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Arzneimittel und Therapie
Invasive Mykosen: Breitband-Antimykotikum Voriconazol – mögliche Alternat
Neuer VertreterVoriconazol
Voriconazol (Vfend®) ist seit März 2002 als Filmtablette und als Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung zur Therapie schwerer, möglicherweise lebensbedrohlicher Mykosen zugelassen. Die Substanz wirkt fungizid vor allem auf Aspergillus-Arten, wobei auch Itraconazol- und Amphotericin-B-resistente Aspergillen erfasst werden. Auf Candida-Spezies einschließlich Candida krusei übt sie einen fungistatischen Effekt aus.
Gegen seltene Keime wie Cryptococcus neoformans, Histoplasma capsulatum, Fusarium-Spezies, Penicillium-Spezies und Scedosporium apiospermum ist ebenfalls eine gute Wirksamkeit nachgewiesen worden. Der besondere Vorteil der Substanz liegt in seiner guten Liquorgängigkeit, sodass nun auch für Aspergillosen des Gehirns, die bisher fast immer tödlich verliefen, eine erfolgversprechende Therapieoption besteht.
Vergleichsstudie zeigte Überlegenheit
Voriconazol wurde bisher in klinischen Studien weltweit an ca. 2000 Patienten angewendet. Geprüft wurde auch, ob die Substanz den bisherigen Goldstandard Amphotericin B ablösen könnte, da dessen Anwendung durch die relativ hohe Nephrotoxizität eingeschränkt ist. In einer offenen randomisierten Vergleichsstudie wurde Voriconazol (144 Patienten) versus Amphotericin B (133 Patienten) zur Primärtherapie einer invasiven Aspergillose bei immunsupprimierten Patienten eingesetzt.
Voriconazol wurde am ersten Tag als Initialdosis von 6 mg pro kg Körpergewicht zweimal im Abstand von 12 Stunden intravenös verabreicht, gefolgt von einer Erhaltungsdosis von 4 mg pro kg Körpergewicht i. v. zweimal täglich für mindestens sieben Tage. Daran schloss sich eine orale Therapie mit zweimal täglich 200 mg an. Amphotericin B wurde in einer Tagesdosis von 1 bis 1,5 mg pro kg Körpergewicht intravenös verabreicht.
Bei 52,8 Prozent der mit Voriconazol behandelten Patienten zeigte sich nach 12 Wochen ein Therapieerfolg (20,8 Prozent vollständige Heilung, 31,9 Prozent partielles Ansprechen), während im Vergleichsarm die Therapie nur bei 31,6 Prozent der Patienten (16,5 Prozent vollständige Heilung, 15,0 Prozent partielles Ansprechen) erfolgreich war.
Am Ende der randomisierten Behandlung war der Unterschied noch größer: Unter Voriconazol wurde bei 53,5 Prozent der Patienten ein Therapieerfolg dokumentiert, unter Amphotericin B nur bei 21,8 Prozent. Die Überlebensrate bei den mit Voriconazol behandelten Patienten lag nach 84 Tagen bei 70,8 Prozent gegenüber 57,9 Prozent in der Amphotericin-B-Gruppe.
Bessere Verträglichkeit von Voriconazol
Das Nebenwirkungsprofil von Voriconazol entspricht im Wesentlichen dem von Fluconazol. Eine sehr häufige – bei etwa 30 Prozent der Patienten auftretende – Nebenwirkung, die von anderen Azolen in dieser Form bisher nicht bekannt war, sind Sehstörungen. Sie äußern sich als veränderte Farbwahrnehmungen, unscharfes Sehen und Lichtscheuheit, bessern sich aber im Laufe der Behandlung. Sehr häufig traten in klinischen Studien ebenfalls Fieber, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, periphere Ödeme, Hautausschläge und ein klinisch signifikanter Anstieg der Transaminasewerte auf.
In der Vergleichsstudie traten bei Voriconazol weniger schwere Nebenwirkungen und weniger Therapieabbrüche auf als bei Amphotericin B. Insbesondere waren die nephrotoxischen Effekte, wie sie bei der Amphotericin-B-Behandlung häufig sind, unter Voriconazol nicht zu beobachten. Nach bisherigen Erkenntnissen ist auch die Hepatotoxizität der Substanz geringer als die von Ketoconazol.
Invasive Mykosen müssen häufig über einen sehr langen Zeitraum behandelt werden, daher wurde der Untersuchung der Langzeitsicherheit von Voriconazol große Beachtung geschenkt. In klinischen Studien erhielten mehr als 300 Patienten Voriconazol länger als 12 Monate. Durch die Verfügbarkeit des Wirkstoffs in oraler und intravenöser Form wird eine langfristige Therapie begünstigt, Patienten können nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf eine orale Therapie umgestellt werden. Wichtig zu wissen für die orale Therapie: Voriconazol als Filmtablette sollte eine Stunde nach dem Essen eingenommen werden.
Invasive Mykosen sind gefürchtete Komplikationen
Die Inzidenz invasiver Mykosen hat in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Bei Hochrisikogruppen liegt sie derzeit zwischen 5 und 20 Prozent. Besonders gefährdet sind Patienten mit malignen hämatologischen Erkrankungen unter zytostatischer Chemotherapie, HIV-Patienten, organ- und knochenmarkstransplantierte Patienten, intensivmedizinisch betreute Patienten nach Operationen, Verbrennungen und langfristiger Antibiotika-Behandlung sowie Patienten unter invasiven Therapiemaßnahmen wie Beatmung und zentrale Gefäßkatheter. Zu den Keimen, die lebensbedrohliche Mykosen auslösen können, gehören vor allem Aspergillus, Candida albicans und non-albicans Candida-Spezies, Kryptokokken, Trichosporon beigelii, Fusarium- und Penicillium-Spezies.
Wirkung durch Enzymblockade
Der Goldstandard in der Therapie schwerer lebensbedrohlicher Mykosen ist das Amphotericin B, das bereits 1952 in die Therapie eingeführt wurde. Die Substanzklasse der antimykotisch wirkenden Azolderivate, deren jüngster Vertreter Voriconazol ist, existiert seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung der Biosynthese von Ergosterol aus Lanosterol durch Angriff an der 14α-Lanosterol-Demethylase. Die Anreicherung von Lanosterol und der Mangel an Ergosterol in den Pilzzellen führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Membranfunktion und damit zu einer Hemmung des Wachstums und der Teilung (fungistatische Wirkung) bis hin zum Zelluntergang (fungizide Wirkung bei einigen Substanzen).
Den besonders gefürchteten systemischen Aspergillosen, hervorgerufen durch Aspergillus fumigatus, war mit den bisher in der Therapie verwendeten Triazolderivaten Itraconazol und Fluconazol nur schwer beizukommen. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem – wie es beispielsweise nach einer Chemotherapie oder Transplantation der Fall ist – kann der Pilz eine schwere Erkrankung mit Todesfolge verursachen. Die Gesamtmortalitätsrate bei immunsupprimierten Patienten liegt etwa bei 58 Prozent, nach Knochenmarkstransplantation kann sie bis zu 87 Prozent betragen, bei Gehirnbefall liegt die Mortalitätsrate bei nahezu 100 Prozent.
Kastentext: Invasive Aspergillose
Der Erreger der invasiven Aspergillose ist Aspergillus fumigatus, ein ubiquitärer Pilz, der in Wasser, Staub, Schmutz, Mulch, einigen Nahrungsmitteln und Zierpflanzen zu finden ist. Eine invasive Aspergillose stellt sich zunächst als pulmonale Infektion dar, die mit Brustschmerzen, Husten und Fieber einhergeht. Der Erreger kann sich im ganzen Körper ausbreiten und in verschiedenen Organen, einschließlich des Gehirns, festsetzen. Unbehandelt kann eine invasive Aspergillose innerhalb weniger Tage zum Tode führen.
Quelle
Dr. F. Schwegler, Karlsruhe, Prof. H. Ch. Korting, München, Prof. A. Rodloff, Leipzig, Prof. R. Stahlmann, Berlin, Priv.-Doz. Dr. M. Ruhnke, Berlin, Priv.-Doz. Dr. G. Maschmeyer, Berlin, Prof. K. Rommelsheim, Bonn; Einführungs-Pressekonferenz Vfend®, Berlin, 8. Oktober 2002, veranstaltet von der Pfizer GmbH, Karlsruhe.
Invasive Mykosen, die besonders für immunsupprimierte Patienten eine tödliche Gefahr darstellen, sind schwer therapierbar. Als Mittel der ersten Wahl galt bisher Amphotericin B, das jedoch eine Reihe schwerer Nebenwirkungen besitzt. In einer Vergleichsstudie zur Primärtherapie invasiver Aspergillosen zeigte das Triazolderivat Voriconazol (Vfend), das seit März 2002 zur Therapie schwerer, möglicherweise lebensbedrohlicher Mykosen zugelassen ist, nicht nur eine höhere Ansprech- und Überlebensrate, sondern auch eine bessere Verträglichkeit als Amphotericin B.
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