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Berichte
Arzneimittelsicherheit: Apotheke bleibt wichtig
Da, wie man am nächsten Tag in der DAZ Nr.1/2 vom 10.1.2002 nachlesen konnte, wieder einmal groß und öffentlich die Notwendigkeit von Apotheken angezweifelt wurde, kam Wierers Beitrag in der DPhG wie bestellt, um diese Zweifel massiv zu entkräften (der Referent wird demnächst in dieser Zeitschrift dazu auch ausführlich publizieren).
Fälschungen zunehmend auch in westlichen Industrieländern
Spannend und manchmal fast unglaubhaft, welche Krimis sich hinter den Kulissen abspielen! Der globale Handel eröffnet heute Möglichkeiten, neue Arzneimittel schnell weltweit zur Verfügung zu stellen. Dies bewirkt aber auch, dass gefälschte Wirkstoffe und Fertigarzneimittel nicht mehr nur in Entwicklungsländern vorkommen dort werden immerhin noch 70% der aufgedeckten Fälschungen hergestellt, Nigeria wurde als Beispiel genannt.
Es handelt sich dabei entweder um perfekte Imitationen, um mangelhafte Wirkstoffe oder gänzlich um Plazebos. Auch vorsätzlich falsch oder irreführend deklarierte Nahrungsergänzungsmittel, scheinbar harmlose Kosmetika mit oft massiven Wirkstoffen (Rheumahonig oder Hautpflegemittel mit Cortison, Schlankheitsmittel mit Schilddrüsenhormonen oder Diuretika), Fitness- und Partydrogen wie die in der Bodybuilderszene so begehrten Anabolika und Aufputschmittel, dubiose Kontrazeptiva und Sexualstimulanzien werden illegal, weil in Deutschland ja nicht zugelassen, auf einem blühenden Schwarzmarkt gehandelt. Bevorzugte Vertriebsdrehscheibe ist das Internet. (Die Aushebung des Deggendorfer Händlerringes, der gefälschte Anabolika produzierte und europaweit zu horrenden Preisen vertrieb, hat vor vier Jahren Schlagzeilen gemacht.) In der legalen Vertriebskette in Deutschland wurden Fälschungen von Fertigarzneimitteln bisher glücklicherweise erst in einem Einzelfall aufgefunden.
Nach Schätzungen der WHO sind etwa 5 bis 7% der weltweit gehandelten Arzneimittel gefälscht. Dies entspricht einem Wert von ca. 10 Mrd. Euro. Arzneimittelfälschungen schaden nicht nur den Firmen, gefährlich sind sie vor allem für den Patienten, betonte Wierer.
Internationales Netzwerk von Überwachungsbehörden
Um diese Entwicklung einzudämmen und aufzuhalten, war bereits vor längerem unter der Ägide der WHO von den nationalen Überwachungsbehörden ein internationales Netzwerk etabliert worden, das global solche Fälschungen verfolgen kann. Erfahrungsgemäß wird bei den Fälschern weltweit mit sehr ähnlichen Methoden gearbeitet.
Aber auch bei ihren Verfolgern funktioniert der Informationstransfer heute schnell von einem Ende der Welt zum anderen. An verschiedensten Schnittpunkten kann durch die Mithilfe unterschiedlichster Institutionen (z. B. Kontrolllaboratorien, Inspektionen, Ermittlungs- und Zulassungsbehörden) die Arzneimittelsicherheit erhöht und damit möglichen Gefahren begegnet werden.
Von Novellierungen der Arzneimittel-Gesetzgebung werden weitere Möglichkeiten zur Eindämmung von Fälschungen erhofft. Und die Pharmaindustrie sorgt im eigenen Interesse für fälschungssicherere Methoden in ihrer Produktion, z. B. mit imitationsgesicherten Verpackungen oder Hologrammen in Tabletten (wie bei Viagra, das zu den Fälschungsrennern gehört).
Durch die vorgeschriebenen Eingangsprüfungen von Wirkstoffen und Arzneidrogen oder durch Stichprobenkontrollen an Fertigarzneimitteln leistet auch der Offizinapotheker einen wichtigen Beitrag zu einer sicheren Verteilungskette für Arzneimitteln.
Letzte Verantwortung beim Apotheker
Besonders aktuell ist dies bei den ethnischen Arzneimitteln aus anderen Kulturkreisen. Immer wieder wird in der Fachpresse, aber auch in Boulevardblättern von gefährlichen Verwechslungen bei chinesischen Drogen berichtet. Der belgische Schlankheitsmittelskandal, wo Drogenverwechslungen mit aristolochiasäurehaltigen Drogen zu Nierenschädigungen und Krebserkrankungen von Patientinnen führten, hat Aufsehen erregt.
Der Import von traditionellen Heilpflanzen oder Fertigpräparaten fernöstlicher Medizinsysteme die traditionelle chinesische Medizin, aber auch z. B. die tibetische Medizin oder Ayurveda erfreuen sich zunehmender Beliebtheit ist problematisch, da diese Arzneimittel bei ihrer Gewinnung oder Herstellung anderen Regeln unterworfen sind. So konnten chinesische Fertigarzneimittel mit nicht deklarierten starken Wirkstoffen, wie etwa Glibenclamid, von den Behörden sichergestellt werden.
Werden von einem Importeur Analysenzertifikate mitgeliefert, verlassen sich Apotheken gerne darauf und prüfen bei der Annahme nur noch die Identität der gelieferten Ware. Wer aber garantiert für die Richtigkeit der Begleitpapiere, wer für die nötige Fachkompetenz und Seriosität des Importeurs? Authentisches Vergleichsmaterial ist nicht immer leicht zu bekommen. Hier jedoch ist besondere Aufmerksamkeit des Apothekers nötig, denn letztlich muss doch er durch geeignete Prüfungen die Verantwortung für die Echtheit und Qualität der Droge tragen.
Altbewährte Methoden immer noch aktuell
Manchmal genüge es jedoch auf altbewährte Prüfmethoden zurückzugreifen, empfahl Wierer und berichtete von einem durch Synthesenebenprodukte verunreinigten Wirkstoff. Ein einfacher Schmelzpunkt hätte schon Hinweise hierauf geben können. Immer wieder werden Fälle mit schwerwiegenden Folgen bekannt, wo Wirk- oder Hilfsstoffe gefälscht oder zersetzt waren oder wo die geltenden Prüfmethoden nicht mehr der erwarteten Sicherheit entsprechen. Daher wurde auf internationaler Ebene ein ICH-Dokument (International Conference on Harmonization) erarbeitet, das sich der Herstellung von Wirkstoffen nach den Regeln der Guten Herstellungspraxis (GMP) beschäftigt. Die Umsetzung in den Mitgliedstaaten der EU steht jedoch noch aus.
Warnung vor E-Handel
Fazit des Referenten: Die Globalisierung der Märkte erhöht zwar den Druck auf die Kosten, aber auch das Risiko. Als Risiko wertete Wierer aber auch den elektronischen Handel. Eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Arzneimittelfälschungen und -verwechslungen spiele auch für die Zukunft die sichere Verteilerkette vom Hersteller über den Großhandel und die Apotheke zum Patienten. Dabei bleibt der Beitrag des Apothekers auch weiterhin unverzichtbar. Nur so kann das Vertrauen in Arzneimittel und in den Arzneimittelfachmann erhalten bleiben.
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