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- DAZ 46/2002
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Pharmazeutische Biologie
B. Gehrmann, M. F. MelzigGrindeliakraut – Anti
Botanische Beschreibung
Der Gattungsname "Grindelia" lässt sich auf den deutschen Botaniker David H. von Grindel (1766 – 1836) zurückführen; der Artname "robusta" deutet auf den kräftigen, starken äußeren Habitus der Pflanze hin. Im Englischen wird sie wegen eines harzartigen Überzugs während der frühen Wachstumsperiode auch "gum plant" genannt.
Die Tendenz, im zweiten Jahr 2 bis 5 cm große Blütenköpfchen zu bilden, wird als Gattungsmerkmal beschrieben [1]. Diese Blütenköpfchen (Abb. 1 und 2) sind im Knospenstadium von einem gleichfalls für die Gattung typischen weißlich bis transparent (bei Grindelia robusta) glänzenden Harz überzogen [1]. In botanisch-warenkundlicher Hinsicht hat B. Hohmann die Arten der Gattung Grindelia beschrieben [2].
Grindelia robusta erreicht eine Höhe von etwa 40 bis 120 cm (Abb. 3); sie besitzt aufrechte, zylindrische, vertikalgestreifte Stängel mit gelbgrünlichen, länglich-lanzettlichen und glänzenden Blättern, die etwa 25 bis 90 mm lang und 7 bis 30 mm breit sind. Die gelblichen, mit Harz bedeckten Blütenköpfchen stehen einzeln an den Zweigenden und haben einen Durchmesser von 10 bis 25 mm.
Inhaltsstoffe
Die Arzneidroge, Grindeliae herba, besteht aus den getrockneten, während der Blütezeit (Mai bis Juni) gesammelten Stängelspitzen und Blättern von Grindelia robusta Nutt (Abb. 4). Der Geruch des getrockneten Krauts ist aromatisch mit schwach säuerlicher Note, der Geschmack ist anfangs süßlich, später leicht bitter [3, 4].
Da die Harzproduktion für Grindelia als charakteristisch beschrieben und als phytochemische Anpassung der Gattung an deren aride Standorte gewertet wird (J. J. Hoffmann et al., zit. in [1]), kam und kommt der Analytik des Harzes verschiedener Grindelia-Arten eine besondere Bedeutung zu [5 – 8]. Als mögliche Surrogatverwendung für Erdöl in Form eines "nachwachsenden Rohstoffes" wird auch eine wirtschaftliche Bedeutung des Grindelia-Harzes diskutiert (B. N. Timmermann et al., J. J. Hoffmann et al., zit. in [1]).
Für die Droge Grindeliae herba sind verschiedene Inhaltsstoffgruppen beschrieben wie Diterpene, Flavonoide, Acetylene, ätherisches Öl, Saponine, Gerbstoffe, Phenolcarbonsäuren u. a. [1, 9]. Untersuchungen über die Zusammensetzung des ätherischen Öls wurden in der jüngeren Vergangenheit von M. Schäfer und O. Schimmer durchgeführt [10, 11]. Zum ätherischen Öl waren zuvor Untersuchungen zum Metabolismus von Grindelia-Matricariaester beschrieben worden [12].
Zur Analytik der Phenolcarbonsäuren (Abb. 5) aus verschiedenen Grindelia-robusta-Extrakten (Tab. 1) ist eine schnelle und einfache dünnschichtchromatographische Trennung, die in jedem Apothekenlabor zur qualitativen Analytik praktiziert werden kann, vorgestellt worden. Mithilfe von aufwändigeren densitometrischen Messmethoden können anhand der Dünnschichtchromatogramme auch quantitative Aussagen über den Gehalt von Phenolcarbonsäuren getroffen werden [13, 14].
Volksmedizinische Verwendung
In Kalifornien werden Grindelia robusta und G. squarrosa, die sich äußerlich kaum voneinander unterscheiden, seit dem 18. Jahrhundert als Heilmittel geschätzt und für die gleichen Indikationen eingesetzt. Bis ins frühe 20. Jahrhundert wurden beide Arten als Stammpflanzen für die Droge Herba Grindeliae in der Amerikanischen Pharmakopöe geführt.
Die Droge wurde in den USA als Antiasthmatikum, Antispasmodium und bei Bronchialkatarrh verwendet, in England auch bei Keuchhusten, Allergien und Dermatitis. Berichte aus deutschen Kliniken zu Beginn des 20. Jahrhunderts verweisen auf die ausgezeichnete Wirksamkeit eines Fluidextraktes aus Grindeliae herba zum Lösen von schwer löslichem Schleim bei Asthma bronchiale, Bronchitis und Lungenemphysem [15].
Grindeliakraut in Kombinationspräparaten
Wegen der expektorierenden und spasmolytischen Eigenschaften wird die Anwendung des Grindeliakrautes als Expektorans und Antiasthmatikum mit spasmolytischer Tendenz beschrieben. Daher waren Extrakte und Tinkturen zeitweilig auch Bestandteil von Kombinationspräparaten [16], wurden jedoch aus einigen deutschen Handelspräparaten eliminiert.
In der ABDA-Datenbank (Prokas/2 Version 1.4, Stand 15. 9. 2002) wird derzeit z. B. das Fertigarzneimittel Asthma-6 N Saft aufgeführt, das folgendermaßen zusammengesetzt ist (in 5 ml Saft):
Ephedrinhydrochlorid 8 mg Senegawurzel-Fluidextrakt 100 mg Grindelia-Tinktur 106,5 mg Hilfsstoffe: Sorbitol, Glycerol, Polysorbat 20, Süßholz-Fluidextrakt Ethanol 8,5 Vol%
Auch in Italien sind einige Fertigarzneimittel bekannt, die u. a. einen lyophilisierten Grindelia-Extrakt in geringer Quantität enthalten (s. Kasten). Die herstellende Firma baut Grindelia robusta Nutt. selbst nach den Richtlinien einer organischen Kultivierung in der Toskana an [17, 18]. Weitere Anbaugebiete liegen in Norditalien sowie gelegentlich auch in anderen Teilen Europas [19]. So stammt z. B. eine der in [13] und [14] untersuchten Drogen von den Versuchsfeldern der landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
Im HAB 2001 ist eine Monographie Grindelia robusta enthalten. Homöopathisch wird Grindeliakraut als Urtinktur (Abb. 6) oder in Form von Dilutionen, Globuli und Tabletten, meist in Potenzen von D2 bis D6, zubereitet. Es wird vor allem bei Patienten mit schwer löslichem Schleim der Bronchien eingesetzt.
Die Gelbe Liste (Phytopharmaka + Homöopathika 2002) nennt das Lungenspezifikum Pulmorell.
Es enthält (in 2 ml Amp.): Grindelia robusta D4 dil. 0,66 ml Grindelia robusta D8 dil. 0,67 ml Grindelia robusta D12 dil. 0,67 ml Weitere Bestandteile: Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke
Entzündliche Erkrankungen der Atemwege
Betrachtet man die angegebenen Indikationen für den Einsatz der Droge, dann scheinen insbesondere entzündliche Erkrankungen der Atemwege ein Anwendungsgebiet für Grindeliae herba zu sein. Unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse zur Pathogenese dieser Erkrankungen rücken Untersuchungen zum Einfluss von Drogenextrakten auf solche Entzündungsmediatoren in den Mittelpunkt des Interesses, die besonders bei Asthma, Bronchitis und dem Lungenemphysem eine dominante Rolle spielen.
Dazu zählt neben den Prostaglandinen vor allem die leukozytäre Elastase, ein proteolytisches Enzym, das von Lymphozyten im Entzündungsherd freigesetzt wird. Ethanolische Extrakte aus Grindeliae herba hemmen dieses Enzym relativ stark (IC50-Werte im Bereich um 2 µg/ml) und geben damit erste Hinweise, dass für die berichtete klinische Wirksamkeit auch experimentell belegbare, kausale biologische Effekte existieren [14].
Hemmung der leukozytären Elastase
Dies wird auch bei näherer Betrachtung der Rolle der leukozytären Elastase im Entzündungsgeschehen deutlich. Hauptfunktion des Enzyms ist der Abbau bzw. die Verdauung von phagozytierten Bakterien und Immunkomplexen durch polymorphnukleäre Leukozyten. Es baut weiterhin vor allem Proteine der Extrazellularmatrix ab und fördert damit die Ausbreitung und Aufrechterhaltung der Entzündung.
Zugleich ist die leukozytäre Elastase aber auch an der Pathogenese verschiedener Entzündungsprozesse beteiligt, wie Lungenemphysem, Adult Respiratory Distress Syndrom (ARDS), rheumatoide Arthritis oder bakterielle Infektionen [20]. Die Hemmung dieses Enzyms besitzt nach klinischen Studien therapeutische Relevanz, und das Auffinden effizienter Inhibitoren ist Gegenstand von Projekten in der Wirkstoffforschung.
Diese Zusammenhänge sind auch der Ausgangspunkt für die Suche nach Naturstoffen aus pflanzlichen Drogen, die zur Entzündungshemmung eingesetzt werden und in der Lage sind, die leukozytäre Elastase zu hemmen. Eine erste Studie zu dieser Thematik hat gezeigt, dass verschiedene phenolische Verbindungen effektive Hemmstoffe des Enzyms sind [21]. Darunter sind auch solche phenolische Verbindungen, die in Grindeliae herba nachgewiesen wurden [13].
Weiterhin besitzen Extrakte aus der Droge eine antimikrobielle Wirkung gegen Problemkeime, die gerade bei Infektionen der oberen Luftwege mit nachfolgenden Entzündungen auftreten, wie z. B. Staphylococcus aureus, Diplococcus pneumoniae und auch Bordetella pertussis (M. Pinkas et al., N. Dindry et al., zit. in [1]).
Fazit
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Grindeliae herba, eine (fast) vergessene Droge, durchaus das Potenzial für ein effektives Phytotherapeutikum zur Behandlung von Entzündungsvorgängen besitzt. Es dürfte sich also lohnen, diese alte Arzneipflanze einer intensiveren wissenschaftlichen Bearbeitung zu unterziehen.
Danksagung:
Für die Pflanzenaufnahmen (Abb. 1 bis 3) danken wir vielmals Herrn Apotheker Dipl.-Pharm. Ph. Hebestreit, Freie Universität Berlin. Das Pflanzenmaterial stellte uns dankenswerterweise Frau PD Dr. R. Schenk, Humboldt-Universität zu Berlin, zur Verfügung.
Kastentext Zusammensetzung einiger Kombinationspräparate mit Grindeliakraut
GrindOral, balsamische Tabletten, 1500 mg Rohrzucker 1013 mg Milchpulver 430 mg Propol-Pur® (Propolis-Extrakt) 32 mg Lyophilisierter Grindelia-Extrakt 15 mg Eukalyptusöl 5 mg Minzöl 5 mg
GrindTus für Erwachsene, 240 g Akazienhonig 216,91 g Wässrig-alkholischer Propolis-Extrakt 2,4 g Propol-Pur® (Propolis-Extrakt) 1,3 g Süßholzsaft 1,2 g Sternanisöl 0,72 g Eukalyptusöl 0,36 g Lyophilisierter Grindelia-Extrakt 0,288 g Kiefernnadelöl 0,024 g Wasser ad 240 g Deklaration jeweils nach [17]
GrindPectoral (ohne Mengenangaben) Öliger Grindelia-Extrakt Eukalyptusöl Niaouliöl Zitronenöl Campheröl Myrtenöl Cajeputöl
GrindTus für Kinder, 250 g Akazienhonig 229,06 g Wässrig-alkoholischer Propolis-Extrakt 1,25 g Orangensaft 1 g Propol-Pur® (Propolis-Extrakt) 0,5 g Zitronenschalenöl 0,2 g Lyophilisierter Rosenblüten-Extrakt 0,125 g Lyophilisierter Grindelia-Extrakt 0,125 g Sternanisöl 0,125 g Natürliches Mandarin-/Orangenaroma 0,1 g Kiefernnadelöl 0,015 g Wasser ad 250 g
Literatur
[1] E. Stahl-Biskup (1998) in: W. Blaschek, R. Hänsel, K. Keller, J. Reichling, H. Rimpler, G. Schneider (Hrsg.) Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl., Folgeband 2, Drogen A – K, 812 – 821, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. [2] B. Hohmann (1966) Botanisch-warenkundliche Untersuchungen innerhalb der Gattung Grindelia, Diss., Universität Hamburg. [3] M. Grieve (1931, rev. ed. 1971/1996) A Modern Herbal, Barnes and Noble Inc., New York. [4] Deutsches Homöopatisches Arzneibuch HAB 2001. [5] L. Zhou, E. R. Fuentes, J. J. Hoffmann, B. N. Timmermann (1995) Phytochemistry 40, no. 4, 1201 – 1207, Diterpenoids from Grindelia Tarapacana. [6] L. A. Paquette, H.-L. Wang (1995) Tetrahedron Lett. 36, no. 34, 6005 – 6008, Total synthesis of (+)-grindelic acid by stereocontrolled oxonium ion activated pinacol ring expansion. Chemical proof of the absolute configuration of all grindelane diterpenes. [7] J. A. Zavala, D. A. Ravetta (2001) Field Crops Res. 69, 143 – 149, Allocation of photoassimilates to biomass, resin, and carbohydrates in Grindelia chiloensis as affected by light intensity. [8] J. A. Zavala, D. A. Ravetta (2001) Field Crops Res. 69, 227 – 236, The effect of irrigation regime on biomass and resin production in Grindelia chiloensis. [9] H. H. Kaiser (1955) Beiträge zur Kenntnis der Inhaltsstoffe von Herba Grindeliae, Diss., Universität Karlsruhe. [10] M. Schäfer (1995) Studien zur Zusammensetzung der ätherischen Öle oberirdischer Organe arzneilich verwendeter Grindelia-Arten, Diss., Universität Erlangen-Nürnberg. [11] M. Schäfer, O. Schimmer (2000) J. Essent. Oil Res. 12, 547 – 552. [12] M. Lieske (1976) Untersuchungen über den Metabolismus von Matricariaester an Grindelia robusta Nutt., Diss., Technische Universität Berlin. [13] B. Gehrmann, M. F. Melzig (2002) Analytical Studies on Gum Plant (Grindelia robusta Nutt.) Extracts, 43rd Ann. Meeting of the American Society of Pharmacognosy and 3rd Monroe Wall Symposium, P3. [14] B. Gehrmann, M. F. Melzig (2002) Revista de Fitoterapia 2, Suppl. 1, 91, Re-evaluation Studies on Grindelia robusta Nutt. [15] G. Madaus (1938) Lehrbuch der biologischen Heilmittel, 1493 – 1496, Georg Thieme Verlag, Leipzig. [16] D. Frohne (2002) Heilpflanzenlexikon: Ein Leitfaden auf wissenschaftlicher Grundlage, 7., völlig neu bearb. Aufl., 288, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart. [17] www.aboca.it [18] pers. Mitteilung Prof. Dr. Ch. Franz. [19] J. Schultze-Motel (Hrsg.) (1986) Rudolf Mansfeld, Verzeichnis landwirtschaftlicher und gärtnerischer Kulturpflanzen, 2. Aufl., Bd. 3, 1267 – 1268, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. [20] J. G. Bieth (1998) in: A. J. Barrett, N. D. Rawlings, F. F. Woessner (eds.) Handbook of proteolytic enzymes, 54, Academic Press, London. [21] M. F. Melzig, B. Löser, S. Ciesielski (2001) Pharmazie 56, 967 – 970, Inhibition of neutrophil elastase activity by phenolic compounds from plants.
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