Pharmakognosie

W. SchierVerfälschung von Arnika durch Alant-Arten

Gelb blühende Korbblütler dominieren im Sommer in höheren Lagen viele Wiesen. Ihre Identifizierung ist meistens nur von botanischer Bedeutung, jedoch gibt es hier zumindest eine gewichtige Ausnahme: Der offizinelle Berg-Wohlverleih (Arnica montana) ist leicht mit verschiedenen Alant-Arten (Inula spp.) zu verwechseln. Zur Identitätsprüfung sind hier die klassischen Methoden der Pharmakognosie immer noch relevant. In einem ersten Beitrag1 wurden die morphologischen Merkmale der Blütenstände, Stängel und Blätter aufgelistet, an denen man die fraglichen Arten unterscheiden kann. In diesem zweiten Teil folgen nun die Tabellen mit den anatomischen Merkmalen. Zuvor sei jedoch auf die Bedeutung des Mikroskopierens für die Arzneimittelsicherheit und damit auch für die Apotheke hingewiesen.

DC ersetzt nicht das Mikroskop

Während die Qualität einer Droge durch chromatographische und chemische Methoden beurteilt werden kann, wird sich damit nur in seltenen Fällen eine sichere Aussage über die Identität machen lassen. Dafür ist eine sorgfältige mikroskopische Untersuchung unbedingt erforderlich. Die entsprechenden Methoden werden zwar im Laufe des Pharmaziestudiums vermittelt, geraten aber später in der Praxis mehr und mehr in Vergessenheit.

Die Meinung ist weit verbreitet, dass man im Apothekenalltag auf das Mikroskopieren verzichten könne. Man habe ohnehin nur wenig Zeit, und ein Blick in den Beutel und ein Rieselnlassen durch die Finger genüge vollauf. Man habe ja schließlich seine Erfahrung. (Der Autor hat jahrelange Apotheken-Praxis und kennt diese Einstellung aus eigener Erfahrung.) Wer dieser Meinung ist, sollte einmal an die Folgen denken, wenn eine giftige Verunreinigung oder Verfälschung nicht erkannt wird und ein Patient Schaden erleidet.

Atropin-Vergiftung durch verunreinigten Tee

Hier sei ein Vorfall aus der Schweiz berichtet [1] und zum Teil wörtlich zitiert: Eine 57-jährige Frau hatte, wie jeden Morgen, drei Sorten "Gesundheitstee" zu sich genommen. Einige Stunden später traten Vergiftungserscheinungen auf, die auf eine Atropin-Vergiftung schließen ließen. Eine Einnahme eines Atropin-haltigen Medikamentes lag nicht vor.

Weiter heißt es wörtlich: "Es stellte sich heraus, dass die Patientin, wie allmorgendlich auch an dem Erkrankungstag, drei Sorten von 'Gesundheitstee' zu sich genommen hatte: Zinnkraut-, Frauenmantel- und Brennnesseltee. Eine Untersuchung der angebrochenen Packungen ergab bei den Proben von Frauenmantel- und Zinnkrauttee keine Auffälligkeiten. Hingegen fanden sich in der Probe des Brennnesseltees [Firmenname] neben getrockneten grünen Blättern der Brennnessel auch Fremdbestandteile, wie Insekten und einige Blattstücke der Tollkirsche (Atropa bella-donna). In einer zum Vergleich gezogenen Probe derselben Teesorte mit einer anderen Chargennummer konnten keine toxischen Verunreinigungen festgestellt werden."

Wäre die betreffende Brennnessel-Charge nur chromatographisch untersucht worden, hätte man im DC zwar Flecken gefunden, die nicht zur echten Droge gehören, man hätte aber nur sagen können, dass die Droge eine Verunreinigung enthält. Bei einer mikroskopischen Untersuchung hätte man aber sofort erkannt, dass hier Blätter der Tollkirsche vorliegen, und diese Charge wäre sofort aus dem Handel gezogen worden. Der Patientin wären alle Unannehmlichkeiten (Untersuchungen, medikamentöse Behandlung, Krankenhaus-Aufenthalt) erspart geblieben.

Aus diesem Beispiel geht die Wichtigkeit mikroskopischer Untersuchungen eindeutig hervor. Es ist absolut unverständlich, dass seinerzeit, als in der ehemaligen DDR eine neue Ausgabe des Arzneibuches in Arbeit war, der Vorschlag gemacht wurde, die anatomischen Beschreibungen der Drogen wegzulassen, da sie überflüssig seien und man jetzt bessere Methoden habe. Zum Glück siegte der Sachverstand: Die Drogenbeschreibungen wurden doch aufgenommen.

Herbar als Hilfe

Was aber tun, wenn es sich um eine Droge handelt, die nicht im Arzneibuch steht, wie es hier bei den Alant-Arten der Fall ist? Bei heimischen Pflanzen ist es der beste Weg, sich an einer Vergleichspflanze zu orientieren; das kann auch eine Herbarpflanze sein, denn die anatomischen Merkmale bleiben weitgehend erhalten, auch wenn die Farben verblassen.

Alte Fachliteratur

Es gibt aber auch alte – zum Teil über hundert Jahre alte – Literatur, die man sich über die Fernleihe beschaffen kann. Um solche zu finden, braucht man nur die Literaturverzeichnisse der vorhandenen Fachbücher durchzusehen. Dort wird man mit Sicherheit auf alte pharmakognostische Lehrbücher stoßen. Es seien hier etliche genannt: Berger, Flückiger, Gilg-Brandt, Koch, Moeller, Tschirch, Tschirch-Oesterle, Vogl, Wasicky, Wigand, Wiggers, Zörnig [2 – 14].

Auch alte Dissertationen und sonstige Veröffentlichungen [15 – 21] können in dieser Hinsicht eine Fundgrube sein. Macht man sich hier von den betreffenden Seiten Kopien (wegen des Alters der Literatur kommt man mit dem Copyright nicht in Konflikt), so kann man sich im Laufe der Zeit ein wertvolles Archiv anlegen.

Blattquerschnitte meist nicht erforderlich

Um den Untersuchenden das Mikroskopieren zu erleichtern und ihnen die mühevolle Anfertigung eines Querschnittes zu ersparen, wird hier eine einfache Methode vorgeschlagen, die aber in den meisten Fällen ausreicht und sich in der Praxis schon lange bewährt: Man kocht ein Blattstückchen mit wenig Chloralhydrat auf, bis es weich wird, teilt es durch und dreht eine Hälfte herum. So hat man beide Seiten nebeneinander. Nach nochmaligem Aufkochen kann man durch das durchscheinende Mesophyll in der Regel Ober- und Unterseite unterscheiden, und die wichtigsten Merkmale sind erkennbar.

Besonders ist auf Haare zu achten, deren Aussehen genau zu beachten ist. Die Merkmale der einzelnen Pflanzen sind in Tabelle 1 (Blütenstände) und Tabelle 2 (Blätter) zusammengestellt. In einzelnen Fällen werden diese durch Abbildungen (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5 und Abb. 6) ergänzt.

Literatur

[1] Scholz, H., Kascha, S., Zingerle, H.: Atropin-Vergiftung durch "Gesundheitstee". Fortschr. Med. 98, 15525 – 1526 (1980). [2] Berger, F.: Handbuch der Drogenkunde, Band 1, Cortices, Flores, 1949, S. 219 – 223. [3] Flückiger, F. A.: Grundriss der Pharmakognosie. R. Gaertner's Verlagsbuchhandlung Hermann Heyfelder, Berlin 1884. [4] Gilg, E., Brandt, W.: Lehrbuch der Pharmakognosie, 3. Aufl., Verlag von Julius Springer, Berlin 1922, S. 391 –393. [5] Koch, L.: Die mikroskopische Analyse der Drogenpulver. Bornträger, Leipzig 1901. [6] Moeller, J.: Lehrbuch der Pharmakognosie. Alfred Hölder, Wien 1889, S. 77. [7] Tschirch, A.: Handbuch der Pharmakognosie. Verlag von Chr. Herm. Tauchnitz, Leipzig 1908 – 1923. [8] Tschirch, A., Oesterle, O.: Atlas der Pharmakognosie und Nahrungsmittelkunde. T. O. Weigel Nachf., Leipzig 1893. [9] Vogl, A. E.: Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genussmittel mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Untersuchung auf ihre Echtheit, ihre Verunreinigungen und Verfälschungen. Urban und Schwarzenberg, Berlin 1899. [10] Wasicky, R.: Lehrbuch der Physiopharmakognosie für Pharmazeuten. Verlag Carl Fromme, Wien und Leipzig 1932, S. 774 – 777. [11] Wasicky, R. (Hrsg.): Leitfaden für die pharmakognostischen Untersuchungen im Unterricht und in der Praxis. 1936, S. 71 – 73. [12] Wigand, A.: Lehrbuch der Pharmakognosie. 2. Auflage, Verlag von August Hirschwald, Berlin 1874, S. 243 – 244. [13] Wiggers, A.: Handbuch der Pharmacognosie. 5. Auflage, Vandenhoek und Ruprecht's Verlag, Göttingen 1864, S. 265 – 266. [14] Zörnig, H.: Arzneidrogen. I. Teil: Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz offizinellen Drogen. Dr. Werner Klinkhardt Verlag, Leipzig 1909, S. 111 – 113. [15] Barthels, P.: Die morphologische und anatomische Differentialdiagnose der Compositenblüten und Früchte zur Auffindung von Verunreinigungen der Flores Chamomillae und Flores Arnicae. Diss. Bern 1926, S. 21 – 24, 35 – 36, 44 – 45. [16] Blazek, Zd.: Morphologisch-anatomischer Schlüssel zur Bestimmung von Blattbruchstücken der in Böhmen vorkommenden Korbblütler. Pharmazeutische Monatshefte. 1937, S. 90 – 94, 109 – 112. [17] Hanausek, T. F.: Untersuchungen über die kohleähnliche Masse der Kompositen (Botanischer Teil). Z. Kaiserl. Akad. Wiss. Math.-naturwiss. Klasse 87, 93 – 149 (1911). [18] Heeger, E. F.: Ein Fall der Verwechslung von "Arnica montana L." mit "Inula britannica L.". Pharmazie 9, 251 – 255 (1954). [19] Himmelbaur, W., Friedjung, G.: Pharmakognostische Untersuchungen an Compositen-Blättern, I. Pharmazeutische Presse, Wissenschaftlich-praktisches Heft April 1933. Mitteilung des Komitees zur staatlichen Förderung der Kultur von Arzneipflanzen in Österreich Nr. 82, S. 46 – 47. [20] Kurer, G. A.: Kutikularfalten und Protuberanzen an Haaren und Epidermen und ihre Verwendung zur Differenzialdiagnose offizineller Blätter. Diss. Bern 1917, S. 79 – 80, 103. [21] Nissen, J.: Untersuchungen über den Blütenboden der Kompositen. Diss. Kiel 1907, S. 9 – 10, 16, 18, 24, 28.

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