mutterleib Glucocorticoide fruchtschädigend (entwicklungsschädigend).
Standgefäße mit diesen reproduktionstoxischen Stoffen müssen in der Apotheke mit dem Totenkopf und der Gefahrenbezeichnung "Giftig" gekennzeichnet werden, die Lieferantengefäße je nach Einstufung zusätzlich u. a. mit den R-Sätzen R 60: Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. R 61: Kann das Kind im Mutterleib schädigen. R 62: Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen. R 63: Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen.
Beispiel: Triamcinolonsalbe
Apotheken, die Verdünnungen von Steroiden, z. B. Verreibungen von Triamcinolonsalben, in der Rezeptur vorrätig halten, müssen auch diese (richtig) kennzeichnen. Grundlage dafür ist die Zubereitungs-Richtlinie 88/379/EWG, Anhang I, Tabelle VI: Einstufung von Zubereitungen mit krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Wirkungen (hier: Tab. 2).
Daraus ergibt sich z. B. für eine 5%ige Triamcinolonsalbenverreibung (Triamcinolon ist ein Glucocorticoid, daher RE = Kategorie 1) die Kennzeichnung des Standgefäßes mit dem Totenkopf und der Gefahrenbezeichnung "Giftig". Der "zwingend" vorgeschriebene R-Satz R 61 kann in der Apotheke auf Standgefäßen bis 1 kg gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 2 Gefahrstoffverordnung entfallen.
An dieser Stelle muss deutlich gemacht werden, dass sich diese Einstufung nur auf den Arbeitsschutz bezieht*. Denn es ist ein Unterschied, ob jemand bei der Herstellung einer Triamcinolonsalbe Triamcinolonacetonid-Staub in relativ großen Mengen einatmet oder ob ein Patient diese Salbe in starker Verdünnung anwendet. Entscheidend ist, wie so oft in der Pharmazie, die aufgenommene Dosis. Auch hier gilt der bekannte Satz von Paracelsus: Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.
Umgang mit Gefahrstoffen
Die Einstufung der Steroide als fortpflanzungsgefährdend hat zur Folge, dass auch in der Apotheke im Hinblick auf den Schutz der Mitarbeiter die Umgangsvorschriften der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) genau beachtet werden müssen.
Umgang ist nach § 3 Abs. 2 GefStoffV das Herstellen einschließlich Gewinnen oder das Verwenden von gefährlichen Stoffen. Zum Verwenden gehören nach § 3 Abs. 10 Chemikaliengesetz (ChemG) das Gebrauchen, Verbrauchen, Lagern, Aufbewahren, Be- und Verarbeiten, Abfüllen, Umfüllen, Mischen, Entfernen, Vernichten und das innerbetriebliche Befördern. Diese Umgangsvorschriften der Gefahrstoffverordnung gelten bei der Herstellung von Arzneimitteln mit gefährlichen Stoffen sowohl in der Apotheke als auch in der Pharmaindustrie.
Daraus ergibt sich für den Apothekenleiter, in dessen Apotheke z. B. eine Triamcinolonsalbe hergestellt wird, dass er im Hinblick auf den Schutz seiner Mitarbeiter die o. g. Umgangsvorschriften der Gefahrstoffverordnung beachten muss. Er muss vor der Verwendung von Ausgangsstoffen ermitteln, ob es sich bei diesen um Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften im Sinne § 3a ChemG handelt, und dann die Standgefäße richtig kennzeichnen lassen.
Wichtige Informationen zu den gefährlichen Stoffen entnimmt man dem Sicherheitsdatenblatt, das den Apotheken vom Hersteller oder Inverkehrbringer bei der ersten Lieferung kostenlos mitgeliefert werden muss (§ 14 GefStoffV).
Außerdem muss der Apothekenleiter nach § 16 Abs. 3a GefStoffV den Namen des Stoffes, seine Einstufung (Symbol, Gefahrenbezeichnung und R-Sätze) sowie die in der Apotheke vorhandene Menge und den Arbeitsbereich (z. B. Rezeptur oder Labor) in das Gefahrstoffverzeichnis eintragen.
Arbeitsplatzbezogene Betriebsanweisung
Mithilfe des Sicherheitsdatenblatts muss er dann nach § 20 GefStoffV eine arbeitsplatzbezogene Betriebsanweisung erstellen (Beispiel siehe Abb. 1). Darin muss auf die mit dem Umgang verbundenen Gefahren sowie auf die erforderlichen Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln und auf die sachgerechte Entsorgung entstehender Abfälle hingewiesen werden.
Die Betriebsanweisung muss ferner Anweisungen über das Verhalten im Gefahrfall und über Erste-Hilfe-Maßnahmen enthalten. Die Mitarbeiter müssen mindestens einmal jährlich mündlich und arbeitsplatzbezogen anhand der Betriebsanweisung über die auftretenden Gefahren sowie über die Schutzmaßnahmen unterwiesen werden. Inhalt und Zeitpunkt der Unterweisung sind vom Unterwiesenen gegen Unterschrift zu bestätigen.
Bei der Herstellung der Triamcinolonsalbe ist ferner der § 19 GefStoffV zu beachten. Danach ist das Arbeitsverfahren so zu gestalten, dass Schwebstoffe dieses Stoffes nicht frei werden; das ist in der Apotheke am besten dadurch zu erreichen, dass die Salbe oder eine Verreibung unter dem Abzug hergestellt wird. Zum Schutz vor Hautkontakt sind Schutzhandschuhe zu tragen; welche Art von Schutzhandschuhen sich für diese Tätigkeit eignet, entnimmt man dem Sicherheitsdatenblatt. Viele Apotheker glauben noch immer, dass die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung für die Herstellung von Arzneimitteln nicht gelten. Das ist, wie hier gezeigt werden sollte, ein Irrtum.
Für wie wichtig der Gesetzgeber diese Vorschriften hält, ergibt sich aus den hohen Geldbußen von 50 000 Euro bei den Bußgeldvorschriften und den hohen Strafen bei den Strafvorschriften des Chemikaliengesetzes; von der Schadensersatzpflicht ganz zu schweigen. Soweit darf es aber nicht kommen!
Krebserzeugende Stoffe Kategorie 3, Carc. Cat. 3
Stoffe, die wegen möglicher krebserregender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben, über die jedoch nicht genügend Information für eine befriedigende Beurteilung vorliegen. Aus geeigneten Tierversuchen liegen einige Anhaltspunkte vor, die jedoch nicht ausreichen, um einen Stoff in Kategorie 2 einzustufen. R 40: Irreversibler Schaden möglich**
Reproduktionstoxische Stoffe, Repr. Cat. 1 bis 3
Repr. Cat. 1
Repr. Cat. 2
Repr. Cat. 3
Fußnoten * Die Begründung für die Einstufung der Steroide findet man im Bundesarbeitsblatt 1999, Heft 9, Seite 72 ff. und im Internet unter www.baua.de/prax/. Das Bundesarbeitsblatt erscheint im Kohlhammer Verlag, 70549 Stuttgart.
** Dieser R-Satz lautet ab 30. Juli 2002 "Verdacht auf krebserzeugende Wirkung".
Literaturtipps
Hörath, Helmut Gefährliche Stoffe und Zubereitungen. Gefahrstoffverordnung – Chemikalien-Verbotsverordnung – Richtlinien der europäischen Gemeinschaft. Eine Einführung in die Gesetzes- und Gefahrstoffkunde, zugleich eine Vorbereitung auf die Sachkundeprüfung 6., völlig neu bearb. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2002. 712 S., 27 Abb., 54 Tab., kt. 7 39,– ISBN 3-8047-1850-7
Hörath, Helmut Gefahrstoffverzeichnis nach § 16 Abs. 3 a Gefahrstoffverordnung mit Hinweisen zur Einstufung und Kennzeichnung apothekenüblicher gefährlicher Stoffe und Zubereitungen 4. Aufl. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2001. 80 S., 1 Abb., 8 Tab., kt. 7 16,50 ISBN 3-7692-2976-2
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