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Die Seite 3
Huhuhu, sagt das böse Gespenst und erschreckt die lieben Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland – dabei ist es doch modern und offen und will nur, was alle wollen. Das Gespenst hat einen Namen: Versandhandel. Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. August führt das Gespenst, seine ach so harmlosen Auswirkungen und die ängstlichen Apotheker ihren Lesern in einem Meinungsbeitrag vor (siehe Seite 23 in dieser Ausgabe). Wir haben den Beitrag der FAZ nachgedruckt, weil wir glauben, dass er typisch ist für die Meinung "draußen" über die Position der Apotheker und den Versandhandel.
Der Beitrag unterschlägt dabei nicht die Warnungen vor den Gesundheitsgefahren, die vom Versandhandel ausgehen und vor denen die Apotheker warnen, wie z. B. unzuverlässige Pillenversender. Doch der Autor reduziert die Bedenken der Apotheker auf die Angst vor einem neuen Wettbewerber. Er – wie viele andere Journalisten von Tageszeitungen auch – glaubt, die Apotheker fürchteten nur die Konkurrenz durch den Versandhandel, und drückt darüber sein Unverständnis aus, zumal der Versandhandel in anderen Ländern, in denen er erlaubt ist, nur einen geringen Marktanteil hat und in Deutschland nur maximal acht Prozent erwartet werden.
Es scheint also noch nicht bis in den Tageszeitungsjournalismus vorgedrungen zu sein, dass die Apotheker davor nun wirklich keine Angst haben. Denn wir wissen, dass der Großteil der Bevölkerung den Besuch einer Apotheke, das Gespräch mit dem Apotheker und den Service schätzen. Es geht auch nicht darum, wie der FAZ-Autor vermutet, dass die Bürger nicht selbst bestimmen dürfen, wie sie ihre Arzneimittel beziehen, oder dass der Versand per Post nicht sicher gewährleistet werden kann. All das ließe sich mehr oder weniger aufwändig regeln und müsste mit ebenso großem Aufwand ständig kontrolliert werden.
Nein, es geht darum, dass ein Versandhandel letztendlich und zwangsläufig eine Systemänderung mit sich bringt: Mehr- und Fremdbesitzverbot lassen sich nicht mehr halten, Ketten machen sich breit, die Arzneimittelpreisverordnung fällt. Und das hat Folgen. Der FAZ-Autor erkennt dies und meint, dass dies nicht falsch wäre. Solche Veränderungen könnten Chancen bergen, man könnte neue Geschäftsmodelle ausprobieren, Vertriebsstrukturen könnten effizienter werden. Und die Pharmazeuten in einer Ketten-Apotheke würden den Verbraucher wohl nicht weniger gut beraten als heute.
Die Arzneimittelversorgung als Spielwiese für neue Geschäftsmodelle? Nein, danke. Und was die Beratung in Ketten-Apotheken angeht, so sollte der FAZ-Autor ein wenig weiter denken, wie er es bei den "engen wirtschaftlichen Beziehungen unter Apotheken sowie zwischen Apotheken und Großhändlern" wähnt und in Sachen Naturalrabatte andeutet. Glaubt er etwa, das Geschäft mit Arzneimitteln und die Beziehungen untereinander würden transparenter und weniger merkantil, wenn eine Apothekenkette am Markt agiert, mehrere Filialen betreibt und auf Profitmaximierung aus ist bzw. aus sein muss, um die Konkurrenz-Apothekenkette zu übertrumpfen. Wenn man sich für den Versandhandel einsetzt, muss man wissen, dass man eine andere Arzneiversorgung erhält.
Ich frage mich immer wieder, wo die Befürworter des Versandhandels letztendlich die Vorteile dieser Art des Arzneivertriebs vermuten? Nur in der Freiheit, Arznei per Internet anzuklicken und zu bestellen? Oder in der Freiheit, auf den Postboten zu warten? Oder glauben sie etwa, dass Arzneimittel billiger werden? Irgendwie gehen die vermeintlichen Vorteile, die man sich erhofft, aus den Beiträgen in Tageszeitungen und Magazinen nicht hervor, und bis jetzt konnte ich es noch keinem dieser Beiträge, die pro Versand sind, entnehmen.
Bei der Lektüre von Beiträgen dieser Art stellt sich für mich immer wieder die Frage, warum es unsere Öffentlichkeitsarbeit nicht geschafft hat, diesen meinungsbildenden Journalisten darzulegen, worum es wirklich geht, was die Folgen sind und wo Vor- und Nachteile liegen. Aus vielen dieser Beiträge, so auch aus dem FAZ-Artikel, spricht für mich einfach die Lust, die Apotheker als konservativ vorzuführen, als eine Berufsgruppe, die an alten Zöpfen hängt, Angst vor neuen Vertriebsstrukturen hat, die ihre Pfründe verteidigt und den Wettbewerb scheut.
Also, die Apotheker sind keine Angsthasen, die sich vor Gespenstern wie dem Versandhandel fürchten. Aber aus Verantwortung für die Gesundheit ihrer Kunden würden sie diese gerne vor solchen Gespenstern schützen, die ihnen billige Arzneimittel versprechen und die Lieferung an die Haustür – denn wie es bei Gespenstern so ist: genauso schnell wie sie kommen, verschwinden sie wieder, haben nur unnötige Unruhe gebracht und außer Spektakel nichts gemacht.
Peter Ditzel
Wenn ein Gespenst Wirklichkeit wird ...
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