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Apotheken-Zukunft: System bewahren oder umgestalten?
Bei seinen grundsätzlichen Vorbemerkungen wies SPD-Politiker Schmidbauer darauf hin, dass Deutschland laut dem Befund des Sachverständigenrates im Hinblick auf gesundheitliche Leistungen im Mittelfeld dümple, während man bei den Ausgaben pro Kopf eine Spitzenposition einnehme. Dies sei auch das Motiv, strukturelle Änderungen herbeiführen zu wollen.
Obwohl im Kostenbereich die Arzneimittel "nachgeordnet sind", müsse alles auf den Prüfstand, zumal die Preissteigerungen im vergangenen Jahr im Bereich Arzneimittel höher waren als die Einnahmen der Kassen. Gleichzeitig räumte Schmidbauer aber ein, dass der Preisanstieg keine "reine Preissteigerung" war, da durch die Me-too-Präparate auch strukturelle Preis-Probleme entstanden seien.
Unzufrieden zeigte sich der SPD-Politiker in Bezug auf die Aut-idem-Regelung: "Der Einstieg ist zwar gelungen, aber momentan bleiben wir hinter den Erwartungen zurück." Als Vorbild empfahl Schmidbauer Kanada, wo es für den Apotheker keine Rolle spiele, was der Arzt aufschreibe. Außerdem handle es sich bei den dortigen Medikamenten zu 90 Prozent um Bulkware. Die Akzeptanz bei den Patienten sei in Kanada kein Problem.
Angesichts der weltweit positionierten Internet-Apotheken stelle sich beim Thema Versandhandel die Frage, "wie wir rechtlich Arzneimittelsicherheit hinkriegen", sagte Schmidbauer. Die Einführung von Versandhandelsapotheken werde sich am Modell Schweiz orientieren. Im Herbst werde man auf der Grundlage der Empfehlungen des Runden Tisches diskutieren, unter welchen Kriterien die Versandhandelsapotheke zugelassen werde. Dabei werde man auch darauf achten, dass die "Spieß-Längen von Versandhandelsapotheke und herkömmlicher Apotheke gleich sind."
Es sei auch zu diskutieren, ob die Offizin nach dem Eingang einer Internet-Bestellung eine Auslieferung vor Ort übernehmen dürfe. Grundsätzlich sollten sich Apotheken auf eine Neu-Positionierung in Richtung Dienstleistung vorbereiten, wobei hier auch Entlohnungsmodelle über eine Beratungsstruktur möglich sein könnten.
Mit CDU/CSU keine Versandhandelsapotheke!
Wolfgang Zöller von der CSU widersprach seinem politischen Widersacher insbesondere im Hinblick auf den Versandhandel. So sei die Qualität der Arzneimittelversorgung derzeit hervorragend. Diese Qualität werde mit dem Versandhandel genauso wenig verbessert wie die generelle Arzneimittelsicherheit. Der sicherste Weg sei das derzeitige Distributionssystem.
Auch im Kosten-Bereich sieht Zöller mit Einführung der Versandhandelsapotheke kein Einsparungspotenzial. Durch die Auflösung der Mischkalkulation würden die höherpreisigen Medikamente aus der Offizin verschwinden, was zur Folge habe, dass die niedrigpreisigeren Präparate im Preis angehoben werden müssten. Ferner würden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Der Versandhandel würde insbesondere zu einem Apothekensterben auf dem flachen Land führen, prognostizierte Zöller. Außerdem könne er nicht verstehen, wieso man ein System gefährden wolle, das den besten und sichersten Vertriebsweg garantiere. Mit einer CDU/CSU-Regierung werde es keine Einführung der Versandhandelsapotheke geben.
Was die gestiegenen Kosten im Arzneimittelbereich angehe, so müsse man hier die Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich berücksichtigen. So sei die Verweildauer in den Kliniken um zehn Prozent reduziert worden. Angesichts dessen müssen die Kosten in den ambulanten Bereich mitlaufen. Zöller: "Wir müssen nicht am Arzneimittel sparen, sondern mit dem Arzneimittel." Die Kosten-Regulation sollte nach Ansicht des CSU-Politikers vielmehr durch eine Regulation des Mehrwertsteuersatzes vorgenommen werden.
Die Aut-idem-Regelung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung bezeichnete der CSU-Politiker als "kontraproduktiv". Ursprünglich sei der Sinn dieser Regel die Lagerbereinigung gewesen – momentan habe aber die Lagerhaltung zugenommen.
In der anschließenden Diskussion mit den Apothekern wurde besonders deutlich, dass die Apotheker im Zusammenhang mit der Einführung der Versandhandelsapotheken der Rolle der Kassen misstrauen und befürchten, dass diese ihnen durch Einkaufsmodelle wichtige Ertragsbringer wegnehmen. Außerdem wurde immer wieder die Frage nach dem grundsätzlichen Sinn der Einführung einer Versandhandelsapotheke gestellt. Einigkeit herrschte darüber, dass Apotheker künftig mehr im Bereich der Prävention tätig sein sollten.
Der Gehe-Geschäftsführer Henrik Meyer Hoeven schlug vor, das Wort "Mischkalkulation" aus der Diskussion zu eliminieren und statt dessen von einem "Arzneimittelstrukturausgleich" zu sprechen, da die Apotheker im kaufmännischen Sinne ohnehin keine Kalkulation aufstellen könnten. Außerdem kritisierte er die Freiheit der deutschen Pharmaindustrie bei der Preisgestaltung, die dazu führe, dass die Industrie diejenigen Anteile, die sie finanziell durch politische Maßnahmen einbüße, in künftige Kalkulationen einberechne.
Im Hinblick auf präventive Maßnahmen, die durch Apotheker geleistet werden sollen, forderte Meyer Hoeven eine juristische Verankerung: "Selbst das Blutdruck-Messen ist ja heute in einer rechtlichen Grauzone angesiedelt. Sofern Leistungen nicht juristisch verankert sind, gehen die Ärzte ja sofort auf die Barrikaden!"
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