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Gewürzdrogen
Kerstin KrützfeldtZimt – der Duft des Paradie
Stammpflanzen
Zimt ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich. Als einziges Gewürz ist er eine Baumrinde (Cortex), genauer gesagt: die von der äußeren Schicht befreite Innenrinde des Zimtbaumes aus der Familie der Lorbeergewächse. Zwar wird von mehreren Arten der tropischen Gattung Cinnamomum die Rinde als Gewürz genutzt, doch für den europäischen Markt sind nur zwei Arten von Bedeutung (Tab. 1).
Am wichtigsten ist der Ceylon-Zimt oder Kaneel (Cinnamomum verum J. S. Presl syn. C. zeylanicum Bl. syn. C. ceylanicum Bl.). Sein Hauptanbaugebiet ist Sri Lanka, das ehemalige Ceylon. Außerdem wird er in Indien, China, Indonesien, Madagaskar, auf den Seychellen, Jamaika, Martinique, in Französisch-Guayana und Brasilien kultiviert.
Das Gewürz wird zwei- bis dreimal im Jahr von den immergrünen, strauchartig gestutzten Zimtbäumen geerntet. Zimtschäler schneiden nur wenige eineinhalbjährige Triebe, lösen deren Rinde ab und schlagen sie über Nacht in Kokosmatten ein. Nach der Fermentation entfernen sie die äußere Rinde und verwenden nur die zarten, möglichst dünnen Innenrinden.
Etwa 80 cm lange Rindenstücke werden erst im Schatten, dann in der Sonne getrocknet, wobei sich die gelblich-zimtbraune Farbe bildet. Dann werden sechs bis zehn Stück zu Zimtrollen ("quills") ineinander geschoben und jeweils 20 bis 30 Rollen gebündelt. Die seit dem Mittelalter "canella" (Röhrchen) genannten Zimtrollen sind der Ursprung des Wortes Kaneel.
Am höchsten bewertet werden die dünnsten und hellsten Rinden mit einem hohen Gehalt an ätherischen Ölen. Je dicker die Rinden, desto schwächer ist ihr Aroma. Zimtbruch wird zu Pulver vermahlen oder dient zur Gewinnung von Zimtöl. Zimtrinde, Zimtöl und Zimtblätteröl (Tab. 2) sind in der Europäischen Pharmakopöe monographiert [23].
Kassia-Zimt (auch: Chinesischer Zimt, Zimtkassia) stammt von dem Baum Cinnamomum aromaticum Nees syn. C. cassia Bl., der hauptsächlich in Südchina, Myanmar, Laos und Vietnam wächst und zudem in Indonesien (Java) angebaut wird. Er ähnelt dem Ceylon-Zimtbaum, hat jedoch längere und schmalere Blätter. Die verwendete Rinde ist dicker als die des Ceylon-Zimts.
Sie kommt in 30 bis 60 Zentimeter langen Stücken (keine quills) oder gemahlen auf den Markt und schmeckt gröber und kräftiger als der Ceylon-Zimt. Aus Rindenabfällen wird Zimtöl für die Parfümerie und Seifenindustrie hergestellt. Im Arzneibuch der Volksrepublik China sind Kassia-Zimtrinde und Kassia-Zimtzweige monographiert [22].
Das Gewürz der Unsterblichen
Die südchinesische Provinz Guilin mit ihrer tropischen Karstlandschaft verzaubert Millionen von Touristen aus aller Welt. Auch der chinesische Kaiser Shi Huang Di war fasziniert, als er Guilin 216 v. Chr. eroberte – vor allem von den vielen Zimtbäumen, die dort schon damals kultiviert wurden. Die Chinesen glaubten, dass Zimt ("gui"; auch: "kuei") aus dem Paradiesgarten stammt und unsterblich macht, wenn man lange genug davon isst.
Der Kaiser, stets auf der Suche nach dem Elixier des ewigen Lebens, taufte die Gegend "Zimtwald" ("gui-lin"; auch: "kuei-lin"). Bereits während der Han-Dynastie (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) zählte das "Gewürz der Unsterblichen" zu den wichtigsten Nahrungs- und Arzneimitteln in China. Das beweisen die Grabfunde von Mawangdui (168 v. Chr.) [1].
In der traditionellen chinesischen Medizin gilt Kassia-Zimt als Droge, die die Lebensenergie "qi" (auch: "ch'i") steigert, das "yang" stärkt, das Körperinnere erwärmt und schmerzstillend wirkt. Seit alters her wurde sie gegen "Kältekrankheiten", insbesondere der Lunge und Leber, aber auch gegen Malaria, Erkältung, Impotenz, rheumatische Erkrankungen und Durchfall eingesetzt. Darüber hinaus behandelte man damit Menstruationsbeschwerden, Schwindelgefühl, Fieber, Kopfschmerzen oder Hexenschuss [2].
Kassia-Zimt war auch eine häufige Zutat in Rezepturen, weil sie die Wirkung anderer Drogen verstärken sollte. Auf einem Apotheken-Abgabegefäß (s.o.) wurde die Wirkung von Pillen aus Zimt, Ginseng und Hirschgeweih so angepriesen: "Wenn die Konstitution von Geburt an mangelhaft ist, wenn die Ernährung im späteren Leben unausgewogen war, ergänzen (diese Pillen) die Nahrung und füllen das ursprüngliche yang (-qi) ... Männer und Frauen aller Regionen, bitte probieren Sie, und nehmen Sie viel von dieser Arznei. Ewig wird sie Ihre Gesundheit schützen!" [3]
Neben der Rinde werden auch die Zweige und die Blätter des Kassiazimtbaums arzneilich verwendet. Seine weißen Blüten, deren "betörenden Duft" alte chinesische Schriften betonen, werden in Südchina zu Likören, Süßigkeiten oder Teemischungen verarbeitet.
Der Kassiazimtbaum scheint ursprünglich nur im Himalaya, in Assam und Nordvietnam beheimatet gewesen zu sein. Der Volksstamm der Khasi (von deren Name möglicherweise "Kassia" abgeleitet wurde) soll seit ältesten Zeiten Kassia-Zimt von den Hügeln des nördlichen Assam nach China exportiert haben. Vermutlich begann in Südchina der Anbau während der Bronzezeit (ca. 2000 – 500 v. Chr.).
Die erste Erwähnung von Zimt in China datiert aus der Zeit der Streitenden Reiche (481 – 222 v. Chr.): Die "Lieder des Südens" (Chuci) erwähnen mit Zimt gewürzten Wein als Getränk für die Götter [4].
In Ägypten, wo die schriftlichen Quellen bedeutend weiter zurückreichen, war Zimtrinde bereits vor 3500 Jahren bekannt: Hieroglyphen aus dem Tempel von Deir el-Bahri in Theben West erwähnten während der Regierungszeit von Königin Hatschepsut (1503 – 1482 v. Chr.) erstmals "Zimt-Holz".
Die Zimtstraße
Wie kam der süd- oder südostasiatische Zimt im 2. Jahrtausend v. Chr. nach Ägypten? Wahrscheinlich waren Händler aus Java dafür verantwortlich, die die aromatischen Rinden in Kanus nach Madagaskar brachten [5]. Plinius der Ältere (23/24 – 79 n. Chr.) erwähnt (allerdings viel später), dass die "Händler-Segler" fünf Jahre für die Fahrt hin und zurück brauchten. Das malaiische "kayu manis" (süßes Holz) gilt als Ursprung des griechischen "kinnamomon" oder "kinamon" (über lat. "cinnamomum" und mittelhochdeutsch "cinment", "zimmet" entstand daraus "Zimt").
Von Madagaskar transportierten arabische Händler den Zimt über Sansibar, Somalia und das Rote Meer oder alternativ über Ostafrika ins Nil-Tal und das Land Punt (Nordostafrika).
Parfümierte Mumien
Die wohlhabenderen Ägypter hatten einen großen Bedarf an Räuchermitteln und Parfüms, um Insekten und Schlangen zu verbannen und die Götter zu erfreuen. In ihren Häusern brannten ständig wohlriechende Hölzer und Gewürze, um die "verdorbene Luft" aus den Straßen zu reinigen. Es wird erzählt, dass Königin Kleopatra sogar die Segel ihrer Schiffe parfümieren ließ.
Nach Herodot (um 484 – 430 v. Chr.) füllten die Ägypter bei der Einbalsamierung ihrer Toten "die Bauchhöhle mit reiner zerriebener Myrrhe, mit Kassiablättern und anderem Räucherwerk, untermischt mit Weihrauch (Olibanum), und nähten die Leiche wieder zu".
Der griechische Geschichtsschreiber Diodorus Siculus (1. Jh. v. Chr.) berichtete, dass Myrrhe, Zimt und ähnliche Gewürze die Mumien konservieren und ihnen Wohlgeruch verleihen sollen. Eine Methode, die sich später J. P. Boudet (1778 – 1849) zum Vorbild nahm, der den Toten mithilfe von Salz, Zimt, Campher und Asphalt ewiges Leben schenken wollte.
Als Parfüm und Medikament zugleich galt "kyphi". Die zu Kügelchen gepresste Räuchermischung enthielt laut Plutarch (46 – 120) 16 Zutaten, darunter Ambra, Wacholder, Weihrauch, Kassia und Zypressenholz. In Edfu (Oberägypten) erwähnte eine Hieroglypheninschrift von 230 v. Chr. "kainamaa" (Zimt) als Zutat zum kyphi. Der Rauch von kyphi sollte Ängste lindern, Sorgen vertreiben und einschläfernd wirken. Er wurde auch als Heilmittel bei Asthma und als Antidot verwendet.
Der Duft des Garten Eden
Die alten Hebräer verwendeten viele Duft- und Räucherstoffe für ihre Tempel, Altäre und Kerzen. Im Buch Exodus (1200 v. Chr.) heißt es, dass Moses am Berg Sinai neben den Zehn Geboten eine genaue Anweisung für die Zubereitung eines Salböls für Priester empfing. Zitiert waren neben Öl, Myrrhe und Kalmus sowohl Ceylon-Zimt ("kinnamin") als auch Kassia-Zimt.
Auch die Sprüche Salomos (7,16) erwähnen Zimt: "Ich habe mein Lager mit Myrrhe, Aloe und Zimt besprengt. Komm, lass uns genug buhlen bis an den Morgen und lass uns der Liebe pflegen", so lockte eine Ehebrecherin einen "törichten Jüngling". Zimt wurde seit alters her im Orient als Aphrodisiakum verwendet. Ein "Liebestee" aus Indien enthielt Zimt, Kardamom, Muskat, Nelken, Safran und Ingwer. In Arabien wurde Zimtöl zur erotischen Stimulation auf die Genitalien gestrichen. Moses Maimonides, ein jüdischer Arzt des 12. Jahrhunderts, empfahl eine potenzsteigernde Gewürzmischung, die Zimt und Anis enthielt.
Zimt bei den alten Griechen ...
Die Verse der Lyrikerin Sappho von Lesbos gelten als das erste schriftliche Zeugnis für Zimt in Griechenland. Sie schrieb um 600 v. Chr.: "Duft von Myrrhen und Zimt und von Weihrauch vereinte sich." Tatsächlich wurde in den Apollo-Tempeln neben Weihrauch und Myrrhe viel Zimt verbraucht – auch, um den Gestank der brennenden Opfertiere zu übertönen. Ansonsten war Kassia-Zimt der Liebesgöttin Aphrodite heilig.
Die Schülerinnen der Sappho sollen sich mit Zimt parfümiert haben. Das berühmte griechische Parfümöl "Megaleion" (4. Jh. v. Ch.) bestand aus Zimt, Kassia, Myrrhe und Resin. Es wurde auch zur Behandlung von Wunden und Entzündungen verwendet, doch gab es sonst kaum weitere medizinische Anwendungen für Zimt. Auch in die Küche gelangte er so gut wie nie.
Die arabischen Händler verheimlichten die Herkunft der aromatischen Rinden, um die Preise hoch zu halten. Herodot schrieb, dass Zimt aus Arabien stammt und dort unter größten Gefahren für Leib und Leben geerntet wird. Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) meinte, dass die Rinde von Zimtvögeln in ihren Nestern zusammengetragen und von dort mit Pfeil und Bogen herabgeschossen wird. Strabo (63 v. Chr. – 25 n. Chr.) berichtete, dass die Häuser im Königreich Saba statt mit Feuerholz mit Zimt geheizt wurden.
... und bei den alten Römern
Für den Römer Petronius Arbiter († 66 n. Chr.) war Zimt "das Kind eines fernen Bodens, das den Duft der Rose vergessen macht". Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. verbreiteten sich Öle, Räuchermittel und Parfüms in weiten Bevölkerungsteilen. Duftmischungen wie "susinum" aus Lilie, Honig, Zimt, Safran, Myrrhe und Balsam wurden verschwenderisch eingesetzt.
Juvenal (ca. 60 – 127) erzählt, dass der Günstling Domitians, Crispinus, nach der Morgentoilette stärker als zwei Leichenbegängnisse duftete. Nebenbei sollte Zimt die Kleidung vor Motten schützen. Kaiser Vespasian (69 – 79 n. Chr.) ließ in allen Tempeln des Capitols und im Friedenstempel in Gold gefasste Zimtkränze aufhängen.
Die duftende Rinde war unentbehrlich bei Leichenfeiern. Legendär sind die riesigen Zimt-Feuer beim Begräbnis der Poppäa, der Gattin von Kaiser Nero (37 – 68 n. Chr.): Angeblich ließ der Kaiser den Gewürzimport eines Jahres buchstäblich in Rauch aufgehen.
Ein Pfund Kassia-Zimt kostete laut Plinius bis zu 50 Denare, während die gleiche Menge schwarzer Pfeffer gerade mal vier Denare wert war. Kein Wunder, dass Kosenamen wie "Mein Zimt" oder "Meine Kassia" weit verbreitet waren [6].
In römischer Zeit galten Ceylon-Zimt und Kassia-Zimt als wichtige Arzneimittel. Beide Gewürze waren im "Mithridatum" enthalten, einem Antidot, das der König Mithridates von Pontos (132 – 63 v. Chr.), der in ständiger Angst vor Vergiftungen lebte, kreiert hatte. Zur Zeit der Cäsaren waren "Schlummertrünke" beliebt, die neben Alraune und Opium auch Zimt enthielten.
Vielfach wurde Zimt als schmerzstillendes Mittel eingesetzt. Aulus Cornelius Celsus (1. Jh. n. Chr.) erwähnte Zimt als Bestandteil eines Medikamentes gegen Kopfschmerzen, Geschwüre, Entzündungen der Gebärmutter, Hüft-, Leber-Milz- oder Seitenschmerzen.
Galen von Pergamon (131 – 201 n. Chr.) strich eine Mischung aus Kassia-Zimt, Alraunenwurzel, Myrrhe, Zeder, Safran, Pfeffer und Bilsenkrautsamen auf schmerzende Körperpartien. Galen und Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) zogen Ceylon-Zimt dem Kassia-Zimt vor; konnten sie den Ersteren nicht bekommen, ersetzten sie ihn durch die doppelte Menge des Letzteren.
Dioskurides, der fünf Kassia- und sieben Zimtsorten unterschied, setzte ein Zimtsalböl (mit Kalmus, Bartgras, Myrrhe, Honig und Ceylon-Zimt) gegen Gangrän, giftige Stiche und Fisteln ein.
Zimt im Mittelalter
Während römische Köche wie Apicius um Zimt meist einen weiten Bogen machten, zählte er im arabischen Kochbuch Wusla ila al-Habib ("Ankunft des Geliebten", um 1260) zu den am häufigsten verwendeten Gewürzen. Auch im mittelalterlichen Frankreich war Zimt hoch begehrt – zwei Drittel aller von Küchenmeistern zubereiteten Gerichte und Saucen enthielten Zimt!
In der Zeit von der arabischen Eroberung Ägyptens (641) bis zum Ersten Kreuzzug (1096) gelangten kaum orientalische Gewürze nach Europa. Aber schon 1194 ließ König Richard I. von England seinem Gast, dem König von Schottland, täglich vier Pfund Zimt als Freundschaftsbeweis zukommen. Im Arzneibuch "Macer floridus" aus dem 11.Jahrhundert wird Zimt als Stimulans für die Menstruation aufgeführt [8, 9].
Hildegard von Bingen (1098 – 1179) setzte gern auf die "starken Kräfte" der duftenden Rinde. Die heilkundige Äbtissin verwendete sie bei Erkältungen, Malaria, Verdauungsstörungen und zur Stärkung des Magens. Gegen gichtige Lähmungen sollte der Kranke oft warmen Zimtwein trinken. Ein Rezept gegen Schmerzen lautete:
"Ein Mensch, den eine Kolik plagt, nehme ein wenig Ingwer und viel Zimt und pulverisiere das. Dann nehme er weniger Salbei als Ingwer und mehr Fenchel als Salbei und mehr Rainfarn als Salbei. Und dies zerstoße er in einem Mörser zu Saft und seihe es durch ein Tuch." Anschließend kam Wein mit Honig, etwas Pfeffer, Wasserlinsen, Tormentill und Senf dazu. Der Patient sollte zweimal täglich einen Schluck davon trinken, bis er geheilt war [10].
Während der großen Pestepidemie des Schwarzen Todes (1348) empfahl die Medizinische Fakultät von Paris, Brühen mit Zimt zu verzehren und die Luft mit wohlriechenden Räucher-Pulvern zu reinigen. Pestärzte versuchten sich mit Schwämmen zu schützen, die mit Zimt- und Nelkenextrakten getränkt waren und direkt in den Nasenlöchern oder in einer Maske platziert wurden. Der Chirurg Wilhelm Fabry (1560 – 1634) verordnete gegen Beulenpest Bezoar und gebranntes Hirschhorn in Zimt- und Kardobenediktenwasser mit Alkermes-Latwerge [13].
Von Lebkuchen und Lebenswässern
Mit Gewürzen aromatisierte Weine und Brände galten seit dem Mittelalter als Genuss-, aber auch als Heilmittel gegen vielerlei Gebrechen.
Kochbücher wie "Le Viandier de Taillevent" (s. Zitat) oder "Le Menagier de Paris" (1395) enthielten Rezepte mit Zimt, z.T. sogar mit Kassiablüten. Zimt war Bestandteil des Gewürzweins Hippocras – er ist mit Punsch oder Glühwein vergleichbar – und von "Lebenswässern", wie eine Aqua-Vitae-Rezeptur für Kaiser Friedrich III. (15. Jh.) belegt.
Für die Bäckerei wurde Zimt als Bestandteil aller Leb- und Pfefferkuchen unverzichtbar. Diese waren ursprünglich kein Weihnachtsgebäck, sondern mit Gewürzen abgeschmeckte "Brote", die in mittelalterlichen und neuzeitlichen Küchen als Speisezutat und Gewürz verwendet wurden.
Seit Beginn der Renaissance wurde in Italien und Frankreich jedes Gericht – ob Fleisch, Saucen, Fisch oder Geflügel – mit Zimt gewürzt. Zu Wein knabberte man Konfekt aus überzuckerten Zimtstangen.
Die Nachfrage nach Zimt war gegen Ende des 15. Jahrhunderts so groß, dass Europäer Eunuchen und Frauen an arabische Händler verkauften, um an das begehrte Gewürz zu gelangen. Die Entdeckung des Seewegs nach Indien vereinfachte und steigerte den Import. 1536 berichtete Garcia ab Orta, Ceylon-Zimt sei 40-mal teurer als Kassia-Zimt, doch das änderte sich: 1580 eroberten die Portugiesen Ceylon und erlegten den Inselherrschern einen jährlichen Tribut von 125 000 Kilogramm Zimt auf.
"... gut wider das Bauchgrimmen"
Der "Kräuterbuch"-Autor Tabernaemontanus (1520 – 1590) erläuterte, woran man guten Ceylon-Zimt erkennt: "Der besten Zimmet ist purpurfarb oder schwartzbraun/ oder Corallenroht: Je frischer er ist/ je lieblicher er reucht/ mag kein Alter leiden/ jedoch kann man heutiges Tages den guten Zimmet wol haben: Es soll auch die Rind nicht einfach seyn/ sondern zu mehrmalen eng ineinander gewickelt seyn/ glatt/ nicht scherb/ eins starcken Gewürzten Geruchs/ und eines scharffen räsen/ doch zusammenziehenden Geschmacks." Und er warnt: "Es haben die Apothecker eine lange Zeit / für die wolriechende Rinde oder Holtz Cassie lignae, ein Holtz oder Rinden / so ohne Geruch und gantz ungeschmackt / und der Beschreibung der rechten Cassiae gantz entgegen / gebraucht"! [12]
Zur medizinischen Wirkung schrieb Tabernaemontanus u. a.: "Das (Zimt-)Pulver in einem warmen Trunck Wein eingenommen/ erwärmet den kalten Magen/ vertreibet die Bläste und ist gut wieder das Bauchgrimmen."
Pierandrea Mattioli (1501 – 1577) rühmte den Zimt wegen seiner diuretischen, menstruationsregulierenden, geburtsbeschleunigenden, herzstärkenden und entgiftenden Wirkung. Zimtwasser war für ihn ein Universalmittel bei allen Erkältungskrankheiten und Uterusbeschwerden. Darüber hinaus sollte Zimt bei Gelb- und Wassersucht, Magen-, Leber- und Hirnerkältungen, phlegmatischen Fiebern und Augenschwäche hilfreich sein.
Nicholas Culpeper schrieb 1653 in "The Complete Herbal": "Zimt und Kassia, sind heiß und trocken im zweiten Grad, stärken den Magen, helfen bei der Verdauung, verursachen einen süßen Atem, provozieren Urin und die Menses ..." Sie sollten bei Husten helfen, für eine schnelle Entbindung sorgen und in Salben rote Pickeln vertreiben.
Thomas Fuller (1654 – 1734) mischte Pillen gegen Ohnmacht, die die "Geister wecken" sollen, aus Nelken, Zimt, Safran und Muskatblüte und Verdauungspulver aus Anis, Fenchel, Muskatnuss, Zimt, Langem Pfeffer, Nelken und Mastix [11].
Das Allheilmittel Laudanum
Als der englische Arzt Thomas Sydenham 1670 zwei Unzen Opium mit einem Pfund Malagawein, in dem je eine Unze Safran, Zimt- und Nelkenpulver digeriert worden waren, mischte, ahnte er kaum, dass er damit eins der berühmtesten Arzneimittelrezepte der Geschichte erfunden hatte: Laudanum liquidum. Die Tinktur sollte ursprünglich als Anästhetikum dienen, doch galt sie bis ins 19. Jahrhundert hinein als Universalmittel für Körper und Geist.
Die Laudanum-Rezeptur veränderte sich im Laufe der Zeit. William Lewis veröffentlichte 1791 folgendes Rezept: "Zwei Unzen Opium in 11/2 Pfund Zimt-Wasser geben und vier Tage lang ziehen lassen, dann durchseihen." Lewis verwies darauf, dass man anstelle von Zimtwasser auch pures Wasser verwenden könne. Der Opiumgeschmack ließe sich auch durch andere Tinkturen überdecken [14]. So verschwand der Zimt nach und nach aus der Laudanum-Rezeptur.
Das Zimtmonopol
1632 wurden die Portugiesen von den Holländern aus Ceylon vertrieben. Sofort begannen die neuen Machthaber, ein Zimtmonopol aufzubauen. Sie verpflichteten jeden Zimtschäler, ihnen anfangs 28, später fast 500 Kilogramm Zimtrinde jährlich als Tribut abzuliefern. Der Handelswert war fast zehnmal höher als beim Pfeffer. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verkauften die Holländer in Europa jährlich rund 400 000 Pfund Zimt im Wert von 2,3 Mio. Gulden.
Um 1765 begannen die Holländer, Zimt auf Plantagen anzubauen. Doch nun ging die Nachfrage zurück. Denn schon um 1700 war Zimt weitgehend aus der französischen Küche verschwunden – und bald zog ganz Europa nach. Allerdings wurde Zimt noch lange Zeit als Zutat zur (Trink-)Schokolade verwendet. 1796 wurde Ceylon von den Engländern erobert, worauf die Holländer in Indonesien mit dem Anbau von Kassia-Zimt begannen.
Liebespillen und Kaneelzigaretten
Die Ärzte des 19. Jahrhunderts verschrieben Zimt gegen Koliken, Bauchkrämpfe und als Gynäkologikum. Das hellgelbe, bei längerer Lagerung kirschrote Zimtöl wurde als stimulierend, entkrampfend und verdauungsfördernd bezeichnet. Die Dosis war ein bis zwei Tropfen, die in einer Emulsion eingenommen werden sollten. Kontraindiziert war es bei Schwangerschaft. Zimtwasser wurde u. a. bei chronischer Diarrhö und Dysenterie sowie bei Flatulenz verwendet [15].
Häufig wurde Zimtöl eingesetzt, um den Geschmack von Medikamenten zu verbessern. Auf diese Weise gelangte es auch in das Rezept von Coca-Cola, die der amerikanische Apotheker John Stith Pemberton (1831 – 1888) ursprünglich als Stärkungsmittel kreiert hatte.
Zimt galt immer noch als liebesfördernd. Berühmtheit erlangte das Aphrodisiakum "Pariser Serail-Pastillen", das neben Zimt noch Moschus, Ambra, Aloe, Myrobalane, Wermut, Sandelholz, Mastix, Olibanum, Galgant und zermahlene Edelsteine enthielt.
In den 1830er-Jahren kamen "Kaneelzigaretten" in Mode, die rauschartige Zustände hervorriefen. In neuerer Zeit wird ein Missbrauch von Zimtöl, um rauschähnliche Zustände zu erreichen, wieder häufiger beobachtet. Dennoch wird in Amerika oft empfohlen, an Zimtstangen zu saugen, wenn man sich das Rauchen abgewöhnen möchte. Zusätzlich soll der Entwöhnungswillige sich den Mund häufig mit Zimt-Zahnpasta und -Mundwasser säubern, um das Verlangen nach Zigaretten zu unterdrücken.
Die Entschlüsselung des Duftes
1834 isolierten Dumas und Péligot den Zimtaldehyd, den Hauptbestandteil des Kassiaöls (80 – 95%) und des Zimtöls (65 – 75%). Chiozza gelang es 1856, diesen Stoff zu synthetisieren. Zimtaldehyd dient zum Aromatisieren von Seifen, Zahnpasten, Mundwässern und Lippenstiften. Er kann allerdings – ebenso wie Kassia- und Zimtöl – allergisierend und irritierend wirken. Um die Hautverträglichkeit zu verbessern, darf Zimtaldehyd heutzutage nur zusammen mit Eugenol oder D-Limonen verwendet werden. Vor allem bei Berufstätigen in der Ernährungsindustrie und Zahnmedizin kommen dennoch nicht selten Kontaktallergien vor [16].
Kassia-Zimt enthält ein bis zwei Prozent ätherisches Öl, Ceylon-Zimt dagegen zweieinhalb bis vier Prozent. Wichtige Bestandteile (Tab. 1 und Tab. 2) neben Zimtaldehyd sind Zimtalkohol, Zimtsäure, 2-Methoxy-zimtaldehyd, Cinnamylacetat, Phenylpropylacetat, Benzaldehyd, Benzylbenzoat, Safrol, Diterpenoide (Cinncassiol A, Cinnzeylanol, Cinnzeylanin) sowie (im Ceylon-Zimt) Linalool und Eugenol (bis 10%) bzw. (im Kassia-Zimt) Cumarin (0,45%).
Vor einiger Zeit geriet das als kanzerogen eingeschätzte Cumarin in die Schlagzeilen. Laut EU-Aromenrichtlinie dürfen Getränke, Süßwaren und Kaugummi nur zwei Milligramm Cumarin pro Kilogramm enthalten. Seither verwendet die europäische Gewürzindustrie kaum noch Kassia-Zimt [17].
Pharmakologie und Klinik
Bei mittleren Dosen wirkt Zimt erregend auf Nerven, Muskeln und das kardiovaskuläre System. Darmperistaltik und Schweißsekretion steigen an, schließlich kommt es zu einer zentralen Lähmung mit Depressionen und Schläfrigkeit. Hohe Dosen können Krampfzustände auslösen. Zimt reguliert den Menstruationszyklus und fördert die Kontraktion der Gebärmutter nach der Entbindung.
Im Tierversuch erhöhte er beim Typ-2-Diabetes die Ansprechrate auf Insulin um das Zwanzigfache.
Ein wässriger Extrakt aus Ceylon-Zimt erwies sich bei der Ratte als wirksames Mittel zur Verhinderung des Magenulkus. Er senkte die Bildung von Magensäure und Pepsin, erhöhte die Produktion von Mukus und verbesserte die Durchblutung der Magenschleimhaut; dagegen förderte reiner Zimtaldehyd die Ulkusbildung [18]. Zimtöl ist in vitro u. a. aktiv gegen Bacillus subtilis, E. coli, St. aureus, Salmonella typhimurium sowie Candida albicans.
Der Extrakt von Kassia-Zimt wirkt in vitro stark antibiotisch u. a. auf E. coli, Helicobacter pylori und Staphylococcus aureus und Pilze. Generell sind beide Zimtarten hilfreich bei milden Krämpfen im Gastrointestinaltrakt, bei Völle, Diarrhö, Appetitlosigkeit und Flatulenz. Darüber hinaus werden sie bei Schmerzen im Zusammenhang mit Amenorrhö und Dysmenorrhö eingesetzt.
Als Kontraindikationen gelten Fieber unbekannter Ursache, Schwangerschaft, Magen- oder Duodenalulzera und Patienten mit einer Zimt- oder Perubalsam-Allergie [19].
Vielleicht eröffnen sich mit den neuen Erkenntnissen eines Tages ganz neue Behandlungsmethoden mit einem 3500 Jahre alten Gewürz.
Kastentext
"Ceylon-Zimt hat erwärmende, harntreibende, erweichende, die Verdauung befördernde Kraft. Genossen befördert er die Menstruation und treibt die Frucht ab, und mit Myrrhe aufgelegt hilft er gegen giftbissige und todbringende Tiere; auch entfernt er die Verdunkelungen der Pupille, er erwärmt zugleich und verdünnt. Mit Honig aufgestrichen vertreibt er Leberflecke und Sommersprossen; er wirkt auch gegen Husten und Katarrh, gegen Wassersucht, Nierenleiden und Harnverhaltung. Auch wird er den kostbaren Salben zugemischt, ist überhaupt zu vielem nützlich." –
"Kassia-Zimt hat erwärmende, harntreibende, austrocknende und gelind adstringierende Kraft. Er eignet sich sehr zu Augenmitteln für Scharfsichtigkeit und zu Umschlägen. Mit Honig eingesalbt, entfernt er die Leberflecke, innerlich genommen befördert er auch die Menstruation und hilft den von der Otter Gebissenen, ferner hilft er gegen alle inneren Entzündungen und endlich den Frauen im Sitzbade und in der Räucherung zur Erweiterung des Muttermundes."
Dioskurides [7]
Kasten
"Niemand braucht zu sterben, wenn er sich Zimt leisten kann."
Volksmund, 15. Jahrhundert
Kasten
"Nimm vier Unzen sehr guten Zimt, 2 Unzen gute Kassiablüten, eine Unze ausgewählten Mekka-Ingwer, eine Unze Paradieskörner und ein Sechstel einer Unze von Muskatnuss und Galgant. Mahle alles zusammen. Nimm eine gute halbe Unze von diesem Pulver und acht Unzen Zucker, und misch es mit einem Quart Wein."
"Le Viandier de Taillevent", 1375
Kasten
"Er ist gut für den Urin, wendet von uns ab Ruin, hell leuchtet das Auge, gestärkt sind die Nieren, und bei Vergiftung kann nichts mehr passieren."
René Moreau (1587 – 1656) über den Zimt
Kasten
"Zimt zerstört eure Feinde, denn er gibt Kraft, eine Kraft, die in euren Beinen und Armen und besonders in eurem Mund immer mehr zunimmt, bis ihr eines Tages so laut Nein! brüllen könnt, dass sie erschrecken."
Chitra Banerjee Divakaruni, in: Die Hüterin der Gewürze
Literatur
[1] Pirazzoli-t' Serstevens, M.: China zur Zeit der Han-Dynastie. Stuttgart 1982. [2] Rätsch, C.: Räucherstoffe. Der Atem des Drachen. Aarau 1996. [3] Unschuld, P. U.: Huichun. Rückkehr in den Frühling. Chinesische Heilkunde in historischen Objekten und Bildern. München 1996. [4] Hawkes, D.: Dong huang tai yi. 1985. [5] Miller, J. I.: The Spice Trade of the Roman Empire. Oxford 1969. [6] Keville, K.; Green, M.: A History of Fragrance. o. J. [7] Dioskurides, P.: De Materia medica. Stuttgart 1902. [8] Riddle, J. M.: Eve's Herbs: A History of Contraception and Abortion in the West. Harvard 1997. [9] Mayer, J. G.; Goehl, K.: Höhepunkte der Klostermedizin. Der Macer floridus und das Herbarium des Vitus Auslasser. Holzminden 2001. [10] Breindel, E.: Das große Gesundheitsbuch der Hl. Hildegard von Bingen. Aschaffenburg 1983. [11] Fuller, T.: Pharmacopoeia extemporanea: or, a body of prescripts. In which forms of select remedies, accommodated to most intentions of cure, are propos'd. London: printed for B. Walford, 1710. [12] Theodorus Tabernaemontanus, J.: Neu vollkommen Kräuterbuch. 4. Aufl. Offenbach/M. 1731. [13] Hintzsche, E.: Guilelmus Fabricius Hildanus 1560 – 1634. Festschrift 25 Jahre Lindopharm Rönsberg KG, Hilden 1973. [14] Lewis, W.: The Edinburgh New Dispensatory. Edinburgh 1791. [15] Felter, H.W.; Lloyd, J. U.: King's American Dispensatory. 1898. [16] Nixon, R.: Vignette in contact dermatology. Cinnamon allergy in bakers. Australian Journal of Dermatology, 1995. [17] Mar, A: Kritische Gedanken zu Cumarin in Zimt und zimthaltigen Lebensmitteln. Ernährung/Nutrition 24, 106 – 110 (2000). [18] Akira, T., et al.: Pharmacological Studies on the Antiulcerogenic Activity of Chinese Cinnamon. Planta Medica 52, 440 – 443 (1986). [19] Wichtl, M. (Hrsg.): Teedrogen und Phytopharmaka, 4. Aufl. Stuttgart 2002. [20] Teuscher, E.: Gewürzdrogen. Stuttgart 2003. [21] Hänsel, R., et al. (Hrsg.): Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl., Bd. 4, S. 884 – 911. Berlin 1992. [22] Stöger, E. A.: Arzneibuch der Chinesischen Medizin, 2. Aufl. Stuttgart 2001. [23] Europäische Pharmakopöe, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002, Bd. 2. Stuttgart 2002.
Zimt stammt von verschiedenen, in Süd- und Südostasien beheimateten Stammpflanzen. Von dort gelangte er schon in vorchristlicher Zeit nach Ägypten und Griechenland. Anfangs wurde er hauptsächlich als Bestandteil von Räuchermitteln, Parfüms und Salben geschätzt, doch im späten Mittelalter eroberte er auch die abendländische Küche. Heute spielt Zimt in der arabischen und chinesischen Küche noch eine wichtige Rolle. Früher war Zimt Bestandteil von vielen Arzneimitteln, denn er besitzt ein pharmakologisches Potenzial, das wieder aktuell werden könnte.
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