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DAZ aktuell
Den kommunikativen Stillstand überwinden (Kommentar)
Es war eine Zitterpartie für Rot-Grün, aber am Ende hat es für Schröder/Fischer gereicht. Die SPD ist trotz ihrer Verluste – weiterhin – stärkste Fraktion im Deutschen Bundestag und Bündnis 90/Die Grünen können sich zu Recht als die wahren Sieger der Bundestagswahl sehen. Dagegen steht die Opposition mit leeren Händen da. Wer sich zu früh freut …
SPD und Grüne werden mit einer zwar knappen, aber durchaus tragfähigen Parlamentsmehrheit regieren können. Man sollte sich nichts vormachen: der Opposition fehlen immerhin dreizehn Mandate, um nach der Regierungsverantwortung greifen zu können. Dies ist zu viel, um auf einen vorzeitigen Zerfall der Koalition zu setzen. Hinzu kommt, dass der gestärkten Union eine FDP zur Seite steht, die aufgrund der unappetitlichen Tiraden ihres 18-Prozent-Ex-Vize gebeutelt ist. Ihr Spaßfaktor ist inzwischen jedenfalls gleich Null. Und die PDS? Sie dürfte auf absehbare Zeit trotz ihrer beiden Direktmandate im Bund keine nennenswerte Rolle mehr spielen.
Vor diesem Hintergrund sollten wir uns auf vier weitere Jahre Rot-Grün einstellen. Die Gesundheitspolitik steht dabei ganz oben auf der Agenda der künftigen Regierungskoalition. Ihr Veränderungsdruck wird zunehmen – und gleichzeitig damit auch der Wind, der uns in den nächsten Jahren ins Gesicht bläst.
Vieles, was vor einigen Jahren noch zu den parteiübergreifenden Essentials unseres – auch in den Augen der Politik – bewährten Apothekensystems gehörte, wird auf den Prüfstand gestellt und hinterfragt werden: Ob der Versandhandel mit Arzneimitteln (in welcher Ausgestaltung auch immer) noch aufzuhalten ist? Und ob es genügt, sich dabei auf ein Veto des Bundesrates zu verlassen?
Aber auch die Grundlagen der Arzneimittelpreisverordnung, ja sogar das Fremd- und Mehrbesitzverbot könnten ins Blickfeld der Politik geraten. Sakrosankt ist nichts mehr – unabhängig von den Konstellationen an der Spitze des Gesundheitsministeriums.
Was in diesem Zusammenhang am meisten beunruhigen muss, ist der Umstand, dass Angehörige oder Repräsentanten unseres Berufsstandes in Parlamenten und Parteien nur marginal vertreten sind und dort, wo sie Mandatsträger sind, als Apothekerin oder Apotheker kaum wahrgenommen werden. Auf ihre gesundheitspolitische Stimmen meint man offensichtlich sowohl im Bundestag als auch in Parteizirkeln und "think tanks" verzichten zu können.
Nicht besser ist die Situation außerhalb der Parlamente und Parteien. Auch dort haben die Apotheken kaum noch Bündnispartner: Ob Industrie- und Handelstag, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Ärztevereinigungen, pharmazeutische Industrie oder Verbraucherverbände: spätestens wenn es Spitz auf Knopf steht, handelt es sich bei ihnen – das haben die Debatten und runden Tische zum Versandhandel gezeigt – für uns um unsichere Kantonisten.
Das war nicht immer so. Ein Beispiel: Noch vor etlichen Jahren waren im Vorstand der ASG, der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen, an exponierter Stelle auch Apotheker vertreten. Und heute? Fehlanzeige. Nicht anders sieht es mit unserer Präsenz im grünen Umfeld aus. Könnten die dortigen Sympathien für dezentrale, wohnortnahe und frauenfreundliche Strukturen nicht auch im Hinblick auf unser bestehendes Apothekenwesen fruchtbar gemacht werden?
Wir brauchen eine intelligente Öffentlichkeitsarbeit, kombiniert mit einer systematisch und langfristig angelegten Lobbyarbeit innerhalb und außerhalb der Politik. Es muss Schluss sein mit den bloßen Nabelschauen nach innen und der selbstverliebten Pflege standespolitischer Eitelkeiten. Auf die Dauer, so viel steht fest, reicht es nicht aus, nur die Zahnärzte auf seiner Seite zu wissen (wie bei der Ablehnung des Versandhandels). Die Verteilungs- und Positionierungskämpfe im Gesundheitswesen werden in den nächsten Jahren an Schärfe zunehmen.
Plausible und schlüssige Gesamtkonzepte sind gefragt. Allein nein zu sagen und kostenintensive Anzeigen- und Imagekampagnen zu organisieren, kann eine notwendige, niemals jedoch eine hinreichende Bedingung erfolgreicher Berufspolitik sein. Politiker reagieren empfindlich und unberechenbar, wenn sie sich von Standesvertretern brüskiert fühlen. In der jüngeren Vergangenheit lief da in Berlin einiges schief. Die vorrangige Aufgabe der ABDA sollte es in den kommenden Monaten sein, den kommunikativen Stillstand zwischen ihr und der Politik zu überwinden.
Wir brauchen eine neue Gesprächskultur, sowohl mit Sozialdemokraten und Grünen als auch mit den Oppositionsparteien. Nur so besteht die Chance, dass unsere guten Argumente nicht nur angehört, sondern von der Politik auch berücksichtigt werden. Keine leichte Aufgabe, aber eine notwendige allemal.
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