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Arzneimittelsicherheit: Illegale und gefälschte Arzneimittel

Auf einer Veranstaltung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft am 28. November 2002 in Stuttgart hielt Prof. Dr. Dietrich Schnädelbach, Bundes- institut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn, einen Vortrag mit dem Thema: Illegale Arzneimittel.

Mit gefälschten Medikamenten und minderwertigen Rohstoffen machen skrupellose Geschäftemacher Milliardenumsätze und setzen das Leben von Menschen aufs Spiel. Der Profit ist dem in der Rauschgiftszene vergleichbar. Etwa 70% der Arzneimittelfälschungen werden in den Entwicklungsländern entdeckt. Der Markt und Vertrieb der gefälschten Arzneimittel breitet sich aber auch in industrialisierten Länder weiter aus. Wir haben es mit einem globalen Problem zu tun.

Nach den bisherigen Erkenntnissen wird alles, was möglich ist und Profit bringt, gefälscht. So umfasst das Angebot u. a. Anabolika, hormonelle Kontrazeptiva, Antibiotika, Hustensäfte, Impfstoffe und Malariapräparate.

Fälschungen von Fertigarzneimitteln

Einen besonders attraktiven Markt bilden die Anabolika und die Life-Style-Drugs.

So machte der Fall Deggendorf, bei dem 660 kg Anabolikatabletten, 5600 Ampullen mit Anabolika, 1000 Ampullen mit Wachstumshormonen und 380 000 Leerampullen sicher gestellt wurden, im Jahr 1997 Schlagzeilen. Die dabei beschlagnahmten Produkte waren falsch deklariert, denn sie enthielten zu wenig, gar keinen oder einen anderen als den angegebenen Wirkstoff.

Diese Mängel weisen auch die in der letzten Zeit aufgefallenen Fälschungen, Nachahmungen und Eigenentwicklungen somatotropinhaltiger Arzneimittel auf, die illegal als Dopingmittel und zur Anti-Aging- und Anti-Obesity-Therapie eingesetzt werden. Für alle diese Anwendungsgebiete sind somatotropinhaltige Arzneimittel nicht zugelassen. Auf dem Markt wurden Arzneimittel entdeckt, die (nicht zugelassenes) Somatropin aus den Hypophysen verstorbener Menschen oder gar das Schwangerschaftshormon Choriongonadotropin enthielten.

Spitzenreiter bei den illegalen Life-Style-Drugs sind Potenzmittel, die den Wirkstoff Sildenafil enthalten (oft umgepackte oder umgearbeitete Originalware) oder nicht enthalten. Der Einfallsreichtum der Fälscher scheint keine Grenzen und Skrupel zu kennen. So waren zum Beispiel tadalafilhaltige Arzneimittelfälschungen noch vor Zulassung des entsprechenden Originalproduktes auf dem Markt erhältlich!

Vermeintliche Nichtarzneimittel

Erhebliche Probleme bereitet und nicht weniger kriminell ist der nicht deklarierte Zusatz von hochpotenten und/oder hochtoxischen Stoffen in vermeintlich natürliche und daher unschädliche Produkte wie zum Beispiel Kosmetika, so genannte Nahrungsergänzungsmittel und Tee- und Kräutermischungen. Als nicht deklarierte Inhaltsstoffe wurden in verdächtigen Produkten u. a. nachgewiesen: Anabolika, Corticosteroide, HMB (α-Hydoxy-α-methylbuttersäure), Hormone wie Melatonin und Somatropin und nicht zuletzt Dinitrophenol (zur Gewichtsreduktion).

Auch die Verwechslung von Drogen, wie sie immer wieder in Tee- und Kräutermischungen aus Asien beobachtet wird, kann gefährlich und lebensbedrohend sein. Eine Ursache dafür ist z. B. in China, dass dasselbe Wort in verschiedenen Regionen unterschiedliche Drogen bezeichnen kann. Daher kommt es immer wieder zu Beimengung von Aristolochia-Drogen in chinesische Phytopharmaka (geringste Mengen Aristolochiasäure lassen sich mit der DC-Prüfungsvorschrift Nr. 7 des DAC nachweisen).

Üblich ist auch der Zusatz von Schwermetallen und nicht deklarierten Stoffen (Appetitzügler, Glucocorticoide, orale Antidiabetika). In diesem Zusammenhang wurden bereits schwerste Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen beobachtet.

Minderwertige Rohstoffe

Aus Kostengründen werden heute Rohstoffe in der ganzen Welt eingekauft. Diese werden nicht immer entsprechend den Standards der entwickelten Länder hergestellt, gelagert und vertrieben. Und so gelangen auch Stoffe, deren Identität falsch ist, die eine ungenügende Reinheit aufweisen, die verfälscht sind, eine anomale Toxizität aufweisen oder die mit gefälschten Prüfzertifikaten geliefert werden, in den Handel.

Dies sollte für den Erwerber und Verarbeiter dieser mangelhaften Stoffe im Prinzip kein Problem darstellen, wenn er seine Rohstoffe entsprechend den Vorschriften der aktuellen Arzneibuchmonographien prüft. Allerdings müssen die Monographien, die ursprünglich auf Basis des europäischen und amerikanischen Standards und Erkenntnisstandes entwickelt wurden, von Fall zu Fall ergänzt werden. So schreibt das Europäische Arzneibuch seit 2000 für Trimethoprim eine zusätzliche HPLC-Prüfung vor, da mit der früher vorgeschriebenen DC-Prüfung bestimmte, in Asien vorkommende Verunreinigungen nicht zu entdecken waren.

Vertrieb der illegalen Arzneimittel

Gefälschte oder nachgemachte Arzneimittel, umgepackte Originalware und umgeleitete Originalware (aus verbilligten Exporten in Entwicklungsländer) werden auf allen Stufen des Handels in den Verkehr gebracht: Sie werden nicht nur auf dem Schwarzmarkt angeboten und verkauft, sondern auch in die regulären Vertriebswege eingeschleust. Zur Verschleierung der Herkunft wird die "heiße Ware" über diverse Verteiler, zum Teil mit gefälschten Papieren versehen, gehandelt. Auf diese Weise werden auch verfallene Arzneimittel nach Umetikettierung wieder "verkehrsfähig" gemacht.

Als neuer Marktplatz hat sich in den letzten Jahren das Internet in rasanter Weise entwickelt, wo auch verschreibungspflichtige Arzneimittel und Präparate mit illegaler Indikation zu haben sind. Zur Umgehung der Zollkontrollen werden die illegalen Arzneimittel in Briefen versandt, da diese offenbar nicht wie Pakete und Päckchen kontrolliert werden.

Rechtliche Situation in Deutschland

Im Arzneimittelgesetz sind illegale Arzneimittel nicht aufgeführt und definiert. Dennoch besteht unter Zugrundelegung von §§ 5, 8 und 55 AMG eine rechtliche Handhabe gegen illegale Arzneimittel. Zu ihrer Bekämpfung unterstützt das BfArM die Behörden, Industrie, Polizei und den Zoll. Zudem ist die Bundesrepublik Mitglied im Netzwerk Counterfeit der WHO und in der Arbeitsgruppe API-Team (Regelungen, Kontrollen und Inspektoren).

Der gesetzliche Auftrag an die Apotheker, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, schließt die Bekämpfung der illegalen Arzneimittel ein. Dazu gehört die stichprobenartige Prüfung der Fertigarzneimittel, die Prüfung sämtlicher Rezepturstoffe, Drogen und Teemischungen entsprechend den aktuellen Arzneibuchmonographien und die Beratung und Information der Kunden.

Hellhörig sollte das geschulte Personal in der Apotheke werden, wenn mit vermeintlich harmlosen Mitteln sensationelle Heilerfolge erzielt werden oder wenn diese Mittel auf einmal nicht mehr wirken. Zusätzlich sollte bei der stichprobenartigen Kontrolle der Fertigarzneimittel die in jeder Apotheke vorhandene UV-Leuchte, mit der Abweichungen des Verpackungsmaterials nachgewiesen werden können, benutzt werden. Bei jeglichem Verdacht sollen sich die Apotheken an die regionalen Aufsichtsbehörden wenden.

Dringend erforderliche Maßnahmen

Die Einschränkung und Bekämpfung des Handels mit illegalen Arzneimitteln ist eine internationale Aufgabe, die folgende Maßnahmen dringend erfordert:

  • Es müssen weltweit gültige GMP-Vorschriften für die Herstellung von Wirkstoffen und Arzneimitteln, das Abfüllen, das Verpacken und die Ausstellung von Zertifikaten eingeführt werden.
  • Die Herkunft des Arzneimittels oder Rohstoffs muss nachgewiesen werden und sich lückenlos zurück verfolgen lassen.
  • Der weltweite Handel von Arzneimitteln und Rohstoffen darf nur durch qualifiziertes Personal erfolgen.
  • Arzneimittel, die exportiert werden, müssen gesondert gekennzeichnet werden.

Kein Gesundheitssystem der Welt kann sich auf Dauer illegale Arzneimittel leisten. Effektive Maßnahmen sind nur möglich, wenn die jeweiligen Gesetzgeber dem Schutz des Verbrauchers und Patienten oberste Priorität einräumen.

Kasten Informationen im Internet

www.pharma-anticounterfeiting. info www.who.int www.fda.gov/medwatch

Kasten

Zitat: A counterfeit medicine is one which is deliberately and fraudulently mislabeled with respect to identity and/ or source. WHO

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