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Krankenkassen-Papier: Arzneimittelsektor soll GKV-Defizit ausgleichen
Verwundern muss allerdings der plötzliche Sinneswandel bei den Krankenkassen. Noch Ende August hatte der Verband der Ersatzkassen erklärt, das Defizit beruhe wesentlich auf noch nicht ausgeglichenen Zahlungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs. Auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte Anfang September bei der Vorlage der Finanzergebnisse des ersten Halbjahres erklärt, das Defizit werde durch Renten- und Tariferhöhungen sowie Sonderzahlungen im zweiten Halbjahr weitgehend ausgeglichen. Wie in der Vergangenheit wollen die Kassen wiederum vornehmlich bei den Arzneimittelausgaben sparen. Im Fokus stehen vor allem die Vertriebskosten und die Ausgaben für Arzneimittel, für die bislang keine Festbeträge gelten.
In einem gemeinsamen Papier fordern die Kassenverbände Korrekturmaßnahmen, die kurzfristig wirken und Beitragssatzerhöhungen in Grenzen halten oder vermeiden. Ein entsprechendes Vorschaltgesetz müsse daher unmittelbar nach Bildung der neuen Bundesregierung auf den Weg gebracht werden und möglichst zum 1. Januar 2003 in Kraft treten. Im wesentlichen müssten die Einsparungen aus dem Arzneimittelbereich finanziert werden. Hier seien dringend Korrekturmaßnahmen erforderlich, die sachlich mehr als gerechtfertigt und zudem wegen der rasanten Ausgabenentwicklung gut begründbar seien.
Die Kassenvorschläge im Einzelnen
Die Kassenverbände schlagen im Einzelnen folgende kurzfristig wirksamen Maßnahmen zur Dämpfung des Kostenanstiegs bei den Arzneimittelausgaben und zur finanziellen Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung vor:
Sowohl die Reduktion der Großhandelsaufschläge als auch die Kappung im hochpreisigen Bereich erfordern eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Dies bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesrates.
Starke Belastung der Apotheken
Nach vorläufigen Schätzungen würden allein diese drei Maßnahmen die Apotheken mit bis zu 914 Mio Euro (1,788 Mrd. DM) belasten. Würden die Vorschläge der Kassen so umgesetzt, würde dies Ertragsausfälle für jede öffentliche Apotheke von durchschnittlich 42 500 Euro bedeuten. Die Schätzung geht davon aus, dass im Großhandel ansetzende Maßnahmen aufgrund des harten Wettbewerbs dort nicht aufgefangen werden können und in Form von Konditionsverschlechterungen weitgehend auf die Apotheken abgewälzt werden.
Außerdem: Positivliste, Versandhandel und mehr
Als weitere Maßnahmen schlagen die Kassen vor:
Angesichts der bisherigen Ratlosigkeit über die rechtssichere Gestaltung des Verfahrens gilt es als unwahrscheinlich, dass die Politik hier eine Entscheidung trifft, solange die Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof nicht abgeschlossen sind.
Bislang ist die Durchsetzung von Ausgabenobergrenzen bei den Arzneimittelausgaben daran gescheitert, dass kein rechtssicheres Verfahren zur Umlage der Honorarkürzungen auf die Vertragsärzte in den jeweiligen KVen zur Verfügung stand. Hierzu enthält das Kassenpapier ebenfalls keinen Vorschlag.
Als Alternative zu den Budgets schlagen die Kassen entsprechend der Vertragssituation in Nordrhein und Berlin vor, dass flächendeckend kombinierte Budgets einzuführen seien, die die vertragsärztlichen Honorare mit der Ausgabenobergrenze für Arznei- und Heilmittel verknüpfen. Hierfür müssten verbindliche gesetzliche Vorgaben geschaffen werden.
Ferner fordern die Kassen eine Flexibilisierung der Hilfsmittelversorgung. Die Krankenkassen seien bei der Hilfsmittelversorgung bislang weitgehend auf die Rolle als Kostenträger beschränkt. In einem stark ausdifferenzierten Markt mit weitgehend kartellierten Strukturen müssten Anreize zu einem aktiven Nachfragemanagement gesetzt werden. Den Krankenkassen müsse deshalb das Recht eingeräumt werden, bei der Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln unter den zugelassenen Leistungserbringern auszuwählen und Aufträge an preisgünstige Leistungserbringer zu vergeben. Ferner sei eine klare gesetzliche Definition zur Abgrenzung des Hilfsmittelbegriffs in der gesetzlichen Krankenversicherung und der Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens unerlässlich.
Entlastung von versicherungsfremden Leistungen
Weiterhin enthält das Papier Vorschläge zur Entlastung der Kassen von versicherungsfremden Leistungen, zur Stärkung der Finanzgrundlagen und zur Vermeidung einer weiteren Erosion der Beitragsgrundlagen. Als Beispiele krankenversicherungsfremder Leistungen, die aus der Verantwortung der Krankenkassen in die staatlich finanzierte Versorgung verlagert werden sollten, nennt das Papier
Eine Herausnahme der genannten versicherungsfremden Leistungen aus dem Leistungsrahmen der GKV würde die GKV um ca. 2 Mrd. Euro entlasten. Nachdrücklich warnen die Kassen davor, dass es bei der Umsetzung von sozialpolitischen Reformen zu keinen neuen Erosionen der Finanzgrundlagen der GKV kommen darf. Risiken für mögliche Einnahmeausfälle mit gleichzeitigen Ausgabenerhöhungen sehen die Kassen offensichtlich z. B. bei der Ausweitung der Geringfügigkeitsgrenze oder der Reform von Sozial- und Arbeitslosenhilfe.
Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass im Bundesgesundheitsministerium an einem möglichst zum 1. Januar 2003 in Kraft tretenden Vorschaltgesetz, d. h. ein Bündel von kurzfristig wirkenden Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung, bereits gearbeitet wird. Beobachter erwarten, dass es hierzu nach der Regierungsbildung mehr Klarheit geben wird.
Mit tiefen Einschnitten bei den Arzneimittelausgaben wollen die Krankenkassen den erwarteten Beitragssatzsteigerungen um bis zu 0,3%-Punkte zum Jahreswechsel begegnen. Dies geht aus einem gemeinsamen Papier der GKV-Spitzenverbände hervor, das die Kassenverbände am 1. Oktober im Bundesgesundheitsministerium vorstellten. Vor dem Hintergrund des Defizits der gesetzlichen Krankenkassen und einer tendenziell weiter sinkenden Einnahmenbasis sehen die Kassenverbände dringenden Handlungsbedarf für ein Sofortprogramm im Arzneimittelbereich zur Stabilisierung der Ausgabenentwicklung und zur Verbesserung der Einnahmensituation
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