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- DAZ 33/2002
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Arzneimittel und Therapie
Reizdarmsyndrom: Tegaserod hilft bei Bauchschmerzen und Blähungen
Das Reizdarmsyndrom (Irritable Bowel Syndrome, IBS) zeichnet sich durch Bauchschmerzen und -beschwerden, Blähungen sowie veränderte Stuhlgewohnheiten (Verstopfung und/oder Durchfall) aus. Es stellt in den USA nach den Erkältungskrankheiten die zweithäufigste Ursache für krankheitsbedingtes Fehlen am Arbeitsplatz dar und belastet das amerikanische Gesundheitswesen mit direkten und indirekten Kosten von schätzungsweise bis zu 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
"Patienten mit IBS-bedingten Bauchschmerzen und -beschwerden, Blähungen und Verstopfung leiden oft sehr stark an ihren Symptomen. Diese verhindern ihnen die Teilnahme an einfachen Alltagstätigkeiten wie zu arbeiten, zur Schule zu gehen, Sport zu treiben oder einen Urlaub mit der Familie zu genießen", sagt Nancy Norton, Präsidentin und Gründerin der International Foundation for Functional Gastrointestinal Disorders. Über die Ursache des Reizdarmsyndroms war bis vor kurzem wenig bekannt, und die Krankheit wurde unterschätzt.
Serotonin und Darmperistaltik
Tegaserod ist der erste Wirkstoff der so genannten Serotonin-4-Rezeptoragonisten (5-HT4-Agonisten), der speziell für den Darmtrakt entwickelt wurde. Serotonin spielt nicht nur im menschlichen Gehirn eine wichtige Rolle. Etwa 95 Prozent des körpereigenen Botenstoffes sind im Gastrointestinaltrakt lokalisiert, die Steuerung der Magen-Darm-Motorik erfolgt im Wesentlichen über Serotonin, lokal freigesetztes Serotonin vermittelt die Entstehung von abdominellen Schmerzen.
Im Gastrointestinaltrakt lassen sich für Serotonin [5-Hyroxytryptamin (5-HT)] eine Vielzahl unterschiedlicher Bindungsstellen nachweisen. Eine besondere Bedeutung haben offenbar die 5-HT4-Rezeptoren. Bindet Serotonin an diese Rezeptoren, werden unter anderem Darmperistaltik sowie Wasser- und Elektrolytfreisetzung stimuliert – Effekte, die bei Reizdarmpatienten vom Obstipations-Typ sehr erwünscht sind.
Signifikante Linderung abdomineller Schmerzen
In drei an mehreren Zentren durchgeführten, plazebokontrollierten Doppelblind-Studien erhielten 2470 Frauen, die während mindestens drei Monaten vor der Anfangsphase der Studie IBS-Symptome aufgewiesen hatten, während drei Monaten zweimal täglich 6 mg Tegaserod bzw. Plazebo. Die Teilnehmerinnen beurteilten jede Woche ihre Reaktionen mithilfe des "Subject's Global Assessment of Relief".
Dies ist ein Beurteilungsfragebogen, der das allgemeine Wohlbefinden sowie Symptome wie Bauchschmerzen, -beschwerden und Verstopfung berücksichtigt. Dieser Beurteilung zufolge erfuhren die Patientinnen mit Tegaserod eine stärkere Linderung der einzelnen Symptome wie Bauchschmerzen und -beschwerden, Blähungen und Verstopfung als die Patientinnen mit Plazebo. Tegaserod wurde in klinischen Studien im Allgemeinen gut toleriert. Die Nebenwirkungen, die mit Tegaserod häufiger auftraten als mit Plazebo, waren Kopfschmerzen (15% gegenüber 12%) und Durchfall (9% gegenüber 4%).
Bei der Mehrheit der Patientinnen mit Tegaserod, die Durchfall angaben, war dies ein einmaliges Ereignis. In den meisten Fällen trat der Durchfall in der ersten Behandlungswoche auf, meistens verschwand er im weiteren Verlauf der Therapie. Tegaserod ist nicht indiziert für Patientinnen, die entweder im Moment oder häufig an Durchfall leiden. Über die Sicherheit und Wirksamkeit von Tegaserod bei Männern existieren keine Angaben.
Weiterer Angriffspunkt: 5-HT3-Rezeptoren
Auch die 5-HT3-Rezeptoren spielen bei der Vermittlung von Schmerzreizen sowie der Änderungen in der intestinalen Motilität und Sekretion eine zentrale Rolle. Überschießend freigesetztes Serotonin, gepaart mit einer Überempfindlichkeit der Rezeptoren vom Subtyp 5-HT3 in der Darmwand, senkt einerseits die Wahrnehmungsschwelle für Schmerzreize. Andererseits steigert es die Motilität der Darmmuskulatur und die Schleimsekretion.
Der selektive 5-HT3-Rezeptorantagonist Alosetron (Lotronex®) wurde zur Behandlung des Reizdarmsyndroms bei Frauen eingesetzt, die unter der diarrhoischen Form dieser Erkrankung leiden, musste jedoch schon bald nach seiner Einführung wegen schwerer unerwünschter Wirkungen (Darmdurchblutungsstörungen) wieder aus dem Handel gezogen werden.
Im Juni 2002 wurde das Präparat in den USA von der FDA unter Einschränkungen wieder zugelassen: Es darf von Ärzten, die an einem speziellen Verschreibungskurs teilgenommen haben, an Frauen mit schwerer Formen eines durchfalldominanten Reizdarmsyndromes verschrieben werden, die auf eine konventionelle Reizdarmtherapie nicht angesprochen haben.
Aktuell laufen in den USA Studien mit dem 5-HT3-Rezeptorantagonisten Cilansetron, der auf die durchfalldominante Form des Reizdarmsyndromes bei Männern und Frauen wirken soll. ck
Kastentext: Das Reizdarmsyndrom
Das Reizdarmsyndrom (Colon irritable, spastisches Colon, Reizkolon) gehört zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankungen. Der Begriff fasst Funktionsstörungen zusammen, die vom Dickdarm ausgehen und denen keine erkennbare organische Darmerkrankung zugrunde liegt. Die Therapie orientiert sich deshalb an den Symptomen wie Stuhlunregelmäßigeiten (Obstipation der Diarrhö), Völlegefühl, Blähungen und abdominelle Schmerzen.
In Deutschland leiden etwa 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung unter 65 Jahren unter den Symptomen eines Reizdarmsyndroms. Frauen sind etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. Als Ursache hierfür kommt einerseits der Einfluss von Geschlechtshormonen auf die Darmsymptomatik, andererseits ein anderer Umgang von Frauen mit Körpersymptomen und Krankheiten in Betracht.
Tegaserod (Zelmac®, in den USA Zelnorm™) hat in den USA von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Zulassung für die kurzfristige Behandlung von Frauen erhalten, die unter dem Reizdarmsyndrom mit Hauptsymptom Verstopfung leiden. Tegaserod wirkt als Serotonin-Rezeptoragonist.
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