Arzneimittel und Therapie

Topische Steroide: Der Cortisonangst rational begegnen

Topische Corticosteroide haben in großen Teilen der Bevölkerung immer noch ein schlechtes Image. Da diese Wirkstoffe bei entzündlichen Dermatosen jedoch nach wie vor unverzichtbar sind, gilt es sowohl ihren indikationsspezifischen Einsatz zu optimieren als auch der Cortisonangst rational zu begegnen. Daher werden die wichtigsten Präparate derzeit von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft anhand wissenschaftlicher Daten neu klassifiziert. Die Basis des neuen Bewertungssystems stellt dabei der Therapeutische Index dar.

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung steht Cortisonpräparaten immer noch sehr ablehnend gegenüber. Dabei ist nur einer Minderheit bekannt, dass sich topische und systemische Cortisonanwendung hinsichtlich ihrer Risiken deutlich unterscheiden: Lediglich 17% der Teilnehmer einer repräsentativen Befragung von mehr als 2000 Erwachsenen glaubten, dass die topische Cortisonanwendung mit einem geringeren Nebenwirkungsrisiko verbunden ist als die systemische Applikation.

So wurden als häufigste Begleiteffekte von Cortisontopika Aufschwemmung sowie Schäden an Haut, Knochen und inneren Organen genannt. Die Umfrage machte zudem eine enge Korrelation zwischen Cortisonangst und Informationsdefizit deutlich: Unter den Cortisonverweigerern war der Anteil derjenigen, die sich nicht ausreichend informiert fühlten oder überhaupt nicht beraten worden waren, besonders hoch.

Information kontra Cortisonangst

Bei einer systemischen Cortisontherapie muss auch heute noch mit den klassischen Nebenwirkungen wie z. B. dem Cushing-Syndrom, Hypokaliämie, Osteoporose, Wachstumsstörungen oder Steroidstriae gerechnet werden. Diese lassen sich jedoch bei kutaner Anwendung moderner topischer Steroide, die über ein günstigeres Nutzen-Risiko-Verhältnis verfügen, weitgehend vermeiden. Seit mehr als zehn Jahren stehen solche Substanzen (z. B. Prednicarbat, Mometasonfuroat, Methylprednisolonaceponat etc.) nun schon zur Verfügung.

Bei nicht-okklusiver Anwendung werden diese Verbindungen nicht mehr resorbiert und verursachen trotz potenter antientzündlicher Wirkung auch praktisch keine Hautatrophie mehr. Dies konnten Untersuchungen zur Daueranwendung über ein Jahr eindrucksvoll belegen. Demgegenüber wurde mit den älteren, immer noch häufig rezeptierten Steroiden wie Clobetasolpropionat, Betamethasonvalerat oder Triamcinolonacetonid bereits nach sechs Wochen mittels Ultraschall eine Abnahme der Hautdicke um über 20% festgestellt. Nach Ansicht von Dermatologen ist daher vor allem der langfristige Einsatz älterer Steroide – selbst angesichts des enormen Kostendrucks – heute nicht mehr vertretbar.

Auch auf die Galenik kommt es an

Topische Steroide haben ihre Domäne in der Therapie entzündlicher Dermatosen, deren Ursache nicht bekannt oder nicht behandelbar ist. Hierzu zählen z. B. Kontaktekzeme, Neurodermitis, Lichen ruber (Knötchenflechte), Prurigo (juckende Hautknoten) sowie allergische Arzneimittelnebenwirkungen.

Bisher wurde jedes topische Steroid einer der vier Wirkstärkeklassen nach Niedner (schwach, mittel, stark, sehr stark) zugeordnet. Dabei blieb jedoch unberücksichtigt, dass die Wirkstärke eines Steroids von verschiedenen Faktoren abhängen kann: So ist die Penetrationsfähigkeit eines Wirkstoffs je nach behandeltem Hautareal unterschiedlich (Bein < Arm < Stamm < Genitale). Unter Okklusion kann sich die Resorptionsrate um das 5- bis 10fache erhöhen.

Aber auch die galenische Formulierung hat, je nachdem, wie gut sie den Wirkstoff freisetzt, entscheidenden Einfluss. Daher kann eine corticoide Substanz, die in gleicher Konzentration als Salbe, Creme oder fettfreie Lösung auf dem Markt ist, theoretisch verschiedenen Wirkstärkeklassen angehören. Diesem Phänomen wurde z. B. beim Präparat Flutivate®-Salbe bzw. -Creme dadurch Rechnung getragen, dass die Salbe eine Wirkstoffkonzentration von 0,05 mg/g, die Creme dagegen von 0,5 mg/g enthält. So können beide Formulierungen als gleich wirksam bezeichnet werden.

Eine neue Messlatte:

der Therapeutische Index Um die Therapiesicherheit mit topischen Steroiden zu verbessern und dem Arzt die Auswahl des jeweils am besten geeigneten Präparates im individuellen Fall zu erleichtern, will die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) eine neue Klassifikation dieser Wirkstoffgruppe etablieren.

Im Mittelpunkt steht dabei der Therapeutische Index (TIX), der als Quotient von Wirkung und Nebenwirkung nach einem komplexen Berechnungsschlüssel ermittelt wird. Hierzu muss jedoch zunächst das wissenschaftliche Datenmaterial zu Wirkung (z. B. Niedner-Klassifikation, Erythem-Tests etc.) und Nebenwirkung (z. B. Hautatrophiepotenzial, systemische Begleiteffekte etc.) herangezogen und gewichtet werden.

Nach Ermittlung des TIX für die zehn wichtigsten und am häufigsten eingesetzten topischen Steroide soll dann eine Leitlinie mit Einsatzempfehlungen der DDG bzw. des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen zu einzelnen Handelspräparaten erstellt werden. Eine Publikation der neu erarbeiteten Leitlinien wird für Anfang nächsten Jahres erwartet.

Quelle

Prof. Dr. Martina Kerscher, Hamburg, Prof. Dr. Roland Niedner, Potsdam, Prof. Dr. Peter Elsner, Jena, Prof. Dr. Thomas Luger, Münster, Pressesymposium "Keine Angst vor Cortison – Therapeutischer Index gibt Arzt und Patient Sicherheit bei topischen Steroiden", Berlin, 7. Oktober 2002, veranstaltet von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)

Topische Corticosteroide haben in großen Teilen der Bevölkerung immer noch ein schlechtes Image. Da diese Wirkstoffe bei entzündlichen Dermatosen jedoch nach wie vor unverzichtbar sind, gilt es sowohl ihren indikationsspezifischen Einsatz zu optimieren als auch der Cortisonangst rational zu begegnen. Daher werden die wichtigsten Präparate derzeit von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft anhand wissenschaftlicher Daten neu klassifiziert. Die Basis des neuen Bewertungssystems stellt dabei der Therapeutische Index dar.

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