Arzneimittel und Therapie

Antimykotika: Voriconazol und liposomales Amphotericin B im Vergleich

Patienten mit Neutropenie und anhaltendem Fieber werden häufig empirisch mit Amphotericin B behandelt, um massive Pilzinfektionen zu vermeiden. Der Frage, ob das Azol-Antimykotikum Voriconazol eine gleich wirksame aber weniger toxische Alternative zu liposomalem Amphotericin B in der empirischen Behandlung ist, wurde in einer randomisierten Studie nachgegangen.

Systemische Pilzinfektionen sind wichtige Erkrankungs- und Todesursachen während einer Zytostatikatherapie sowie nach einer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation. Patienten, die trotz Antibiotika Neutropenie und anhaltendes Fieber haben, werden deshalb empirisch gegen Pilzinfektionen behandelt. Bislang ist Amphotericin B der Standard.

Liposomales Amphotericin B (AmBisome®) erwies sich als ebenso wirksam, aber weniger toxisch als konventionelles. Insbesondere Sofortreaktionen auf die Infusion und Nierenschädigungen treten seltener auf. Aufgrund seiner hohen Kosten wird das Präparat aber nur eingesetzt, wenn konventionelles Amphotericin B kontraindiziert ist.

Azol der zweiten Generation

Eine Alternative zu konventionellem oder liposomalem Amphotericin B sind möglicherweise bestimmte Azol-Antimykotika. Voriconazol ist ein Vertreter der Triazol-Antimykotika der zweiten Generation. Es weist ein breites Wirkungsspektrum, eine gute Bioverfügbarkeit und ein günstiges Sicherheitsprofil auf. In einer offenen, prospektiven, randomisierten Multicenter-Studie wurde überprüft, ob Voriconazol als empirische Behandlung von Patienten mit Neutropenie und anhaltendem Fieber ebenso wirksam ist wie liposomales Amphotericin B und besser verträglich.

Teilnehmen konnten Patienten ab 12 Jahre, die wegen einer Leukämie, einer Lymphom- oder anderer Krebserkrankungen zytostatisch behandelt wurden oder Blutstammzellen transplantiert bekommen hatten. Sie hatten trotz einer mindestens viertägigen systemischen Antibiotikatherapie weiterhin Fieber und Neutropenie, aber keine dokumentierte systemische Pilzinfektion. Nach ihrem Risiko für eine Pilzinfektion wurden Patienten mit hohem Risiko (nach allogener Blutstammzell-Transplantation und während einer Chemotherapie bei rezidivierter Leukämie) und solche mit mäßigem Risiko (alle übrigen) unterschieden. Gut die Hälfte der Patienten hatte bereits zuvor eine systemische antimykotische Prophylaxe erhalten.

Die Teilnehmer bekamen randomisiert ein Voriconazol- oder ein liposomales Amphotericin-B(LAB)-Regime. Beide Regimes wurden bis mindestens drei Tage nach der Neutrophilenerholung (absolute Neutrophilenzahl mindestens 250 pro mm³) und bei nachgewiesener systemischer Pilzinfektion maximal zwölf Wochen lang eingesetzt.

Das Voriconazol-Regime

Voriconazol wurde in einer Initialdosis von 6 mg pro kg Körpergewicht zweimal im Abstand von 12 Stunden i. v. verabreicht, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 3 mg pro kg Körpergewicht i. v. alle zwölf Stunden. Nach mindestens drei Tagen intravenöser Gabe konnte die Therapie auch oral fortgesetzt werden (200 mg alle zwölf Stunden). Bei nachgewiesener Pilzinfektion durfte die Dosis auf zweimal täglich 4 mg pro kg Körpergewicht i. v. oder 300 mg oral erhöht werden.

Das LAB-Regime

Liposomales Amphotericin B wurde in einer Tagesdosis von 3 mg pro kg Körpergewicht intravenös gegeben. Bei nachgewiesener Pilzinfektion konnte die Tagesdosis auf 6 mg pro kg Körpergewicht erhöht werden. Traten toxische Wirkungen auf, durfte die Dosis auf 1,5 mg pro kg Körpergewicht gesenkt werden.

Zusammengesetzter Endpunkt

Die Behandlung galt als erfolgreich, wenn fünf Kriterien erfüllt wurden:

  • Jede zu Beginn bestehende (in den ersten 24 Stunden nach Eintritt in die Studie dokumentierte) Pilzinfektion wurde erfolgreich behandelt.
  • Der Patient brach die Therapie nicht vorzeitig ab.
  • Das Fieber verschwand noch während der Neutropenie.
  • Der Patient hatte unter der Therapie keine Pilzinfektion ("breakthrough fungal infection").
  • Der Patient überlebte mindestens sieben Tage nach Ende der Therapie.

837 Patienten, 415 mit Voriconazol und 422 mit liposomalem Amphotericin B, waren randomisiert worden und hatten mindestens eine Dosis des Medikaments bekommen. Sie wurden in der modifizierten Intention-to-treat-Analyse der Wirksamkeit erfasst. Die Erfolgsrate betrug in der Voriconazol-Gruppe 26,0% und in der LAB-Gruppe 30,6%. Das 95%-Vertrauensintervall für den Unterschied erstreckte sich von – 10,6 bis 1,6 Prozentpunkte. Damit wurde das prospektiv festgelegte Kriterium für nichtunterlegene Wirksamkeit (Unterschied in der Erfolgsrate nicht größer als 10 Prozentpunkte) knapp verfehlt.

Die Behandlungsgruppen unterschieden sich nur bei einer der fünf Einzelkomponenten des zusammengesetzten Endpunkts signifikant: Unter Voriconazol brachen signifikant weniger Pilzinfektionen durch als unter liposomalem Amphotericin B: bei acht Patienten (1,9%) gegenüber 21 Patienten (5,0%). In allen übrigen Einzelkomponenten schnitt liposomales Amphotericin B im Trend besser ab.

Anderes Nebenwirkungs-Spektrum

In der Voriconazol-Gruppe traten signifikant weniger Reaktionen auf die Infusion (Soforttoxizität) und weniger Fälle von Nephrotoxizität auf. Die häufigste Reaktion auf die Infusion von Voriconazol war eine vorübergehende Sehstörung (bei 22% gegenüber 1% mit LAB). Visuelle Halluzinationen traten unter Voriconazol vermehrt auf (bei 4,3% gegenüber 0,5%). Die Behandlungsregimes unterschieden sich nicht in ihrer Lebertoxizität.

92 Patienten der Voriconazol-Gruppe (22%) bekamen eine orale Therapie. Dadurch konnte der Krankenhausaufenthalt gegenüber der LAB-Gruppe um durchschnittlich einen Tag (nicht signifikant), in der Hochrisikogruppe um zwei Tage (signifikant) verkürzt werden.

Ergebnisse nicht überzeugend

Die Autoren schließen zwar aus ihrer Studie, dass Voriconazol anstelle von Amphotericin B zur empirischen Behandlung bei Patienten mit Fieber und Neutropenie gegeben werden kann. Die Ergebnisse konnten die zuständige Kommission der FDA, das Antiviral Drugs Advisory Committee, jedoch nicht überzeugen. Sie empfahl der FDA, Voriconazol für diese Indikation nicht zuzulassen.

Kastentext: Neutropenie

Ein Mangel an neutrophilen Granulozyten wird als Neutropenie bezeichnet. Normalerweise enthält das Blut von gesunden Erwachsenen etwa 4000 bis 7000 Neutrophile pro mm³, bei einer Neutrophilenzahl unterhalb 2000 bis 1000 Neutrophile pro mm³ spricht man von einer Neutropenie.

Da die neutrophilen Granulozyten eine zentrale Rolle bei der Immunabwehr spielen, können Neutropenien zu lebensbedrohenden Infektionen führen. Ursachen für Neutropenien sind entweder Arzneimittel (wie Chemotherapeutika, Ganciclovir, AZT), Bestrahlung, angeborene Defekte wie die schwere chronische Neutropenie oder erworbene Erkrankungen wie AIDS. In einigen Fällen bleibt die Ursache der Neutropenie unbekannt.

Literatur

Walsh, T. J. et al.: Voriconazole compared with liposomal amphotericin B for empirical antifungal therapy in patients with neutropenia and persistent fever. N. Engl. J. Med. 346, 225 – 234 (2002). Marr, K. A: Empirical antifungal therapy – new options, new tradeoffs. N. Engl. J. Med. 346, 278 – 280 (2002). Powers, J. H., et al.: Voriconazole versus liposomal amphotericin B in patients with neutropenia and persistent fever. N. Engl. J. Med. 346, 289 – 290 (2002).

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