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Pharmazeutische Betreuung
Onkologische Medizin – Grundlagen der Zytostatikaherstellung
Ernährung
Die Zahl der so genannten Krebsdiäten ist nicht genau bekannt; zurzeit werden zwischen 20 und 30 verschiedene Tumordiäten angepriesen. Die ihnen zu Grunde liegenden Anschauungen und Ideologien sind sehr unterschiedlich, für alle propagierten Ernährungsformen trifft jedoch zu, dass eine wie auch immer geartete Krebsdiät eine Tumorerkrankung weder heilen noch einem Rezidiv vorbeugen kann.
Viele Krebsdiäten besagen, dass durch eine entsprechende Ernährung der Tumor ausgehungert werden könne eine Vorstellung, die jeglicher pathophysiologischer Grundlage entbehrt. Es ist zwar richtig, dass eine Tumorerkrankung den Wirtsstoffwechsel beeinflusst und beim Patienten metabolische Störungen hervorruft, die aber nicht durch eine Nahrungskarenz oder eine bestimmte Ernährung verhindert werden können.
Hauptsache, der Patient isst
Das wichtigste Ziel bei der Ernährung eines Tumorpatienten ist die Vermeidung von Gewichtsverlust bzw. das Anstreben einer Gewichtszunahme. Wie dies erreicht werden kann, hängt von den individuellen Vorlieben, dem sozialen Umfeld sowie Art und Ausmaß der Erkrankung ab. Eine wie auch immer gestaltete eventuell auch ungesunde Nahrungszufuhr hat eine höhere Priorität vor einer nicht akzeptierten gesunden Ernährung.
Im Idealfall sollte sich der Patient vollwertig, leicht hyperkalorisch (vor allem Fett) sowie nährstoff- und vitaminreich ernähren. Dies wird jedoch nicht immer durchführbar sein, da der Patient häufig über Inappetenz und Übelkeit klagt oder seine Erkrankung keine ausreichende Nahrungsaufnahme zulässt. Übelkeit und Erbrechen lassen sich teilweise medikamentös behandeln; die Inappetenz bessert sich mitunter unter einer Cortison- oder Psychopharmakagabe (z. B. Serotoninantagonisten). In manchen Fällen wird ein Versuch mit anabolen Steroiden, Dronabinol oder Wachstumshormonen unternommen.
Wichtiger ist indes, dass der Patient eine abwechslungsreiche Wunschkost erhält, die möglichst appetitlich erscheint und in kleinen Portionen angerichtet wird. Kann der Patient keine festen Speisen zu sich nehmen, kommen Trinknahrungen zum Einsatz. Man sollte unterschiedliche Sorten anbieten oder eine Neutralnahrung nach den Wünschen des Patienten geschmacklich verändern (z.B. durch Zugabe von pürierter Kindernahrung, Fruchtessenzen etc.). Dabei ist auf zusätzliches Trinken zu achten, da die benötigte Flüssigkeit nicht mit der Trinknahrung abgedeckt wird.
Sondenernährung
Eine Sonde kann nasal oder perkutan gelegt werden. Eine Nasensonde ist nur für eine kurze Zeit geeignet, da sie den Patienten stört. Die Auswahl der Sondennahrung erfolgt nach der Funktionsfähigkeit des Gastrointestinaltraktes. Die Nahrungszufuhr sollte so physiologisch wie möglich erfolgen, das heißt, der Patient sollte auch bei der Ernährung via Sonde nach Möglichkeit selbst etwas essen oder trinken, um eine Atrophie der Darmschleimhaut zu verhindern. Man unterscheidet eine gastrale und eine duodenale bzw. jejunale Sondenlage.
Bei einer gastralen Sondenlage bleibt die Verdauungsfunktion des Magens erhalten. Daher kann eine höhermolekulare Diät verabreicht werden. Die Zufuhr der Nahrung kann diskontinuierlich, oftmals sogar analog dem normalen Ernährungsrhythmus erfolgen.
Bei einer duodenalen bzw. jejunalen Sondenlage können nur niedermolekulare Diäten verwendet werden. Die Applikation muss kontinuierlich erfolgen, da der Darm sonst aufgrund der hohen Osmolarität überfordert ist und mit Durchfällen reagiert. Des Weiteren ist auf die richtige Temperatur der Nahrung zu achten, da zu kalte Nahrung ebenfalls Diarrhöen verursacht.
Die Sonde muss regelmäßig gepflegt werden, um ein Verstopfen oder Verkeimen zu verhindern. Vor und nach jeder Nahrungsapplikation und Arzneimittelgabe sowie nach Aspiration von Mageninhalt sollte die Sonde mit 20 bis 30 ml Wasser gespült werden. Tee ist dabei ungeeignet, da er zum einen verkeimt sein kann oder aufgrund von Säure (Früchtetees) zu Ausflockungen führen kann.
Arzneimittel und Sonde
Nicht alle Medikamente können über eine Sonde appliziert werden. Die in der Palliativmedizin gebräuchlichen Arzneimittel sind häufig sondengängig, d.h., es liegen meist flüssige Arzneiformen vor. Für alle Arzneistoffe gilt, dass sie nicht mit der Sondennahrung gemischt werden dürfen. Liquida sind in der Regel unproblematisch über die Sonde zu verabreichen, allerdings müssen der pH-Wert und die Osmolarität der Lösungen berücksichtigt werden. Ferner müssen bei einer gastralen Sonde die Säurestabilität und die Schleimhautverträglichkeit des Arzneistoffs beachtet werden.
Liegen keine flüssigen Darreichungsformen des gewünschten Wirkstoffs vor, können Tabletten zerkleinert oder gegebenenfalls Kapseln geöffnet werden. Dabei spielen wiederum Galenik, Pharmakokinetik und Stabilität des Arzneistoffs eine Rolle. Kapseln lassen sich häufig öffnen, und kleinere Pellets können dann über eine Sonde appliziert werden. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arzneistoff bzw. eine bestimmte Darreichungsform sondengängig ist, muss im Einzelfall beim Hersteller erfragt werden.
Parenterale Ernährung
Ist eine enterale Ernährung nicht mehr möglich, wird der Patient parenteral ernährt. Der Zugang erfolgt zentral-venös über ein Portsystem. Zur Anwendung kommen in der Regel industriegefertigte Parenteralia, eine Individualrezeptur ist lediglich in der Pädiatrie oder in besonderen Einzelfällen, z.B. bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen oder stark eingeschränkter Nierenfunktion, erforderlich. Die entweder industriell oder rezepturmäßig unter aseptischen Bedingungen hergestellte Mischinfusion besteht aus Kohlenhydraten, Aminosäuren, Fetten, Elektrolyten, Spurenelementen und Vitaminen. Die Dosierung richtet sich dabei nach der Stoffwechsellage und dem Körpergewicht.
Akute und chronische Schmerzen
Je nach Tumor- bzw. Metastasenlokalisation leiden 50 bis 80% der Tumorpatienten an Schmerzen. Neben der Kausaltherapie, d.h. chirurgischen, strahlen- und chemotherapeutischen Maßnahmen, spielt die medikamentöse Therapie eine zentrale Rolle. Erfahrungsgemäß kann mit einer adäquaten oralen Schmerztherapie bei 90% aller Tumorschmerzpatienten eine befriedigende Analgesie erzielt werden, und nur bei einem relativ kleinen Prozentsatz sind invasive Methoden wie z.B. intravenöse oder intraventrikuläre Applikationen erforderlich.
WHO-Stufenschema als Orientierungshilfe
Bei der oralen Analgetikagabe richtet man sich nach dem Stufenplan der WHO, d.h., man beginnt mit einem nicht-opioidhaltigen Schmerzmittel (z. B. Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Metamizol, Ibuprofen, Diclofenac, Flupirtin, Naproxen), das im Bedarfsfall mit einem mittelstarken Opioidanalgetikum (z. B. Codein, Dihydrocodein, Tramadol, Tilidin, Dextropropoxyphen) kombiniert wird. Ist mit diesen Wirkstoffen keine ausreichende Schmerzfreiheit mehr zu erzielen, werden starke opioidhaltige Analgetika (Morphin, Buprenorphin, Methadon, Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl) eingesetzt. Dabei müssen unbedingt einige Grundregeln eingehalten werden:
- regelmäßige Einnahme nach einem festen Zeitschema
- Prophylaxe der Nebenwirkungen durch entsprechende Begleitmedikamente
- individuelle Dosierung
- kontrollierte Dosisanpassung
- Gabe nach dem Prinzip der Antizipation (d. h., die nächste Medikamentengabe muss erfolgen, bevor der schmerzstillende Effekt der vorangegangenen Applikation aufgebraucht ist)
- nach Möglichkeit orale Applikation
- beim Einsatz von Retardpräparaten zusätzlich eine schnell wirksame Bedarfsmedikation (ca. 10 bis 15% der Gesamtdosis) in Form von Tropfen oder eines Bolus ermöglichen
- regelmäßige Re-Evaluation von Schmerzstärke und Schmerzcharakter; Beurteilung der therapeutischen Wirkung z. B. anhand eines Schmerztagebuchs
Morphin als Mittel der Wahl
Die orale Morphingabe gilt als Therapie der Wahl. Dank der unterschiedlichen galenischen Zubereitungen von Morphin ist in den meisten Fällen eine Gabe per os möglich. Zur Einstellung eignet sich eine Morphinlösung. Ist die erforderliche Dosis austitriert, kann auf ein Retardpräparat umgestellt werden. Zur Therapie plötzlicher Schmerzattacken ist eine schnell wirksame Morphinsulfat-Tablette (Sevredol) oder Morphinlösung geeignet. Bestehen mäßige Schluckstörungen, kann eine Morphin retard Kapsel (z. B. MST Continus) geöffnet und der Kapselinhalt in flüssiger oder breiiger Kost oral verabreicht werden. Hat der Patient eine PEG-Sonde, kann eine Morphinsuspension (z. B. MST® Retard-Granulat) gegeben werden. Bei Erbrechen oder starker Übelkeit kann Morphin rektal appliziert werden.
Begleitmedikation ist unerlässlich
Opioide führen beinahe immer zu einer Obstipation, daher ist bei einer Morphintherapie die Gabe von Laxanzien obligatorisch, da im Hinblick auf die Verstopfung keine Toleranzentwicklung stattfindet.
Anders verhält es sich mit der Übelkeit, die während der ersten fünf bis sieben Tage relativ häufig auftritt; hier kommt es zu einer Toleranzentwicklung, sodass nur während der ersten Tage ein Antiemetikum (Metoclopramid oder Haloperidol) notwendig ist. Ebenfalls initial häufig tritt eine Sedierung auf, die in der Regel nach drei bis vier Tagen abklingt. Die sedativen Effekte unter einer Langzeittherapie sind meist gering. Die in vielen Lehrbüchern aufgeführte Atemdepression spielt in der Praxis keine Rolle.
Häufig werden in der Tumorschmerztherapie Glucocorticoide (meist Dexamethason aufgrund seiner fehlenden mineralocorticoiden Wirkung) eingesetzt, um deren antiödematösen, antiphlogistischen und appetitsteigernden Wirkungen zu nutzen. Die Indikation für Corticoide ist vor allem dann gegeben, wenn ein peritumoröses Ödem Schmerzen auslöst oder verstärkt. Des Weiteren werden bei neuropathischen Schmerzen Antikonvulsiva und trizyklische Antidepressiva in niederer Dosierung eingesetzt.
Alternativen zu Morphin
Bei Schluckstörungen kann Buprenorphin sublingual (Temgesic®) eingesetzt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass Buprenorphin einen Ceilingeffekt aufweist, d. h., eine Dosissteigerung über 4 mg/Tag führt nicht zu einer weiteren Schmerzreduzierung. Relativ neue retardierte Opioide sind Oxycodon (Oxygesic®) und Hydromorphon (Palladon).
Bei einem stabilen Schmerzniveau sind Fentanyl-Pflaster (Durogesic®) eine Alternative zu Morphin. Bei diesem transdermalen therapeutischen System sind einige Punkte zu beachten:
- Die Ersteinstellung sollte stationär erfolgen.
- Die Substanz flutet langsam an (innerhalb von 12 bis 24 Stunden) mit einem steady state von der 24. bis 72. Stunde nach der Erstgabe. Aufgrund der Pflastergröße (10 bis 40 cm²) und einer begrenzten Körperoberfläche ist der Einsatz von Fentanyl-TTS nur bei niedrigem bis mittlerem Opioidbedarf sinnvoll.
- Jedes einmal beklebte Hautareal sollte sieben Tage nach Entfernen des Pflasters frei bleiben.
- Fentanyl ist lipophil, bildet also ein subkutanes Depot; falls es zu starken unerwünschten Wirkungen wie Sedierung oder Atemdepression kommt, reicht zu deren Behebung das Entfernen des Pflasters nicht aus; in solchen Fällen ist eine stationäre Einweisung erforderlich.
- Bei instabilen Schmerzen und schneller Dosissteigerung ist Fentanyl-TTS ungeeignet.
- Das Pflaster darf nicht zerschnitten werden.
- Die Applikationsstelle sollte nicht rasiert werden, um Hautirritationen und damit eine Veränderung der Hautdurchblutung zu vermeiden; Haare werden im Bedarfsfall abgeschnitten.
- Bei Fieber oder stark durchbluteter Haut liegen unterschiedliche Resorptionsverhältnisse vor; ausgedehnte Sonnenexposition und heiße Bäder sind zu meiden.
Bisphosphonate gegen Knochenschmerzen
Bei einigen Tumorarten wie Prostata-, Lungen- und Mammakarzinom sowie beim multiplen Myelom treten häufig Knochenmetastasen auf, die zu Frakturen, Schmerzen, einer Kompression der Wirbelsäule und Hyperkalzämie führen können. Die Tumorzelle sezerniert osteoklastenstimulierende Mediatoren (z. B. TNF-α, IL-1, IL-6, TGF-α), die einen Knochenabbau verursachen.
Bisphosphonate hemmen die Osteoklastenaktivität und können deshalb kausal bei neoplastischen Knochenmanifestationen eingesetzt werden. Die stärkste Hemmung der Knochenresorption wird durch die neueren Bisphosphonate erzielt; besonders ausgeprägte antiresorptive Qualitäten besitzen Pamidronat (Aredia®) und Zoledronsäure (Zometa®).
Orale Zytostatika Beratung ist unabdingbar
Einige Zytostatika stehen in oraler Darreichungsform zur Verfügung (Tab. 1). Dies kann für den Patienten durchaus Vorteile haben: Er ist ungebunden und erspart sich häufige Arztbesuche und die Unannehmlichkeit einer Infusion bzw. Injektion. Auf der anderen Seite fehlt der engmaschige Kontakt mit dem Arzt, und Nebenwirkungen des Zytostatikums werden vielleicht nicht sofort erkannt und notwendige Maßnahmen möglicherweise zu spät eingeleitet. Darüber hinaus erfordert eine orale Zytostatikatherapie eine sehr hohe Compliance und Akzeptanz von Seiten des Patienten.
Bei jeder Abgabe eines oralen Zytostatikums sollte sich der Offizinapotheker vergewissern, ob dem Patienten ein genaues Einnahmeschema vorliegt und er auch in der Lage ist, dieses einzuhalten. Ferner muss der Patient darauf hingewiesen werden, beim Auftreten unerwünschter Wirkungen seinen Onkologen zu kontaktieren. Oftmals unterscheidet sich auch der Einnahmeintervall eines Zytostatikums von der Einnahmefrequenz anderer Oralia; so wird z.B. Lomustin in einer Dosierung von 70 bis 100 mg/m² Körperoberfläche alle 6 Wochen verabreicht; in der Literatur sind Fälle bekannt, bei denen es aufgrund einer zu häufigen Einnahme zu massiven Überdosierungen kam, die sich in einer kumulativen Nephrotoxizität äußerten. Ein weiteres Beispiel für eine unübliche Einnahmefrequenz ist Methotrexat, das (in der Rheumatherapie) zwischen 5 und 20 mg einmal pro Woche (und nicht täglich) eingenommen wird.
Erhöhtes Interaktionsrisiko
Bei einer Zytostatikatherapie besteht in der Regel ein erhöhtes Interaktionsrisiko. Dieses setzt sich aus der geringen therapeutischen Breite der Zytostatika, einer in der Regel umfangreichen Begleitmedikation und der klinischen Situation des Patienten zusammen.
Da meist eine Vielzahl von Medikamenten (eventuell inklusive einer anderen Dauermedikation) verabreicht wird, lassen sich Ausmaß und potenzielle Möglichkeiten der Interaktionen nur schwer abschätzen. Es gibt aber einige klassische Wechselwirkungen in der Onkologie, die verhindert werden sollten oder aber therapeutisch genutzt werden können. So verstärkt z.B. Calciumfolinat die Wirkung von 5-Fluorouracil; auf der anderen Seite wird Calciumfolinat als Rescueur Aufhebung der Methotrexatwirkung eingesetzt. Weitere klassische Beispiele für Interaktionen in der Onkologie ist eine erhöhte Oto- und Nephrotoxizität bei der gleichzeitigen Gabe von Platinderivaten mit Aminoglykosiden bzw. Cephalosporinen; eine verminderte Resorption von beta-Acetyldigoxin unter einer Bleomycintherapie oder eine erhöhte Kardiotoxizität bei der gleichzeitigen Applikation von Doxorubicin und Actinomycin D.
Therapieschemata wie wird therapiert?
Die Auswahl der Zytostatika richtet sich zum einen nach der Diagnose, dem Tumorstadium, dem Allgemeinzustand und der Vorbehandlung des Patienten. Zum andern ist die Art der Chemotherapie auch abhängig davon, ob der Patient nach einem bestimmten Standard therapiert wird oder in eine Studie aufgenommen ist, in der eine neue Therapie untersucht wird. In Krankheitsstadien, in denen kein kurativer Effekt mehr zu erwarten ist, werden unter Umständen palliative oder experimentelle Behandlungen durchgeführt.
Die Art der Therapie ist in einem Protokoll festgelegt. Für die meisten Tumorarten gibt es mehrere Standardprotokolle. Welches Therapieschema ausgewählt wird, hängt von der Krankengeschichte des Patienten, aber auch von den Erfahrungen und Gepflogenheiten der die Chemotherapie durchführenden Klinik bzw. Praxis ab. In Tumorzentren oder speziellen Krankenhäusern kommen auch Studienprotokolle zum Tragen, in denen z. B. ein neuer Wirkstoff, neue Kombinationen, bestimmte Dosierungen oder spezielle Therapieintervalle untersucht werden.
Therapieprotokolle
Die Therapieschemata werden mit bestimmten Kürzeln gekennzeichnet, z. B. CHOP (beim Non-Hodgkin-Lymphom):
- C steht hier für Cyclophosphamid,
- H für Hydroxydaunorubicin = Doxorubicin,
- O für Vincristin (Oncovib) und
- P für Prednison.
Die Abkürzungen für einen Wirkstoff sind aber nicht einheitlich, und die Buchstabenkürzel werden unterschiedlich verwendet (z.B. wird Cisplatin mit P und mit C abgekürzt); darüber hinaus werden Wirkstoffnamen, Handelsnamen und Synonyme gebraucht. Das heißt also, dass bei der Dechiffrierung solcher Abkürzung vorsichtig vorgegangen werden bzw. ein ausgeschriebener Therapieplan vorliegen muss. Bei einer mehrmaligen Chemotherapie muss das Studienprotokoll mitunter gewechselt werden, da einige Zytostatika (wie z. B. Anthracycline aufgrund ihrer Kardiotoxizität) nur bis zu einer bestimmten Gesamtdosis gegeben werden können. Wie unterschiedlich die einzelnen Karzinomarten therapiert werden, zeigen z. B. die Protokolle bei Brustkrebs: Allein für das Mammakarzinom finden sich in der Literatur ca. 30 Standardprotokolle, daneben existieren weitere Studienprotokolle.
Polychemotherapiekonzepte
Die Chemotherapie ist in der Regel eine Kombinationstherapie. Damit erhofft man sich einen erhöhten Zellkill bei tolerabler, nicht überlappender Toxizität, eine breite Abdeckung primär resistenter Subklone und eine Verhinderung der Entwicklung sekundär resistenter Klone.
Die zurzeit übliche Chemotherapie berücksichtigt folgende Punkte:
- Einsatz tumorspezifisch wirksamer Zytostatika
- Kombination von Einzelsubstanzen mit unterschiedlichem Wirkmechanismus
- Anpeilen möglichst hoher Initialdosen (first order kill), da viele Zytostatika eine steile Dosis-Wirkungs-Beziehung aufweisen. Je höher die Dosis, umso größer ist der therapeutische Effekt; eine Reduktion der Dosis kann eine reduzierte Heilungsrate zur Folge haben. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass Chemotherapeutika gravierende Nebenwirkungen aufweisen, das heißt, die optimale Dosierung weist nur eine geringe Bandbreite auf.
- Kein Überlappen der Nebenwirkungsspektren; z. B. kann nur eine nephrotoxische Substanz eingesetzt werden.
- Beachten Zytostatika-spezifischer Dosislimitierungen
- Berücksichtigung der Resistenzmechanismen, Einsatz nicht kreuzresistenter Substanzen
- möglichst frühzeitiger Therapiebeginn
- Dosis Scheduling; d.h., bei der zeitlichen Abfolge der einzelnen Zytostatika innerhalb einer Kombination sind synergistische und antagonistische Effekte zu beachten.
- Einhalten des Therapieprotokolls; Dosis und Applikationsintervall sind für den Therapieerfolg entscheidend, da auch eine Verlängerung des Dosierungsintervalls zu vermehrten Rezidiven führen kann.
Spätfolgen einer Zytostatikatherapie
Da gerade bei Kindern und Heranwachsenden Tumorerkrankungen eine relativ hohe Heilungsrate aufweisen, müssen die Spättoxizitäten einer Chemo- und Strahlentherapie berücksichtigt werden. So kann eine Strahlentherapie bei männlichen Patienten zu einer Schädigung der Spermienstammzellen und zu einer Reduktion ausreifenden Spermatogonien, eine Chemotherapie zu einer Schädigung des Keimepithels und zu chronischer Infertilität führen. Bei Frauen können dosis- und substanzabhängig Ovarienatrophien und Unfruchtbarkeit auftreten.
Um einer späteren Infertilität vorzubeugen, werden zum einen sofern aus therapeutischen Gründen möglich Substanzen eingesetzt, die weniger spermatotoxisch sind oder seltener zu einer ovariellen Dysfunktion führen, und es werden zum andern vor der Therapie bestimmte Maßnahmen wie z.B. eine Spermakryokonservierung ergriffen.
Die Teratogenität einer Substanz kann sich in Aborten, Totgeburten, anatomischen Defekten, Fehlbildungen, Entwicklungs- und Verhaltensstörungen sowie in Infertilität äußern. Entscheidend ist der Applikationszeitpunkt, so führen z.B. im ersten Trimenon Alkylanzien in ca. 16%, Folsäureantagonisten in nahezu 100% zu Fehlbildungen. Über schwerwiegende Fehlbildungen während einer Therapie im zweiten und dritten Trimenon liegen keine Daten vor; allerdings führt eine Behandlung in dieser Zeit zu einem bis zu 40% verringerten Geburtsgewicht.
Kanzerogenität einer Chemotherapie
Inwieweit eine Chemotherapie das Risiko einer malignen Zweiterkrankung erhöht, ist bislang erst ansatzweise und nicht für jede Substanz bekannt. Für einige Tumorarten besteht indes ein relativ eindeutiger Zusammenhang zwischen der Behandlungsstrategie und dem Auftreten eines Zweittumors. So treten z.B. sekundäre Leukämien gehäuft nach einer Therapie mit Alkylanzien oder mit Topoisomerasehemmern bzw. nach einem erfolgreich behandelten Ovarial-, Hoden- und Mammakarzinom auf. Ebenfalls scheint ein Zusammenhang zwischen einem therapierten Morbus Hodgkin oder einem multiplen Myelom und einer erhöhten Inzidenz sekundärer Leukämien zu bestehen. Etwa 3% aller ehemals pädiatrisch-onkologischer Patienten erkrankt innerhalb von 10 Jahren an einer Zweitneoplasie. Nach einer akuten lymphatischen Leukämie treten vor allem ZNS-Tumoren auf; wahrscheinlich aufgrund der prophylaktischen Schädelbestrahlung.
Spätfolgen nach Therapie im Kindesalter
In Deutschland leben mehr als 25 000 geheilte ehemals krebskranke Kinder und Jugendliche; meist handelt es sich um ehemalige Leukämie- und Lymphompatienten. Neben dem bereits erwähnten erhöhten Risiko für eine Zweitneoplasie verursachen die Strahlen- und Chemotherapie weitere Spätfolgen. Diese können das endokrine System betreffen und erfordern eine engmaschige Überwachung der Pubertätsentwicklung.
Ferner können vor allem als Spätfolge eines malignen Hirntumors Wachstumsstörungen auftreten, die eventuell durch Wachstumshormone ausgeglichen werden können. Des Weiteren können in der Folge einer Krebstherapie neuropsychologische und psychosoziale sowie ophthalmologische Störungen auftreten.
Randnotiz
Alternative Heilmethoden
Schulmedizin und Alternativmedizin sind vor allem in der Onkologie zwei weit auseinanderliegende therapeutische Ansätze, was unter anderem an dem jeweiligen zugrundeliegenden Krankheitsverständnis und den daraus resultierenden Therapieversuchen liegt.
Die westliche Schulmedizin sieht eine Erkrankung unter pathophysiologischen, mechanistischen Aspekten; der Erfolg einer therapeutischen Vorgehensweise wird nach bestimmten objektiven, naturwissenschaftlich fundierten Kriterien beurteilt.
Alternative Heilmethoden versuchen in der Regel, Krankheitsentstehung und Heilungsprozesse unter ganzheitlichen, weltanschaulichen Gesichtspunkten zu deuten und bieten somit dem Patienten vielschichtige Identifikationsmöglichkeiten an. Der Erfolg einer Therapie wird eher subjektiv beurteilt; d.h., es fehlen häufig reproduzierbare, methodisch einwandfreie Studien, was wiederum von der Schulmedizin kritisiert wird.
Manche Kliniken – unter anderem die Klinik für Tumorbiologie in Freiburg – schlagen einen interessanten Weg ein: Alternative Heilmethoden oder besser unkonventionelle Mittel und Verfahren in der Krebsmedizin (UMK) werden – sofern es sich nicht um Scharlatanerie oder Paramedizin handelt – nicht per se abgelehnt, sondern unter wissenschaftlich überprüfbaren, methodisch einwandfreien Gesichtspunkten untersucht. Diese Vorgehensweise hat z.B. bei der Misteltherapie zu neuen, auch von der Schulmedizin anerkannten Erkenntnissen geführt. pj
Kastentext
- Der Energiebedarf eines Tumorpatienten beträgt ca. 30 bis 40 kcal/kg
- Seine Nahrung sollte sich aus ca. 1 bis 1,5 g Eiweiß; 3 bis 5 g Glucose und 1 bis 1,5 g Fett pro kg Körpergewicht zusammensetzen
- Der Energiebedarf eines Tumorpatienten beträgt ca. 30 bis 40 kcal/kg
Kastentext: Beispiele für Trink- und Sondennahrungen in der Onkologie (Auswahl)
- Funktionsfähiges Verdauungssystem, normaler Energiebedarf: Salvimulsin Standard, Salvimulsin MCT, Sondalis Iso, Fresubin, Biosorb, Nutrison Standard, Bioni für Kinder [alle ohne Ballaststoffe] Salviplus, Sondalis Plus, Sondalis 0,75 Plus, Clinutren Soup, Fresubin plus, Fresubin plus Sonde, Nutrison MultiFibre [alle mit Ballaststoffen]
- Funktionsfähiges Verdauungssystem; erhöhter Energiebedarf: Salvimulsin MCT 800, Sondalis Energy, Clinutren 1,5, Biosorb 1500, Nutrison Energy, Bioni Energie (für Kinder)
- Funktionsfähiges Verdauungssystem; fortgeschrittene Mangelernährung bei Tumoren: Modulen lipid, Supportan
- Eingeschränktes Verdauungssystem: Salvimulsin MCT, Salvipeptid liquid MTC, Survimed OPD, Biosorbin MCT flüssig, Nutrison MCT, Peptisorb flüssig, Nutrison Pepti
Kastentext: Metabolische Störungen bei Tumorpatienten
- Kohlenhydratstoffwechsel: verringerte Kohlenhydratoxidation, Insulinresistenz, verminderte Glucose-Utilisation
- Fettstoffwechsel: gesteigerte Fettoxidation
- Proteinstoffwechsel: Verlust an Muskeleiweiß; Umverteilung der Proteine; erhöhter Verbrauch von Valin, Leucin, Isoleucin und Serin
Kastentext: Häufige Fehler bei der Verordnung von Analgetika
- Verschreibung "nach Bedarf"
- Standarddosierung
- zu schwaches Analgetikum
- Unterschätzung der Schmerzintensität
- Angst vor Suchterzeugung
- unzureichende Begleitmedikation
- i. m. oder i. v. Applikation, wenn eine orale Gabe möglich ist
Kastentext: Äquivalenzdosen von Morphin
- oral: 30 mg
- i.v., i.m.: 10 mg
- epidural: 3 mg
- intrathekal: 0,3 mg
- intraventrikulär: 0,001 mg
Kastentext: Chemotherapieprotokolle
- Standardprotokolle (z.B. CHOP)
- Studienprotokolle
- palliative Protokolle (kein kurativer Effekt)
- experimentelle Protokolle
Kastentext: Standardtherapieprotokolle beim Mammakarzinom (zwei Beispiele)
Cyclophosphamid/Methotrexat/5-Fluorouracil (CMF) C: Cyclophosphamid 600 mg/m² i.v. Bolus Tag 1 M: Methotrexat 30 mg/m² i.v. Bolus Tag 1 F: 5-Fluorouracil 600 mg/m² i.v. Bolus Tag 1 Wiederholung: Tag 22
Epirubicin/Cyclophosphamid (EC) E: Epirubicin 60 mg/m² i.v. Bolus Tag 1 C: Cyclophosphamid 600 mg/m² i.v. Bolus Tag 1 Wiederholung: Tag 22 bis 29; cave: Epirubicingrenzdosis
Kastentext: Zertifizierte Fortbildung Onkologische Pharmazie
Die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Apothekerkammern (Bundesapothekerkammer) hat im Mai 2000 ein Curriculum "Onkologische Pharmazie" verabschiedet [Abdruck z.B. in PZ Nr. 46/2000, S. 117 – 119], das sich an Offizin- und Krankenhausapotheker richtet. Während mindestens 100 Seminarstunden werden theoretische und praktische Kenntnisse der onkologischen Pharmazie erworben und vertieft. Da nicht jede Kammer alle Seminare anbieten kann, wurde die Durchführung bundesweit aufgeteilt.
Die einzelnen Seminare werden von folgenden Kammern durchgeführt: 1. Grundlagen der Tumortherapie (20 Stunden), AK Niedersachsen und AK Bremen 2. Handhabung von Tumortherapeutika (20 Stunden), AK Westfalen-Lippe 3. Onkologisch-pharmazeutische Praxis (40 Stunden; siehe hierzu den separaten Kasten), LAK Baden-Württemberg und LAK Rheinland-Pfalz 4. Information (10 Stunden), LAK Hessen 5. Klinisch-onkologische Studien (10 Stunden), AK Hamburg
Die Teilnahme an den Seminaren ist kostenpflichtig; pro Stunde werden ca. 17 Euro berechnet. Eine abschließende Prüfung erfolgt bei der zuständigen Apothekerkammer.
Kastentext: Lerninhalte Seminar 3, Teil I "Onkologisch-pharmazeutische Praxis"
- Therapieschemata
- Überwachung von Kumulativdosen
- Vorschläge zur sicheren Arzneimittelanwendung
- Applikationsmöglichkeiten
- Behandlung von Paravasaten
- Arzneimittelinteraktionen
- Ökonomische Aspekte der Krankheit sowie diagnostischer und therapeutischer
- Maßnahmen
- Alternative Heilverfahren
- Osteoporose und Osteolyse
- Spättoxizitäten
- Akute und chronische Schmerzen
- Ernährungstherapie
Kastentext: Spätfolgen der Strahlen- und Chemotherapie
- Organschäden
- Infertilität
- Mutagenität
- Teratogenität
- Kanzerogenität
- Entwicklungsstörungen
Kastentext: Ratschläge für ehemalige Patientinnen mit Kinderwunsch
- genetische Beratung; Aufklärung anhand aktueller Daten
- antikonzeptive Behandlung während ca. zwei Jahren nach Abschluss der Chemotherapie
- intensivierte Schwangerschaftsvorsorge mit zytogenetischer Untersuchung
- intensivierte Vorsorgeuntersuchung des Kindes nach der Geburt
Quellen und Literatur [1] Vorträge von Dr. Annette Sattler, Ulrike Langer und Dr. Kerstin Geißelmann (alle: Apotheke des Klinikums der Universität Mainz) bei der Zertifikatsfortbildung onkologische Pharmazie am 7. bis 9. 9. 2001 in Mainz. [2] Vortrag von Jürgen Barth (Apotheke des Universitätsklinikums Essen) bei der Zertifikatsfortbildung onkologische Pharmazie am 21. bis 23. 9. 2001 in Münster. [3] Berger, D.P., Engelhardt, R., Mertelsmann, R. (Hrsg.): Das rote Buch. Hämatologische und internistische Onkologie. Verlag ecomed, Landsberg 1998. [4] Schmoll, H.-J., Höffken, K., Possinger, K. (Hrsg.): Kompendium Internistische Onkologie. 3 Bde., 3. Aufl. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 1999. [5] Bischoff, S.: Krebs und Ernährung. Krankenhauspharmazie 22, 417 422 (2001). [6] Theobald, S.: Krebsdiäten sinnvoll oder gefährlich? Med. Monatsschr. Pharm. 24, 300 306 (2001). [7] Hennies, S.: Künstliche Ernährung und Ernährungsberatung. In: P. Braem (Hrsg.): Apothekenübliche Dienstleistungen. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2000.
Immer mehr Krebspatienten werden ambulant behandelt. Für die Apotheker bedeutet dies eine neue berufliche Herausforderung. Bereits im Mai 2000 hat die Bundesapothekerkammer ein Curriculum für die Fortbildung in "Onkologischer Pharmazie" verabschiedet. Mehrere Apothekerkammern bieten nun die dafür zu absolvierenden Seminare an. Wir berichten in dieser DAZ-Ausgabe über die Ernährung, Schmerzbehandlung und Zytostatikatherapie von Krebspatienten.
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